Über Ziele und Hoffnungen der Freien Demokraten in M-V
Fünf haben schon ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die Schweriner Oberbürgermeister-Wahl benannt: Linke, CDU, SPD, Unabhängige Bürger und DIE PARTEI. Einige fehlen noch – oder bleiben diese in politischer „Abstinenz“, zumindest in puncto Schweriner OB-Wahl?!
Zu diesen gehört die FDP, die einst, von 1949 bis 2013, im Deutschen Bundestag vertreten und bis auf wenige Ausnahmen, unter anderem 1966-1969 und 1998-2005, Regierungspartei in Deutschland war. Mal mit CDU/CSU, mal mit der SPD. Seit 2013 ist sie nicht mehr im Deutschen Bundestag und seit 2011 auch nicht mehr im Landtag von M-V, dem sie von 1990 bis 1994 bzw. von 2006 bis 2011 angehörte.
Sogar als Regierungspartei fungierte die FDP in M-V schon – von 1990 bis 1994. Das alles ist politische „Schnee von gestern“. Was zählt, ist das politische „Heute“ und „Morgen“, denn im nächsten Jahr ist wieder Landtagswahl in M-V und 2017 Bundestagswahl.
Ist die FDP endgültig von der politischen Bühne verschwunden – im Bund wie im Land M-V – oder kommt da noch etwas?!
Nachgefragt bei Rene Domke, Landesvorsitzender der FDP M-V, und bei Sascha Priebe, Kreisvorsitzender der Schweriner FDP
Rene Domke und Sascha Priebe über das Leben der FDP, neue politische Ziele, die Arbeit der Großen Koalitionen, die Situation im Lan, im Bund und in der Landeshauptstadt M-V sowie über 25 Jahre deutsche Einheit
„Wir trauen den Menschen in Mecklenburg-Vorpommern mehr zu…“
Frage: Lebt die FDP in M-V eigentlich noch?
René Domke: Die Freien Demokraten sind in Mecklenburg-Vorpommern sogar sehr lebendig. Natürlich musste nach einer Reihe von Wahlniederlagen ein interner Aufarbeitungsprozess erfolgen.
Wir Freien Demokraten haben sehr basisdemokratisch ein Leitbild entworfen, das uns geerdet hat und hinter dem wir uns gemeinsam versammeln konnten. Insofern gaben die Niederlagen auch die Chance für eine Neuausrichtung, ein Überdenken und für einen mutigen Schritt nach vorn.
Übrigens waren die Freien Demokraten in der Kommunalpolitik des Landes trotz schwacher Bundestrends immer sehr aktiv und leisten beachtliches vor Ort.
Frage: Die FDP in M-V lebt also noch… Was kann und darf der gemeine Bürger im Nordosten von dieser erwarten – außer neuen Farben im „Emblem“?
René Domke: Die FDP Mecklenburg-Vorpommern wird mit einem starken Team und mit Inhalten antreten, die sich von denen der anderen Parteien deutlich unterscheiden. Die Freien Demokraten sind die einzige politische Kraft im Land, die Mecklenburg-Vorpommern als Land der Chancen mit starken Potenzialen sieht.
Bei uns steht vor der staatlichen Bevormundung und Gängelei zunächst der Einzelne im Vordergrund, der Chancen braucht, der gleiche Startbedingungen braucht, dem beste Bildung angeboten wird, dem der Weg in sein individuelles Leben vom Staat erleichtert und nicht erschwert werden soll.
Wir trauen den Menschen in Mecklenburg-Vorpommern mehr zu. Wir wollen sie ermutigen, ihr Leben frei zu gestalten, Träume auszuleben und Visionen zu verfolgen, und das trifft auf den Unternehmer zu, auf den Gründer, auf den ehrenamtlich Engagierten genau wie auf jeden Schüler, Studenten, Auszubildenden oder Angestellten und auch für die ältere Generation, die ihr Leben selbstbestimmt führen möchte.
Jeder braucht gute Rahmenbedingungen, angefangen bei Bildung, Infrastruktur, Sicherheit und der Planungshoheit über sein eigenes Leben. Nur mit weitreichenden Freiheiten, Entbürokratisierung und Beschränkung des handlungsfähigen Staates auf seine Kernbereiche ist Innovation und Fortschritt möglich. Staatlich gelenkte Lebensläufe, Eingriffe in die Bürgerrechte und wirtschaftspolitische Einmischung werden uns in Mecklenburg-Vorpommern nicht voran bringen.
