In der Kindertagesbetreuung ist hohe Fachlichkeit erforderlich

Zum Antrag der Linksfraktion „Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung“ führte die kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Dr. Marianne Linke, u.a. aus:

„Im Juli 2007 hat der Landtag mit den Stimmen der Koalition den Beschluss gefasst, die Landesregierung zu beauftragen, eine Reform der Erzieherinnen und Erzieherausbildung bis spätestens 2009 einzuleiten. Mit der Reform sollten die Attraktivität des Berufsbildes erhöht sowie Qualität und Praxisnähe verbessert werden. Die Reform der Struktur der Ausbildung sollte mit klarer Spezialisierung für den Elementarbereich einerseits und für Jugendpädagogik andererseits, engerer Verzahnung von theoretischer und praktischer Ausbildung ebenso einhergehen wie mit der Erhöhung des Anteils männlicher Erzieher in den Kindertageseinrichtungen. Die Landesregierung sollte diese Reform im Jahr 2009 einleiten, um so die Ergebnisse aus dem Bericht der Expertenkommission „Zukunft der Erziehung und Bildung unter Berücksichtigung des lebenslangen Lernens in Mecklenburg-Vorpommern“ umzusetzen.

Ein inhaltliches Konzept zur Reform der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung fehlt nach wie vor. Allerdings soll es ein Baustein der Bildungskonzeption für 0 bis 10-jährige Kinder sein. Die Bildungskonzeption steht im Zentrum der KiföG-Novelle, die den Landtag kürzlich erreichte. Allerdings soll das KiföG noch in diesem Herbst, die Bildungskonzeption aber erst Ende 2011 das Licht der Welt erblicken und dann eventuell Eingang in die Praxis finden. Die Ausbildungsdauer für Erzieherinnen und Erzieher soll mit dem KiföG auf vier Jahre festgeschrieben werden, ohne dass in diesem Zusammenhang jedoch eine inhaltliche Profilierung der Ausbildung – wie es die Expertenkommission empfohlen hat – an den Staatlichen Schulen vorgenommen worden wäre, denn das Konzept kommt ja erst Ende 2011.

So bleibt als zwingende Voraussetzung für künftige Erzieherinnen und Erzieherinnen die zweijährige Ausbildung als „Staatlich geprüfter Sozialassistent (Regelausbildung)“ erhalten, an die wie bisher die Ausbildung an einer Fachschule für Sozialwesen anknüpft. Die Ausbildung zum Sozialassistenten wird unter Fachleuten seit Jahren kritisch gesehen, weil sie die Absolventen nicht ausreichend befähigt, als pädagogische Fachkräfte im Prozess der frühkindlichen Bildung tätig zu sein. Diese zweigeteilte Ausbildung ist bildungspolitisch und bildungsökonomisch uneffektiv. Das Gesetz hätte Anlass zu einer grundlegenden Umgestaltung der Ausbildung hin zu einem durchgängig konzipierten Ausbildungsberuf für Erzieherinnen und Erzieher werden können

Nein, das überholte System wird beibehalten, wobei mit der vorliegenden Novelle des Kindertagesförderungsgesetzes allerdings kurzerhand Begriffe verändert wurden, die in ihrer Konsequenz das System drastisch beschädigen. Der Begriff „pädagogische Fachkraft“ wurde durch „pädagogisches Personal“ ersetzt, wozu künftig auch die Sozialassistenten zählen.

Der Personalschlüssel des noch geltenden Gesetzes – der eine Fachkraftquote darstellt – wurde nicht in der Größenordnung, aber dem Inhalt nach verändert, und das bedeutet nichts anderes als den Ausstieg aus der von allen Experten geforderten hohen Fachlichkeit in der Kindertagesbetreuung mit den dann schlechtesten Personalschlüsseln bundesweit.

Die nunmehr nach dem KiföG in vier statt fünf Jahren zu absolvierende Ausbildung basiert lediglich auf einer Kürzung, aber nicht auf einer zeitgemäß durchdachten, wissenschaftlich begründeten Konzeption.

