Kommunale Verfassungsbeschwerde gegen die Einführung der Doppik

Das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern wird am Donnerstag, den 10. September 2009, um 11.00 Uhr im Saal I (116) des Gerichtsgebäudes Domstraße 7 in Greifswald über eine Verfassungsbeschwerde des Landkreises Bad Doberan mündlich verhandeln, die sich gegen Art. 1 und 2 des Gesetzes zur Reform des Gemeindehaushaltsrechts vom 14. Dezember 2007 (GVOBl. M-V S. 410) richtet. Danach sind die Gemeinden, Ämter und Landkreise verpflichtet, im Haushalts- und Rechnungswesen (spätestens) zum Haushaltsjahr 2012 die doppelte Buchführung (Doppik) einzuführen. Ein wesentlicher Unterschied zur – von den Kommunen derzeit praktizierten – kameralistischen Buchführung liegt darin, dass diese grundsätzlich allein Einnahmen und Ausgaben (d.h. zahlungswirksame Vorgänge) des jeweiligen Haushaltsjahres abbildet (Geldverbrauchskonzept), während die Doppik vor allem auch den Werteverzehr (Abschreibungen, Pensionsrückstellungen) periodengenau erfasst (Ressourcenverbrauchskonzept).

Der Beschwerdeführer, der gegen die Doppik als solche keine Bedenken erhebt, ist der Auffassung, dass die gesetzlichen Vorgaben ohne Ausgleich des Aufwands für die Umstellung und den laufenden Betrieb gegen das Konnexitätsprinzip (Art. 72 Abs. 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern [LV]) verstoßen. Danach seien Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen und Mehrbelastungen finanziell auszugleichen, wenn die Gemeinden und Kreise zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet werden. Die Einführung der Doppik stelle eine solche Verpflichtung zur Aufgabenerfüllung dar und nicht lediglich die Vorgabe eines verwaltungsinternen Planungs- und Bewirtschaftungsinstruments. Damit würden nämlich auch externe Ziele verfolgt wie die intergenerative Gerechtigkeit. Im Übrigen erhöhe die Doppik die bei der Haushalts- und Rechnungsführung zu beachtenden Standards, was einer Aufgabenübertragung im Sinne des Art. 72 Abs. 3 LV gleichstehe. Dies gelte auch im Hinblick auf die Aufsichtsaufgaben nach dem Kommunalprüfungsgesetz, die der Landrat im Wege der Organleihe für das Land wahrnehme. Daher sei das angegriffene Gesetz, jedenfalls aber Art. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 2008/2009 verfassungswidrig, weil (auch) darin kein entsprechender finanzieller Ausgleich vorgesehen sei. Ohne einen solchen werde zudem in unverhältnismäßiger Weise in die kommunale Organisations- und Haushaltshoheit (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 LV) eingegriffen.

Der Landtag und die Landesregierung verteidigen das Gesetz. Mit der Verpflichtung zur Umstellung der Haushalts- und Rechnungsführung werde schon keine Aufgabe im Sinne des Art. 72 Abs. 3 LV übertragen. Diese Vorschrift erfasse Sachaufgaben, nicht jedoch verwaltungsorganisatorische Maßnahmen, die – wie hier – die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben erst ermöglichten. Da sich diesbezügliche Standarderhöhungen mithin auch nicht auf eine öffentliche Aufgabe beziehen könnten, sei das Konnexitätsprinzip insoweit ebenso wenig anwendbar. Letzteres gelte auch für die Aufsichtsaufgaben nach dem Kommunalprüfungsgesetz, weil bei der Organleihe der Ausleihende (das Land) ohnehin alle Kosten trage. Das Recht auf angemessene Finanzausstattung sowie die Organisations- und Haushaltshoheit seien ebenfalls nicht verletzt. Es sei nicht ersichtlich, dass die dem Landkreis insgesamt zur Verfügung stehenden Finanzmittel nicht ausreichten, um auch ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen zu können. Mit der Einführung der Doppik würden auch die organisatorischen Handlungsmöglichkeiten nicht „erstickt“.

Das Landesverfassungsgericht wird am Schluss der – öffentlichen – Verhandlung am 10. September 2009 den Termin zur Verkündung einer Entscheidung bekannt geben.