Künstler, Könner und Macher: Sascha Gluth, der einstige „Klaus Störtebeker“

Sascha Gluth über die Kultur in M-V, eigene Projekte und Ziele

Mecklenburg-Vorpommern ist wahrlich ein Land der Festspiele, ob die Festspiele M-V, die Schlossfestspiele in Schwerin, die Schlossgartenfestspiele Neustrelitz, die Vineta-Festspiele in Zinnowitz, die Müritz-Saga in Waren, das Piraten Open Air in Grevesmühlen, die Störtebeker-Festspiele in Ralswiek oder die Festspiele Wismar und und und

Bei letztgenannten Festspielen gibt es einen Protagonisten, der nicht nur deutschlandweit bekannt ist: Sascha Gluth, Jahrgang 1970, der fast schon „ewige Klaus Störtebeker“. Ein Jahrzehnt, von 2002 bis 2012, verkörperte er den legendären Seeräuber in Ralswiek. Sascha Gluth blieb Mecklenburg-Vorpommern auch nach seinem Engagement bei den Störtebeker-Festspielen treu – bei Inszenierungen 2014/15 am Volkstheater Rostock und bei den Festspielen Wismar in der dortigen Sankt-Georgen-Kirche.

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Nachgefragt bei Sascha Gluth

Sascha Gluth über die Festspiele Wismar, das intensive Jahr 2016, berufliche Herausforderungen in Vergangenheit bzw. Gegenwart und weitere Ambitionen

„Kultur ist ein Grundbedürfnis…“

 

Frage: Sie blieben M-V auch „nach Klaus Störtebeker“ künstlerisch treu, spielen den „Jedermann“ und den „Faust“ bei den Festspielen Wismar, die noch sehr jung sind. Was fasziniert Sie dabei am Festspielort Wismar?

Sascha Gluth: Der deutsche Nordosten war ja für mich viele Jahre Wohn- und Lebensort. In Mecklenburg-Vorpommern leben noch immer viele Freunde und Bekannte, dorthin fahre ich gern. So arbeitete ich unter anderem am Volkstheater Rostock und hatte das Störtebeker-Engagement in Ralswiek auf Rügen zwischen 2002 und 2012.

Wismar blieb für mich eigentlich immer etwas außen vor. Wenn man von der Küste kommt, fährt man ja nicht in benachbarte Orte, sondern lieber gleich woanders hin.

Vor einigen Jahren erhielt ich eine Einladung zum Schwedenfest in Wismar und konnte die Wismarer Altstadt auch etwas erkunden. Ich sah schon das Potenzial, das Wismar bot, hatte so den Eindruck, dass diese Stadt kulturell „wach geküsst“ werden müsste. Als wir dann vor 3 Jahren an der Entwicklung der Festspiele und der Produktion des „Jedermann“ arbeiteten, gab letztlich die Sankt Georgen-Kirche den entscheidenden Ausschlag – ein einmaliges Gebäude mit einer einzigartigen Architektur und beeindruckenden  Geschichte und mithin das zweitgrösste Wiederaufbau-Projekt nach der Frauenkirche in Dresden nach der Wende.

Die Atmosphäre dort, die Kulisse – das ist schon imponierend. Was für mich auch wichtig war, ist das Alleinstellungsmerkmal der Festspiele Wismar. Es ist kein Action-Festival und keine Musiktheater-Festival, nein, es ist ein echtes Schauspiel-Festival, das es in dieser Qualität so noch nicht gibt.

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Frage: Es gab in den letzten Jahren oft ätzende Diskussionen über die Förderung der Theaterlandschaft zwischen Schwerin via Rostock bis Vorpommern, wobei die Diskussionen stets unter dem Primat des Geldes geführt worden. Es stand oftmals nicht die Notwendigkeit einer Kulturförderung als Bildungsauftrag im Fokus. Einige Politiker sahen in den Kulturangeboten eine zusätzliche touristische Marketingstrategie.

Wie beurteilen Sie die Diskussionen um die kulturelle Förderung in M-V? Wie ist Ihre Meinung zum Kulturland M-V?

Sascha Gluth: Es ist schon mitunter ziemlich absurd, wie die Diskussionen um die Kulturförderung verlaufen. Alles wird unter dem Primat der Finanzen betrachtet, nicht jedoch, dass Kultur mehr ist als ein wirtschaftlicher Standortfaktor – gerade für touristische Zwecke.

Kultur ist ein Grundbedürfnis, vermittelt Bildung und zeigt, woher wir kommen und wohin wir eigentlich müssten. Den verantwortlichen Politikern fehlt oftmals ein Gesamt-Konzept, eine kulturelle Perspektive. Kultur-Politik wird nicht gestaltet, sie wird oft eher verwaltet.

Entscheidungen zur Kulturförderungen werden nur „auf Sicht“ gefällt. Es fehlen tragfähige Programme, wie die Zukunft der Kultur-Landschaft aussehen soll, nicht nur in M-V, sondern deutschlandweit. Wir haben ja die Tradition der Stadttheater. Wenn diese erhalten bleiben soll – und das sollte sie – dann müssen auch neue Wege beschritten werden, neue Konzepte entwickelt werden und Kultur als ein Auftrag verstanden werden, als Auftrag diese zu erhalten, ihre ideellen Werte zu begreifen und diese weiter zu entwickeln.

