Ist M-V ein Land der „Geschichtsklitterer“?!

Diskussionen um das Schweriner Lenin-Denkmal…

Ist Mecklenburg-Vorpommern ein Land der Geschichtsverklärer, bei dem man zwar den „Antifaschismus“ im Blick hat, aber die Verbrechen der Linksextremisten einst wie heute negiert bzw. relativiert?!

Am ersten Juni-Wochenende 2016 trafen sich Opfer der stalinistischen Diktatur in der sowjetischen Besatzungszone/DDR in der Landeshauptstadt M-V – Persönlichkeiten, die mutig für ihre freiheitlichen Ideale stritten, dafür inhaftiert oder sogar in russische Arbeitslager deportiert wurden.

Während anderen Gästen, nicht nur in M-V, „rote Teppiche“ ausgerollt werden, so müssen sich die Widerstandskämpfer von einst mit einer bescheideneren Willkommenskultur zufrieden geben.

Diskussionen um das Schweriner Lenin-Denkmal

Und wieder gab es – zu Recht – die Diskussionen um das ominöse Lenin-Denkmal auf dem Großen Dreesch in Schwerin, das 1985 in Schwerin „eingeweiht“ wurde.

Da sollte mittlerweile endlich Schluß mit irgendwelchen Relativierungen, Beschönigungen und irgendwelcher Geschichtsklitterei sein.

Lenin war ein Verbrecher, der schlimmste Verbrechen gegen das eigene Volk, wie auch andere Völker, zu verantworten hat. Wer hier noch lautstark einen Erhalt dieses Denkmals fordert, hat aus der Geschichte nichts gelernt.

Auch anderer Denkmäler gehören auf den Müll…

Nun mögen manche einwenden, es gibt ja noch andere Denkmäler in Schwerin und in ganz Deutschland. Ja, leider! Es blinzeln in der Tat noch viele „Persönlichkeiten“ des Monarchismus, des Nationalsozialismus, des Stalinismus und des Demokratismus zwischen Kap Arkona und Bayrischem Wald auf das Volk herab – Personen, die sich auf Kosten anderer bereicherten, andere „ausschalteten“ und schlimmste Verbrechen zu verantworten hatten bzw. haben.

„Denkmäler“ sind infantil, heuchlerisch und verlogen. Nicht umsonst heißt es in einem Song der Band „Wir sind Helden“ treffend: „… Hol den Vorschlaghammer. Sie haben uns ein Denkmal gebaut und jeder Vollidiot weiß, dass das die Liebe versaut. Ich wer die schlechtesten Sprayer dieser Stadt engagieren. Die sollen nachts noch die Trümmer mit Parolen beschmiern…“ Lieber „Denk mal (nach)“ statt „Denkmal“!

Eigentlich sollten die derzeitig regierenden Sozialdemokraten in M-V – vor dem Hintergrund ihrer eigenen Parteigeschichte nach 1945 – doch Verständnis für das Anliegen der Opfer-Verbände haben.

Vor 70 Jahren: Wie die Durchsetzung des Leninismus-Stalinismus gewaltsame Anwendung fand…

So war die Durchsetzung des (Marxismus-)Leninismus-Stalinismus innerhalb der 1946 auf Druck und Zwang der russischen Besatzungsmacht und KPD-Führung gegründeten SED mit dem Kampf gegen Oppositionelle in den „eigenen Reihen“, insbesondere gegen die früheren SPD-Mitglieder, verbunden.

So hatte Walter Ulbricht auf einer SED-Parteivorstandstagung am 29./30.Juni 1948 die Partei neuen Typus gefordert, die sich ideologisch und organisatorisch an der Vorbildrolle der KPdSU orientieren sollte. Mit dieser Forderung verband sich im September 1948 der Beschluß des SED-Parteivorstandes zur „organisatorischen Festigung der Partei und für ihre Säuberung von feindlichen und entarteten Elementen“.

