Kämpfer für die Freiheit …

Vor 125 Jahren wurde Bernard Pfaffenzeller, nach 1945 Landrat in Hagenow, in Augsburg geboren. Aufgrund seines demokratischen Engagements wurde er 1947 verhaftet und starb 1950 unter unmenschlichen Haftbedingungen …

Konnte sich der mecklenburgische Heimatschriftsteller Christian Wilhelm Harms noch 1947 einer drohenden Verhaftung durch die sowjetische Militäradministration rechtzeitig entziehen, so mußte Harms politischer Weggefährte, der vom 2.Mai 1945 bis 6.November 1945 amtierende Landrat in Hagenow, Bernhard Pfaffenzeller, seinen Widerstand gegen das stalinistische Regime mit dem Leben bezahlen.

Bereits ab Herbst 1945 hatte sich Bernhard Pfaffenzeller der kommunistischen „Einheits“kampagne widersetzt und die von der KPD-Landesleitung propagierte Bodenreform strikt abgelehnt. Aufgrund dieser Haltung wurde Bernhard Pfaffenzeller als Landrat in Hagenow Anfang November 1945 abgesetzt.

Als Vorsitzender der SPD des Landkreises Hagenow fungierte Pfaffenzeller aber weiter, nachdem ihm die dortige SPD klar das Vertrauen ausgesprochen hatte. Im April 1946 wurde Bernhard Pfaffenzeller – wie viele andere Vereinigungsgegner innerhalb der SPD – in die SED zwangseingegliedert. Dieses änderte jedoch nichts an Pfaffenzellers sozialdemokratischer Gesinnung, für die er auch nach der Zwangsvereinigung eintrat.

Ab Ende 1946 übernahm Pfaffenzeller den Vorsitz des FDGB des Kreises Hagenow und versuchte in dieser Funktion die Unabhängigkeit der Gewerkschaften gegenüber der SED zu verteidigen.

Doch Bernhard Pfaffenzeller blieb ein Gegner der Kommunisten und ihrer totalitären Ideologie; er wurde von den kommunistischen „Sicherheitsorganen“ bespitzelt, mußte Diffamierungen erdulden.

Die Gegnerschaft zwischen Bernhard Pfaffenzeller und den Kommunisten in der SED bzw. den Vertretern der sowjetischen Militär-Administration spitzte sich im Frühjahr 1947zu. Grund dafür war ein tragischer Zwischenfall im Landkreis Hagenow, der von den Angehörigen der Roten Armee provoziert wurde. Darüber schrieb das Mitglied des Museumsbeirates Hagenow, Peter Jessel, 1990 folgendes: „ … Am 2.März 1947 war der 26jährige Lehrer Herbert Holstein mit dem Fahrrad von Hagenow zu seinem Wohnort Schwaberow unterwegs. Kurz vor Toddin wurde der junge Mann von zwei sowjetischen Soldaten angehalten, mit der Absicht, das Fahrrad zu stehlen. Nach einem kurzen Handgemenge zog einer der Soldaten eine Pistole und erschoß den von einem Fußballspiel kommenden Lehrer. Bei der von Bernhard Pfaffenzeller gehaltenen Grabrede hat dieser Mann mutig die Täter beim Namen genannt. Durch Denunzianten wurde dieses dem sowjetischen Stadtkommandanten von Hagenow zugetragen. Mit bösen Folgen, wie sich zeigen (sollte) …“.

In der Folgezeit initiierte die SED-Kreisleitung eine oftmals in wüste Beschimpfungen ausartende Diffamierungskampagne gegen Bernhard Pfaffenzeller, in welcher er als „Spion“, „Schumacheragent“ oder „unverbesserlicher Sozialdemokrat“ bezeichnet wurde.