Alle Experten der frühkindlichen Pädagogik wie der Schulpädagogik hierzulande aber auch des Auslandes sehen einen bedeutsamen Bildungserfolg bei Kindern und Jugendlichen in einer spezialisierten Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher in den unterschiedlichen Entwicklungsphasen – also als Kleinkind, Schulkind bzw. für den jungen Erwachsenen. So lautete auch die Empfehlung der Expertenkommission. Mittlerweile fragen sich Eltern, Großeltern, kurz die Steuerzahler, zu welchem Zwecke werden in diesem Land, von dieser Landesregierung regelmäßig Expertisen erarbeitet, wenn sie im Bildungsministerium weder verstanden noch umgesetzt werden.

Geradezu demotivierend für Lehrerinnen und Lehrer an den Fachschulen für Sozialpädagogik sind die zu Beginn des Jahres vom Bildungsminister vorgenommenen arbeitsvertraglichen Kürzungen für jene Lehrerinnen und Lehrer, die hier mit der Erzieherinnenausbildung befasst sind. Zur Begründung wurde den Betroffenen mitge­teilt, die rückläufige Kinderzahl mache derartiges erforderlich. Das ist insofern vollkommen abwegig und unzutreffend, als die Geburtenzahlen seit Jahren in Mecklenburg-Vorpommern stabil bei 13.000 liegen. Daneben hat Ende des vergangenen Jahres der Landtag eine Initiative meiner Fraktion aus dem Herbst aufgegriffen und die Einführung einer Bedarfsplanung für Erzieherinnen und Erzieher im Land MV be­schlossen, um einem drohenden Fachkräftemangel auf planerischem Wege entgegenzuwirken.

Der Landtag zumindest rechnet mit einem wachsenden Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern im Land und die Landesregierung kürzt die staatlichen Ausbildungskapazitäten.

Da fällt eine andere Tendenz ins Auge: Private Weiterbildungsträger bieten so genannte Nichtschülerprüfungen auf Basis von Umschulungen zum Erzieher an. In Ausnahmefällen gibt es in den meisten Bundesländern die Möglichkeit eine so genannte Externen- oder Nichtschülerprüfung abzulegen, wenn eine Ausbildung auf dem regulären Weg nicht möglich sein sollte. Nichtschüler erlangen die Berufsreife durch eine Prüfung ohne vorangegangenen Besuch einer entsprechenden Schule.

Die Prüfungsvorbereitung erfolgt autodidaktisch oder durch die Teilnahme an Veranstaltungen externer Anbieter, also durch private Weiterbildungsträger, finanziert vom Arbeitsamt oder der ARGE, auch auf der Grundlage von Bildungsgutscheinen. Das führt zwangsläufig zu einem weiteren Qualitätsverlust, denn derartige Schnellkurse konterkarieren den hohen pädagogischen Anspruch an die Ausbildung, vernichten anspruchsvolle und stark nachgefragte Ausbildungsplätze an den Staatlichen Schu­len und führen in der Praxis zur weiteren Verdrängung der pädagogischen Fachkräfte.

Gesetzlich abgesichert wird dieser weitere Qualitätsausstieg aus der frühkindlichen pädagogischen Arbeit durch die KiföG-Novelle, wonach das Landesjugendamt künftig über die Zulassung dieser Nichtfachkräfte seinen Segen geben darf. Hierbei ist immer zu bedenken, dass mit Unterstützung des Bildungsministers und der Sozialministerin diese Behörde im Zuge der Verwaltungsreform zur Scheinkommunalisierung freigegeben ist und beim KSV angesiedelt werden soll, also keinerlei fachlicher und demokratischer Kontrolle mehr unterliegen wird.

Meine Fraktion fordert angesichts dieser dramatischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern einen Bericht zur Reform der Aus­bildung im Land sowie eine Kurskorrektur hin zu den Empfehlungen der Expertenkommission. In diesem Zusammenhang kann der Minister dann auch darle­gen, was aus seinen zahlreichen Ankündigungen hin zu einer Qualitätsverbesserung und Aka­demisierung der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung im Land geworden ist.“

Claudia Schreyer