Gedacht war an ein Kontrollgremium in der Größenordnung von 200000 bis 250000 Parteifunktionären. Diese sollten „generalstabsmäßig“ die Säuberung der SED von „Feinden“, insbesondere von früheren Sozialdemokraten, betreiben.

Und man hielt sich nicht lange mit Beschlüssen auf. Schnell wurde der Kampf gegen die Sozialdemokraten und den „Sozialdemokratismus“ praktisch umgesetzt.

Hatte in Mecklenburg-Vorpommern die KPD-Landesleitung unter Gustav Sobottka und Kurt Bürger nach Kriegsende in den einzelnen Orten und Landkreisen ein umfangreiches, flächendeckendes Netz von kommunistischen Spitzeln geschaffen, so bestand ab 1947 als zentrales Organ der Politischen Polizei innerhalb der Deutschen Verwaltung des Innern das „Kommissariat 5“.

Dieses wurde im Zusammenhang mit dem Befehl Nr.201 der sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) von Mitte August 1947 eingerichtet und hatte zunächst besondere Ermittlungsfunktionen bei der Entnazifizierung und der Beseitigung des „Sozialdemokratismus“. Offiziell war die Abteilung K 5 eine Abteilung der Kriminalpolizei, faktisch jedoch handelte es sich um einen Überwachungsapparat mit sorgfältig ausgewähltem, zumeist aus der KPD stammenden  Personal, das der russischen Besatzungsmacht unterstand.

Und Sozialdemokraten, die überzeugte Gegner einer Zusammenarbeit oder gar Vereinigung mit der KPD waren, gerieten schnell ins „Visier“ der kommunistischen Sicherheitsbehörden.

Prominente Opfer der mecklenburgischen Landesparteikontrollkommission zwischen 1948 und 1950 waren unter andrem die in die SED zwangseingegliederten Sozialdemokraten Albert Kruse, Bürgermeister in Schwerin, Albert Schulz, Oberbürgermeister in Rostock, Karl Moritz, Kreisvorsitzender der SPD Wismar nach 1945, Max Fank SPD-Vorsitzender in Stralsund, Bernhard Pfaffenzeller, Landrat des Landkreises Hagenow, Erich Michel, Landrat des Landkreises Grevesmühlen-Schönberg, und Aurel von Jüchen, Pfarrer an der Schweriner Schelfkirche, die 1948/49 aufgrund ihrer sozialdemokratischen Gesinnung aus der SED ausgeschlossen wurden, sowie Friedrich Schwarzer, Oberbürgermeister in Neubrandenburg, Walter Freese, SPD-Vorsitzender in Greifswald, oder Wilhelm Dühring, SPD-Vorsitzender in Neubrandenburg, die ebenfalls wegen „praktizierten Sozialdemokratismus“ 1950 aus der SED „entfernt“ wurden.

Der in Schwerin lebende Heimatschriftsteller Wilhelm Harms, der nach 1945 in die SPD eintrat, mußte „sein“ Mecklenburg ebenso verlassen wie der ebenfalls in Schwerin lebende Hermann Lüdemann, der bis November 1945, bis zu seiner Absetzung durch die russischen Miltärbehörden, als SPD-Landesgeschäftsführer amtierte.

Hermann Lüdemann hatte die erzwungene Vereinigung mit der KPD stets abgelehnt und deutlich kritisiert: „ … Ich verkaufe mich nicht ! Ich lebe lieber in einem demokratisch-kapitalistischen Staat, als ein Sklave in Russland ! In Russland ist keine Demokratie. Zu einer Demokratie gehört es, dass es mehrere Parteien gibt. Dieses System wird in Russland nur durch die GPU (geheime Staatspolizei) aufrecht erhalten. Alle sind dagegen, aber keiner traut sich, etwas zu sagen ! Dort sind alle Menschen genau so `für` das System, wie hier für die `Einheitspartei`. Die Kommunisten hier sind nur der Ausdruck des Willens der Russen und stützen sich auf ihre Bajonette. Das Volk wird terrorisiert; es wagt gar nicht die meisten Missstände zur Anzeige zu bringen …“