Die Festspiele Wismar erhielten zumindest von Anfang an Unterstützung vom Landkreis Nordwestmecklenburg und der Stadt Wismar, weil man ja auch ein eigennütziges Interesse daran hatte, weitere Kultur-Angebote für die Touristen zu schaffen. Seitens der Landespolitik hielt man sich zunächst zurück, aber inzwischen erfolgte auch dort allmählich ein Umdenken…

Frage: Inzwischen haben Sie ja auch ein eigenes Theater… Wie kam es dazu?

Sascha Gluth: Ich studierte zwischen 2011 und 2014 neben meinen verschiedenen beruflichen Verpflichtungen an einzelnen Theater-Häusern und Produktionen „nebenbei“ noch Kultur- und Medien-Management an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Ich wollte schon in de planenden und selbst produzierenden Bereich „einsteigen“.

Das Studium war sehr interessant und hilfreich, doch auch als einer der Jahrgangsbesten merkte ich schnell, dass „die Welt“ auf einen Kulturmanager Sascha Gluth nicht wartet. Es war schon verblüffend wie einige Bewerbungsgespräche so abliefen. Man sah in mir stets den Künstler, aber nicht den „Kultur-Macher“ Sascha Gluth.

Nun wohne ich in Wandlitz und ich hatte auch die Ambition, dort Kultur zu gestalten, wo ich unmittelbar lebe bzw. wohne, in einer Gegend, in der ich die Menschen gut kenne und weiss, welche (kulturellen) Wünsche diese haben.

Meine Frau und ich wollte etwas eigenes Kulturelles „auf die Beine stellen“. Zudem fanden wir in Wohn-Nähe ein hervorragendes Gebäude, das vor fast 90 Jahren, 1928, gebaute Bahnhofsgebäude Wandlitz. In der ersten Etage, in der sich zuvor die Gemeinde-Bibliothek befand, befindet sich unser Theater. Ja – und jetzt sind wir nicht nur Künstler, sondern auch „Theater-Macher“.

Frage: Wann beginnen eigentlich die unmittelbaren Vorbereitungen für Sie bei den Festspielen Wismar 2017?

Sascha Gluth: Den „Jedermann“ zeigen wir ja seit 2014 und den „Faust“ seit 2016. Es ist nun so, dass wir beide Inszenierungen weiter präsentieren wollen, den „Faust“ zwischen 6.Juli und 30.Juli in zehn Vorstellungen, den „Jedermann“ zwischen 3.August und 6.August in fünf Vorstellungen.

Wir wollen den Festspiel-Ort Wismar erst einmal weiter etablieren, seinen Ruf erweitern und festigen und organisatorische Abläufe weiter professionalisieren. Das geht aber nur mit einer entsprechenden Marketing-Strategie, die unbedingt intensiviert werden muss. Wenn kaum jemand weiss, dass an bestimmten Orten hochklassige Kultur geboten wird, geht letztendlich auch niemand hin – und es gibt Kultur-Interessierte ja nicht nur in Westmecklenburg, wo die „Mund-zu-Mund“-Propagierung reichen mag.

Die Festspiele Wismar müssen auch ihren Platz im Landesmarketing erhalten – dann kann sich Wismar als Festspiel-Ort weiter entwickeln. Das Potenzial dafür ist hinreichend vorhanden. Letztendlich müssen neue Zuschauer aus anderen Regionen gewonnen werden, damit die Festspiele Wismar auch wirtschaftlich eine gute Grundlage erhalten. Dann sind auch neue Inszenierungen und neue Stücke möglich.

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Letzte Frage: Immer „nur Theater“ geht ja nicht… Welchen weiteren Herausforderungen widmen Sie sich?

Sascha Gluth: Dieses Jahr 2016 war ungemein intensiv. Ich hatte künstlerische Verpflichtungen an mehreren Bühnen, unter anderem den Amphitryon an der Landesbühne Sachsen, Einsätze als Synchronsprecher, natürlich das Engagement bei den Festspielen Wismar, die Eröffnung eines neuen Theater-Hauses, Medien-Termine und letztendlich muss ich auch meine Familie „managen“. Das alles erfordert viel Zeit und Kraft. Bis Silvester haben wir noch Vorstellungen an unserem neuen Theater und dann werde ich auch erst einmal zwei Wochen haben, um neue „Energie zu tanken“.

Vielen Dank, weiterhin alles erdenklich Gute, persönlich, beruflich und künstlerisch, und maximale Erfolge 2017!

Kulturelle Rand-Notiz: Den Kulturpreis M-V des Jahres 2016 erhielt Ralf Dörnen, Ballett-Direktor und Choreograph am Theater Vorpommern, und der Autor Kai Grehn wurde 2016 mit dem ersten Literaturpreis M-V ausgezeichnet.

Marko Michels

Fotos (Wolfgang Gross): Sascha Gluth als „Klaus Störtebeker“ bei den Störtebeker-Festspielen in Ralswiek auf Rügen.