Im Blickpunkt: Die 10. Landesjugendsportspiele 2010 in Schwerin

Mit LSB-Präsident Wolfgang Remer über die Entwicklung des Sportes in MV seit 1990 im Gespräch

10. Jugendsportspiele 2010 in SchwerinAm 4. und 5.Juli fanden die 10. Jugendsportspiele Mecklenburg-Vorpommern statt. 2800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem gesamten Bundesland zeigten in 34 Wettkämpfen zahlreiche Spitzen-Leistungen und sorgten auch dafür, dass der Fun-Faktor nicht zu kurz kam. Klar war auch, dass in der Sport- und Kultur-Stadt Schwerin auch die Kunst in die Jugendsportspiele integriert werden „musste“. So fand die Eröffnung vor der beeindruckenden Kulisse des Schloss-Ensembles – Staatstheater, Staatliches Museum und Schloss – auf dem Alten Garten statt.

10. Jugendsportspiele 2010 in SchwerinDabei konnte die Bühne der Schlossfestspiele 2010 außerdem genutzt werden. Dort, wo seit 25.Juni und noch bis zum 1.August die „Macht des Schicksals“ herausgefordert wird, zelebrierten die jungen sportiven Talente die „Macht des Sportes“. Begleitet wurden sie dabei musikalisch von den Schweriner Tenören. Zwischen dem Faulen See mit seiner renommierten Regatta-Strecke für die Drachenbootsportler, dem Bertha-Klingberg-Platz am Schlossgarten, hier fand das Landesfinale der Streetball-Championships statt, den Wettkampfstätten am Lambrechtsgrund und sogar dem Einkaufs-Center WURM in der City, hier wurde Schach gespielt, ging es mit Bällen, Spikes und großer Motivation „hoch her“.

„Bleiben optimistisch und kämpferisch …“

Nachgefragt beim Präsidenten des Landessportbundes M-V, Wolfgang Remer, über die sportlichen Jubiläen 2010, die Bedeutung der Jugendsportspiele und die LSB-Anfänge

Frage: Das Jahr 2010 ist ein Jahr der vielen Jubiläen – gerade in sportlicher Hinsicht. Die Landesjugendsportspiele fanden seit 1992 nun bereits zum zehnten Mal statt. Welche Bedeutung haben für Sie die Landesjugendsportspiele? Wer hatte eigentlich einst die Idee zu diesem Event?

10. Jugendsportspiele 2010 in SchwerinWolfgang Remer: Die Idee zu den Landesjugendsportspielen hatten wir ungefähr im Jahr 1991, gemeinsam mit dem damaligen LSB- Geschäftsführer, Jürgen Flehr, und mit dem damaligen Verantwortlichen für Sport, Jürgen Vahnauer. Wir selbst haben ja noch die Spartakiaden, ob auf Kreis-, Bezirks- oder DDR-Ebene, erlebt und was den sportlichen Teil betraf, so war es ja ein gutes Anliegen. Die lästige politische Phrasologie drumherum, wie es sie zu DDR-Zeiten gab, wollten wir natürlich alle nicht. Und da haben wir gesagt, so etwas Ähnliches, was die sportlichen Seiten der Spartakiaden auszeichnete, könnten wir doch in Mecklenburg-Vorpommern versuchen. Und diesen Vorstellungen ließen wir auch Taten folgen.

10. Jugendsportspiele 2010 in SchwerinBereits ein Jahr nach der „Ideenlegung“, 1992, führten wir die ersten Jugendsportspiele in Neubrandenburg durch. Und diese Jugendsportspiele in der Vier-Tore-Stadt waren ein so großer Erfolg, dass wir folgendes Resümee daraus zogen: Das machen wir jetzt alle zwei Jahre! Klasse, dass wir 2010 nun die 10.Jugendsportspiele M-V in Schwerin veranstalten konnten. Hinzufügen möchte ich in diesem Zusammenhang jedoch, dass wir vom LSB-Präsidium im September eine Klausurtagung vorbereiten, in der wir uns nach dem 10. Jubiläum 2010 auch inhaltlich mit diesen Jugendsportspielen beschäftigen werden. Man muss so etwas weiter entwickeln, sonst bleibt man letztendlich auf einem Level stehen und das Ganze wird uninteressant. Aber noch ist es ein Erfolg, aber wir wollen uns dennoch weiter verbessern.