Frage: Deutschland wie M-V scheint es ja, glaubt man den offiziellen Zahlen (was eh keiner macht), sehr gut zu gehen – oder beides liegt im Dornröschenschlaf, wofür einerseits eine Frau Merkel, andererseits ein Herr Sellering verantwortlich wären. Was würde die FDP M-V besser machen, als das, was SPD und CDU in M-V derzeit bieten?
René Domke: Die Große Koalition steht für Stillstand. Das kann man in der Landespolitik wie auch in der Bundespolitik beobachten. Wichtige Dinge werden ausgesessen, die Volksparteien nähern sich in den Phasen der Großen Koalition bis zum Verschwimmen der eigenen Profile immer weiter an.
Schon heute lässt sich die CDU kaum noch von der SPD unterscheiden und umgekehrt. Wichtige Reformen werden nicht auf den Weg gebracht, obwohl in Bundestag und Bundesrat die Mehrheiten da wären.
Es fehlt das Richtungsweisende. Ein kleinerer Koalitionspartner erleidet oft in Koalitionen einen Imageverlust, weil er nicht alles durchsetzen kann, aber er bringt oftmals frischen Wind in die Debatten und treibt voran.
Die FDP Mecklenburg-Vorpommern sieht für 2016 das klare Ziel, möglichst stark in den Landtag wieder einzuziehen, die Politik des Sachwaltens von Rot-Schwarz aufzubrechen und neue Denkimpulse zu geben.
Dieses Bundesland muss aus seiner Lethargie gerissen werden. Angefangen bei der einlullenden Reformpolitik der Großen Koalition müssen die Belange der Menschen viel mehr in den Fokus rücken. Landkreisneuordnung, Gerichtsstrukturreform und vieles mehr ging an den Menschen vorbei. Kritische Stimmen wurden ausgeblendet.
Es ist Rot-Schwarz gelungen, den Bürgern die eigene Betroffenheit, das Einstehen für die eigenen Interessen wegzuverwalten, ohne dass die Bürger es vorher merken. Erst in der späteren Umsetzung, dem Rückzug aus der Fläche und der fortschreitenden Entdemokratisierung der Fläche wird dem Bürger klar, was über seinen Kopf hinweg beschlossen wurde.
Daher wurde es 25 Jahre nach der demokratischen Bildung unseres Bundeslandes Zeit, dass in einem Volksentscheid die Bürger das Sagen haben. Wir als Freie Demokraten wollen das Sprachrohr derjenigen sein, die freiheitlich demokratisch denken, die nicht in Ideologien verhaftet sind, Verbots- oder Vorschriftspolitik fordern, sondern die die Sachfragen mit Herz und Verstand anpacken wollen.
Frage: Blicken Sie auf die Landeshauptstadt M-V… Was müßte hier aus liberaler Sicht besser werden?
Sascha Priebe: Die Unterfinanzierung Schwerins als Motor der Region ist das Ergebnis gescheiterter schwarz-roter Landespolitik. Die FDP fordert daher eine deutliche Beteiligung des Landes an der finanziellen Gesundung und eine Übernahme der Altschulden.
Schwerin muss als Oberzentrum gestärkt werden. Die Schweriner Politik muss die Mauer in ihren Köpfen einreißen und sich als Teil des Wirtschaftsraums Hamburg betrachten.
Durch die Abschaffung von Doppelstrukturen, der Einführung der personalentlastender IT-Anwendungen, der Einstellung von Beschäftigten mit spezieller Qualifikation sowie der Schaffung eines unabhängigen Controlling ist eine schlanke, effiziente und bürgerfreundliche Verwaltung aufzubauen.
Frage: Und wann präsentiert die FDP ihre Kandidatin bzw. ihren Kandidaten für die OB-Wahl 2016?
Sascha Priebe: Die FDP Schwerin wird keinen Kandidaten für die OB-Wahl 2016 aufstellen.
Frage: 25 Jahre deutsche Einheit… Was lief aus Sicht der FDP M-V optimal und was war „grottenschlecht“ – außer der Tatsache, dass die FDP nicht mehr im Bundestag bzw. Landtag von M-V ist?
René Domke: An der deutschen Einheit und dem demokratischen Aufbau des Landes hatten die Freien Demokraten einen ganz entscheidenden Anteil. Allerdings konnten wir bislang die aktive politische Mitgestaltung in Mecklenburg-Vorpommern leider nicht verstetigen. Das soll sich ändern. Dafür treten wir 2016 an.
Es fehlt eine liberale Handschrift im Parlament. Die deutsche Einheit war eine große Herausforderung, die Begeisterung über die neu gewonnene Freiheit fiel danach vielen Biografie-Brüchen zum Opfer.