Der überzeugte Sympathisant der Politik des SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher in Westdeutschland mußte dann am 14.November 1947 die erste öffentliche Parteikritik der SED hinnehmen; weitere haltlose Beschuldigungen – nicht zuletzt aufgrund Pfaffenzellers sozialdemokratischer Überzeugung – folgten. Ein negativer Höhepunkt, eine Zäsur hinsichtlich des Verhaltens der SED/SMA gegen Bernhard Pfaffenzeller und seine Anhänger war aber die Verhaftung des beim FDGB als Kraftfahrer angestellten ehemaligen Sozialdemokraten Siegfried Grulke.

Dazu teilte Jessel 1990 mit: „ … Herr (Siegfried) Grulke wird im Februar 1949 von einem Mitarbeiter der Staatssicherheit aus dem Büro des FDGB in Hagenow abgeholt. Der fadenscheinige Grund, es gehe um die Klärung eines Verkehrsunfalles. Der völlig ahnungslose Grulke folgt dem Stasi-Mann, beim Passieren eines auf der Straße aufgestellten PKW gehen bei diesem Fahrzeug plötzlich die Türen auf. Herr Grulke wird in den Wagen gezerrt, dort werden ihm Handschellen angelegt. Der Stasi-Mann geht unbeteiligt, ohne sich umzudrehen, weiter. Die Entführungsfahrt endet in Potsdam mit der Verhaftung des Überfallenen. Nach qualvollen Verhören erfolgt die Verurteilung des Unschuldigen zu 25 Jahren Zwangsarbeit. Die Endstation des Verurteilten Herrn Siegfried Grulke war dann für 8 Jahre das berüchtigte Zuchthaus Bautzen …“

Kurze Zeit später – im Juni 1949 – wurde dann auch Bernhard Pfaffenzeller, für die Kommunisten innerhalb der SED ein unbequemer Gegner bei der beabsichtigten Stalinisierung der Gesellschaft, verhaftet und von einem sowjetischen Militärtribunal zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Er wurde danach in ein russisches Arbeitslager deportiert, wo er unter unmenschlichen Bedingungen 1950 starb.

Zur Verhaftung Bernhard Pfaffenzellers merkte Peter Jessel an: „… Die Verhaftung des Sozialdemokraten und SED-Mitgliedes Bernhard Pfaffenzeller erfolgt am 10.Juni 1949. Der 66jährige Pfaffenzeller war zu einem Verhör bei der Staatssicherheit bestellt. Von diesem Verhör ist Herr (Bernhard) Pfaffenzeller nie wieder nach Hause gekommen. Die weiteren Stationen des Leidensweges dieses Mannes liegen im Dunkeln. Durch einen Mitgefangenen wird Bernhard Pfaffenzeller am 30.Mai 1945 im sowjetischen Arbeitslager Solikamsk im Nordural erkannt.

In diesem Lager ist Herr Bernhard Pfaffenzeller im Juni 1950 an den Folgen seiner unmenschlichen Haftbedingungen gestorben. Bemühungen der Ehefrau, Auskunft über den Verbleib des Verhafteten zu erfahren, wurden von den zuständigen Sicherheitsbehörden grobschlächtig abgewiesen …“

Damit wurde Bernhard Pfaffenzeller ein weiteres Opfer des stalinistischen Regimes in der russischen Besatzungszone/DDR.

Bekannte und weniger bekannte Sozialdemokraten wurden wegen ihrer demokratischen Überzeugungen nach 1945 ff. oftmals zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, so – als Beispiele von vielen – Kürt Bütow aus Ahlbeck, Robert Schulz aus Schwerin, August Streufert aus Negast/Stralsund, Paul Franz aus Zarrentin, Paul Berg aus Rostock, Aurel von Jüchen aus Schwerin, Willi Jesse aus Rostock, Max Fank aus Stralsund, Hans Marquardt aus Greifswald oder Karl Moritz aus Wismar.

Diese Namen, diese Schicksale stehen für den Freiheitskampf der Menschen im Osten Deutschlands, der mit dem Fall der Mauer 1989 und der deutschen Vereinigung 1990 seinen erfolgreichen Abschluß fand.

M.Michels