Frage: Sport bewegt – jedoch leider nicht alle. Einerseits begeistern sich viele Kinder aktiv für Fußball, Leichtathletik, Handball, Boxsport oder Schwimmen, dennoch gibt es aber noch viele „Couch-Potatoes“. Wie beurteilen Sie das sportliche Engagement der heutigen Youngster?

10. Jugendsportspiele 2010 in SchwerinWolfgang Remer: Nun, die von Ihnen so genannten „Couch-Potatoes“ werden wir durch diese Jugendsportspiele nicht erreichen. Da bieten wir andere Events … Nur ein Beispiel: Am 2.Juli hatten wir in Neubrandenburg den „Tag des Sportabzeichens“. Da wurden Grundschulen oder überhaupt Schulen angesprochen und die Möglichkeit gegeben, die sportlichen Herausforderungen zur Erlangung des Sportabzeichens abzulegen. Am Rande dieser sportlichen Herausforderungen zum Sportabzeichen bestanden die Möglichkeiten der Schülerinnen und Schüler, sich auch an anderen Geräten, an Klettwänden, zu betätigen. Es sollte eben auch der viel zitierte „Fun-Faktor“ nicht zu kurz kommen. In Neubrandenburg konnten wir dabei feststellen, dass wir mit unseren Angeboten auch Kinder und Jugendliche „bewegen“, die ansonsten nicht Mitglied eines Vereines sind. Zusammengefasst heißt das: Jugendsportspiele sind für Vereinsmitglieder, andere Events auch für Nicht-Vereinsmitglieder.

Wir müssen aber weiterhin alles daran setzen, dass Sport und Bewegung auch weiterhin bei den Kindern und Jugendlichen „cool“, „in“ und im Trend sind. Denn sportliche Betätigung bedeutet ja weit mehr als nur der Leistungsgedanke – Zusammensein mit Gleichinteressierten, eine gesunde Lebensweise und nicht zuletzt viel Spaß.

Frage:
Auch ein Landessport-Präsident hat sicher Favoriten unter den diversen Sportarten … Welche Wettbewerbe der Jugendsportspiele fanden Ihr besonderes Interesse?

Wolfgang Remer: Ich bin in dieser Hinsicht vielseitig interessiert. In dreißig traditionellen Sportarten und im Fun-Sport ging es zwischen dem Sportkomplex am Lambrechtsgrund und den verschiedenen Sportstätten in Lankow, Krebsförden, in der Krösnitz, in der Innenstadt oder den maritimen Wettbewerben auf dem Schweriner und Faulen See „hoch her“. Gleich nach der Eröffnung ging es für mich zum Lambrechtsgrund, um die Wettkämpfe in der Leichtathletik und im Volleyball zu verfolgen. Aber ein ganz besonders großes persönliches Interesse hatte ich an einer Sportart, die 2010 zum ersten Mal auf dem Programm der Landesjugendspiele stand: Golf. Auf der Anlage in Vorbeck schaute ich auch vorbei.

10. Jugendsportspiele 2010 in SchwerinEs ist schon eine gute Sache: 10.Jugendsportspiele und eine Sportart kann sich neu vorstellen. Vorbeck ist in dieser Hinsicht ohnehin vorbildlich. Einerseits, was die allgemeine Förderung des Golf-Sportes hierzulande betrifft, andererseits, was die Förderung des Golf-Nachwuchs betrifft. Dort hat man für Kinder aus sozial benachteiligten Familien, Möglichkeiten geschaffen, dass diese dort ebenfalls Golf spielen können. Das ist auch ein wichtiges Anliegen: Nicht nur die vermeintlichen „Reichen“ können diese trendige Sportart ausüben, sondern ebenfalls wenig gut Betuchte. Dieser soziale Aspekt war bei der Auswahl dieser neuen Sportart für uns ganz wichtig.