Anfang 1948 flüchtete der Leiter der Abteilung „Allgemeine Verwaltung“ im Ministerium für Innere Verwaltung Mecklenburgs, Franz Ballerstedt, aufgrund einer drohenden Verhaftung durch die russische Geheimpolizei – Grund: seiner Kontakte zum SPD-Ostbüro – nach Westdeutschland fliehen. Das mußte ebenfalls im Oktober 1948 Bernhardt Schwerdfeger, der Leiter der Oberpostdirektion in Schwerin, der ebenfalls für die SPD-Widerstandbewegung tätig war.

Der Sozialdemokrat Erich Radtke, Direktor des mecklenburgischen Landtagsbüros in Schwerin, wurde im März 1949 verhaftet, mußte jahrelang in russischen Lagern schlimmste Repressionen hinnehmen. Verhaftet wurde Erich Radtke wegen seine Widerstandes gegen die SED-Politik. Hagenows Landrat Bernhard Pfaffenzeller oder Hans-Joachim Roskam aus Schwerin, persönlicher Referent des Ministerpräsidenten Wilhelm Höcker bis 1949, wurde im genannten Jahr wegen seiner SPD-Ostbüro-Kontakte außerdem verhaftet und kam während seiner Inhaftierung um.

Ekkehard Schütze, Jahrgang 1908, gestorben 1981, habilitierter Mediziner am Klinikum Schwerin, wurde Anfang der 1950er Jahre als ehemaliger Schweriner Sozialdemokrat aus der SED ausgeschlossen, nachdem er die Umwandlung der SED in eine „Partei neuen Typus“ offen kritisierte. Er hatte sich nach 1945 insbesondere bei sozialen Projekten bzw. in der Sozialpolitik Mecklenburgs engagiert. Er konnte allerdings seine Tätigkeit als Arzt weiter ausüben, da Mediziner unbedingt gebraucht wurden.

Seine Maxime damals: „Das Elend um mich herum verdirbt mir die Freude am eigenen Wohlergehen und nimmt mich in die Pflicht, denen zu helfen, die sich selber nicht helfen können.“

Ein hartes Schicksal ereilte den ab Dezember 1945 als SPD-Landesgeschäftsführer fungierenden Willi Jesse, der zwischen 1946 und 1954 – u.a. im Gefangenenlager bei Irkutsk am Baikalsee – wegen seines demokratischen Aufbegehrens inhaftiert wurde, und als Zwangsarbeiter schwerste körperliche Arbeit verrichten mußte. Pfarrer Aurel von Jüchen wurde nach Workuta deportiert und mußte dort unter schlimmsten Bedingungen zwischen 1950 und 1955 Zwangsarbeit verrichten.

Auch damalige Parteimitglieder von CDU und LDP, die sich der Stalinisierung der Gesellschaft widersetzten, wurden verfolgt, inhaftiert, deportiert und sogar ermordet. Sogar einige Kommunisten, die den russischen Weg zum Sozialismus ablehnten, mußten Haftstrafen hinnehmen.

.Wie meinte nach der Wende Peter Jessel, Mitglied des Museumsbeirates Hagenow, in seinem Beitrag „Bernhard Pfaffenzeller – erster Landrat des Landkreises Hagenow 1945“:

„ … Achten wir die errungene Freiheit. Verhindern wir in der Zukunft Bürokratie, Geheimniskrämerei und Denunziantentum, hüten wir uns vor Neid und Missgunst, üben wir Toleranz und wiederholen nicht die Fehler der Vergangenheit. Zwei blutige Diktaturen in einem Jahrhundert reichen unserem deutschen Volk.“.

Aber hat man daraus heute wirklich gelernt? Zweifel sind angebracht…

Dr. Marko Michels