Heute gilt Freiheit als selbstverständlich, dabei muss sie täglich verteidigt werden, auch und vor allem gegen staatliche Bevormundung. Das Land hat sich in vielen Bereichen gut entwickelt, aber dies weniger durch politisches Zutun, sondern durch die Kraft und Anstrengung der Menschen in diesem Land.
Oft nehmen Regierungspolitiker den Erfolg für sich in Anspruch, gießen nach Gutdünken Fördermittel über das Land aus, teilweise sogar für Fehlsteuerungen sowie Fehlanreize und vergessen immer wieder, dass jeder Euro staatlicher Wohltat zunächst erwirtschaftet werden muss, und das durch Unternehmen und ihre Angestellten.
Das größte Versagen besteht wohl in der Verkennung der historischen Chancen für einen echten Strukturwandel in Mecklenburg-Vorpommern. Zwar kann man mit Slogan wie „MV tut gut“ und „Landesmarketing im Strandkorb“ die touristische Bedeutung des Bundeslands hervorheben, aber Mecklenburg-Vorpommern könnte viel mehr sein als der Altersruhesitz und eine saisonale Attraktion. Das Potenzial wollen die Freien Demokraten in diesem Land heben.
Vielen Dank und mit neuem Schwung zu neuen Erfolgen! Ohne Hoffnung gebe es in der Politik ja eh nur Langeweile…
Die Fragen stellte: Marko Michels.
Anmerk(el)ung:
In der Tat, was die beiden FDP-Protagonisten Rene Domke und Sascha Priebe, ansprechen, könnte jede/jeder sofort unterschreiben. Weniger Bürokratie, weg mit den Großen Koalitionen in Berlin und Schwerin, die nur viel heiße Luft, politische Narzissten und kleinmütige Konzepte entwickeln können, und bessere Lebenschancen für alle Bürgerinnen bzw. Bürger. Für diejenigen, die bereits hier leben, und für jene, die aus Kriegsgebieten flüchten müssen, deshalb hier zeitweise oder dauerhaft leben möchten und auch müssen…
Aber: Der „gemeine Bürger“ bleibt skeptisch – auch im Hinblick auf die FDP. Zu oft, gerade seit 1994 ff., wurde „er“ von den Freien Demokraten enttäuscht, die auf Bundesebene sehr ambitionierte Vorstellungen entwickelten, sich aber oftmals nicht durchsetzen konnten und mitunter als „CDU-Hilfstruppe“ bzw. „CDU-Machterhaltungstruppe“ erschienen.
Nach gefühlten 50 Jahren „Großer“ Koalitionen in Berlin und in Schwerin würde man sich jedoch wünschen, dass sich die FDP wirklich erneuert, nicht nur ein großes Thema setzt (Stichwort Steuersenkungen) und sich ihrer Wurzeln besinnt.
Namen, wie Paul Friedrich Scheffler, Friedrich Stratmann, Arno Esch stehen für liberalen Widerstand gegen Diktatur bzw. Totalitarismus. Ohne die Liberalen hätte es nach 1945 in Westdeutschland weder die „Westbindung“, noch die „neue Ostpolitik“ und letztendlich die politische Einheit beider Deutschländer gegeben.
In den 1960er und 1970er (bis weit in die 1980er) Jahre war die FDP zudem die „Bürgerrechtspartei“ in der Bundesrepublik – mit einer fundierten wirtschaftlichen Fachkompetenz.
Gelingt es der FDP auf Bundesebene und in M-V an diese Traditionen anzuknüpfen, dann haben die Freien Demokraten beim Wähler tatsächlich eine Chance und die Erfolge von Katja Suding in Hamburg bzw. Lencke Steiner in Bremen 2015 wären keine „politischen Eintagsfliegen“…
Spannend bleibt es „so oder so“, aber weiterhin Große Koalitionen müssen nun wirklich nicht sein. Das haben die Bürgerinnen und Bürger weder in Deutschland noch speziell in M-V verdient.
Marko Michels
Fotos:
1.Foto/Michels: Dorthin wollen die Freien Demokraten 2016 wieder – ins Schweriner Schloss, um M-V „wach zu küssen“… Dann man tau!
2.Foto (FDP M-V): Rene Domke, Landesvorsitzender der FDP M-V.
3.Foto (FDP M-V): Sascha Priebe, der Schweriner FDP-Kreisvorsitzende.
4.Foto/Michels: Spätestens am 3.Oktober sieht man sie wieder: wehende Schwarz-Rot-Gold- und M-V-Flaggen…
5.Foto/Michels: Zurück ins Schloss oder nicht?! Das ist die Frage 2016 für die FDP M-V.