Frage: Die „Olympic Youth Games“ in Singapur im August sind ein weiterer sportlicher Höhepunkt für die Sportjugend der Welt. Mit Tim Pyritz ist ein junger Rostocker Wasserspringer und mit Dennis Lewke (SC Neubrandenburg) ein Kugelstoßer bereits qualifiziert. Wie ist Ihre Meinung zu den olympischen Jugendsportspielen, die in diesem Jahr zum ersten Mal stattfinden? Eigentlich ist das jährliche Sportprogramm doch schon ziemlich „überfrachtet“ …

Wolfgang Remer: Die Idee zur Austragung der „Olympischen Jugendsportspiele“ halte ich für gut. Die Frage ist nur, wie man es macht, welchen Charakter, Inhalt diese Spiele dauerhaft haben sollen. Ich denke dabei an die Auswahl der einzelnen Sportarten. Begrüßen würde ich es, Sportarten und Wettbewerbe auszuwählen, die eher zum „vorolympischen Sport“ gehören, das heißt, (noch) nicht olympisch sind.

10. Jugendsportspiele 2010 in SchwerinZur Veranschaulichung möchte ich nur das Segeln erwähnen. Hier könnte man z.B. Bootsklassen in das Programm aufnehmen, die bislang noch keine herausragende internationale Bedeutung haben. Auch der Auswahl-Modus der einzelnen Aktiven ist noch verbesserungswürdig und nicht so recht durchschaubar. Wenn man unter anderem weiß, dass die Leichtathleten einen Qualifikationswettkampf in Moskau hatten, fragt man sich schon, ist das noch verhältnismäßig, gibt es da keine anderen Auswahl-Kriterien. Aber die Grund-Idee der „Olympischen Jugendsportspiele“ halte ich für gut. Nun wird Singapur zeigen, ob diese Veranstaltung ein Erfolg wird

Frage: Ein großes Jubiläum ist in diesem Jahr ebenfalls noch auf der Sport-Agenda: der 20.Geburtstag des LSB. Was waren für Sie die angenehmen, schönen Momente in zwei Jahrzehnten LSB M-V? Wie war 1990 der Start?

10. Jugendsportspiele 2010 in SchwerinWolfgang Remer: Ich musste und muss ja gegenwärtig – und mache das auch gern – die verschiedensten Reden zu 20 Jahren Kreissportbünden, Stadtsportbünden und Landesfachverbänden halten. Und ich sage in diesen Reden auch, dass wir 1990 hierzulande wohl wussten, wie man Sport treibt, doch wie man in den neuen Sportstrukturen agiert, die die deutsche Einheit mit sich brachte, war uns damals eben noch nicht bekannt. Es war ja keine Vereinigung des deutsch-deutschen Sportes gewesen, sondern der Sport in den neuen Bundesländern hat sich dem DSB, dem Deutschen Sport-Bund, angeschlossen. Wir mussten diese Strukturen neu kennen lernen, wir mussten die Finanzierung des Sportes neu begreifen und wir mussten mit den damaligen politischen Akteuren auch umgehen können, denn das Geld bekamen wir zu einem  großen Teil vom Land. Das war nicht immer sehr einfach, aber diese zwanzig Jahre haben gezeigt, dass man – Politik und Sport – voneinander lernen kann, und inzwischen, glaube ich, ist der Sport in der Politik auch gut angesehen.

Am meisten Spaß macht es immer, wenn man in die Vereine geht, mit der Basis ins Gespräch kommt und sehen kann, wo überall Sport getrieben wird und dass der Sport eine so große Anhängerschaft hat.

Frage: Sie selbst sind der „ewige Sport-Präsident“, sind länger im Amt als der „ewige Kanzler“ oder alle Nachwende-Ministerpräsidenten in M-V. LSB-Präsident zu sein – für Sie eine Berufung? Wäre ein politisches Amt noch einmal ein interessanter „Kick“ für Ihre durch den Sport geprägte Laufbahn?

Wolfgang Remer: Mir macht es wirklich Spaß, Präsident des Landessportbundes in Mecklenburg-Vorpommern zu sein. Ich werde mich wahrscheinlich auch im nächsten Jahr wieder zur Wahl stellen. Ich bin dazu jedenfalls bereits – und, aufgrund des Alters wäre das auch das letzte Mal … Ambitionen für ein politisches Amt … Nein, da halte ich doch lieber dem Sport die Treue!

Frage: Vor 50 Jahren, bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom, gab es die ersten Olympia-Medaillen für Mecklenburger und Vorpommern nach dem zweiten Weltkrieg. Der Rostocker Ringer Lothar Metz gewann Silber, der Schweriner Speerwerfer Walter Krüger Silber und die Rostocker Schwimmerin Bärbel von Fircks Bronze. Die spätere Wahl-Rostockerin Ingrid Krämer gewann zweimal Gold im Wasserspringen, erkämpfte 1964 das erste „offizielle“ olympische Frauen-Gold für M-V. Viele erfolgreiche Olympionikinnen und Olympioniken „Made in M-V“ gab es seitdem. Wie beurteilen Sie die Zukunft des Sportlandes Mecklenburg-Vorpommern – trotz aller Wirtschafts- und Finanzkrisen?

Wolfgang Remer: An Rom 1960 muss ich „zwangsläufig“ immer denken, wenn ich Walter Krüger bei den Seniorensportspielen getroffen habe. Wir erzählten dann von den „alten Zeiten“ und denken an die damaligen großen Momente für den Sport in unserer Region gern zurück. Das ist ganz einfach so, wenn man älter wird.

Blickt man hingegen auf die Ergebnisse im olympischen Leistungssport, auch auf die Resultate der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Vereinen unseres Bundeslandes bei Olympischen Spielen, so ist ein langsamer, aber sicherer Abwärtstrend zu beobachten. Das hat allerdings nicht zuletzt damit zu tun, dass Kinder und Jugendliche heute ganz andere Möglichkeiten haben, ihre Freizeit zu gestalten und ihre Interessen zu verfolgen. Das ist dann nicht immer die „Sport-Schiene“. Wir versuchen gegen diesen Trend so gut es geht gegenzusteuern – gerade vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung. Wir müssen wirklich versuchen, jedes Talent zu finden, auch wenn es sich in den „entferntesten Dörfern“ heranwächst. Wir haben in dieser Hinsicht bereits Gespräche mit dem Kultusministerium geführt, dass wir wieder in Verbindung und Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam Sichtungen in den Schulen durchführen, denn wir selbst haben nicht genug hauptamtliche Trainer, etc., die diese Sichtungen vornehmen könnten. Wir hoffen, dass wir dadurch wieder mehr Talente finden werden.

OB Gramkow bei den SpielenJe mehr Talente man fördern kann, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine oder einer es ganz nach oben schafft. Was den Optimismus betrifft … Mir hat einmal ein politisch Verantwortlicher aus einem Ministerium 1992 gesagt: „Warum stürzt Du Dich auf den Leistungssport?! Kümmere Dich doch lieber um den Breitensport, das ist doch viel interessanter und wichtiger. Der Leistungssport hat eh keine Zukunft.“ Nun sind 20 Jahre vergangen, aber der Leistungssport existiert immer noch und ist aus der Gesellschaft gar nicht wegzudenken. Im Gegenteil. Wenn wir damals auf solche Meinungen gehört hätten, möchte ich nicht wissen, wie die Sportlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern heute aussehen würde. Wir bleiben jedenfalls optimistisch und kämpfen weiter! Das ist ganz klar …

Dann weiterhin viel Erfolg bei der sportlichen Arbeit!

Marko Michels

Fotos: Impressionen zu den Landesjugendsportspielen M-V 2010. (M. Michels)