Im Blickfeld: Der weltmeisterliche Turnsport 2011

Zwischen Montpellier und Tokio / Interview mit der Geschäftsführerin des Turnverbandes M-V

Vom 7. bis zum 16. Oktober werden die Weltmeisterschaften im Geräteturnen der sportliche Höhepunkt sein. Tokio, die japanische Hauptstadt, ist dabei Austragungsort. Erst zum zweiten Mal nach 1995 in Sabae ist damit das traditionsreiche Turner-Land Japan Gastgeber einer Turn-WM.

Seit 1903 in Antwerpen (zunächst nur für Herren) und seit 1934 auch für Frauen werden Welt-Titelkämpfe im Turnsport durchgeführt. Am erfolgreichsten war bisher die Sowjetunion/Russland mit 138 Titeln vor China mit 60, Rumänien mit 46, Tschechien/CSSR mit 39, Japan mit 33, den USA mit 31, Frankreich mit 24, der Schweiz mit 19 und Jugoslawien mit 17.
Deutsche Turnerinnen und Turner erkämpften bei Weltmeisterschaften bislang 24 Titel, davon allein 17 die DDR, 4 das seit 1990 vereinte Deutschland, 2 die Bundesrepublik und einen das Deutsche Reich.

Bei Olympischen Spielen dominierten die sowjetischen/russischen Turnerinnen und Turner mit 88 Goldmedaillen vor Japan mit 28, den USA mit 27, Rumänien mit 24, China mit 22, Deutschland sowie der Schweiz mit 16, Italien mit 14, Ungarn mit 13 und Tschechien/CSSR mit 12.

24 Weltmeistertitel und 16 Olympiasiege … Die heutige deutsche Turn-Generation kann in Tokio an eine traditionsreiche Geschichte anknüpfen.

Die Turn-WM in Tokio sind das kommende Großereignis, aber im September fanden auch die WM in der Rhythmischen Sportgymnastik in Montpellier statt. Erwartungsgemäß bestimmten die russischen Gymnastinnen das Geschehen, eroberten 7 x Gold und 6 x Silber. Die deutsche Gruppe mit Camilla Pfeffer, Cathrin Puhl, Sara Radman, Mira Bimperling, Regina Sergejewa und Nicole Müller belegte im Mehrkampf den 6. Platz und sicherte sich damit nach der Abstinenz 2004 und 2008 die direkte Qualifikation zu den Olympischen Spielen 2012 in London.

Nachgefragt bei Kati Brenner

Die Geschäftsführerin des Turnverbandes M-V über die Resultate der WM in der Sportgymnastik, die Situation der Rhythmischen Sportgymnastik in M-V 2011 und die kommende WM im Turnen in Tokio.

„Hoffe, dass unsere Turner an Rotterdam 2010 anknüpfen können …“

Frage: Frau Brenner, die WM in der Rhythmischen Sportgymnastik 2011 sind schon wieder Geschichte. Wie lautet Ihr Resümee – nicht nur aus deutscher Sicht?

Kati Brenner: Die WM als Olympia-Qualifikation hat gezeigt, wie dicht die Weltspitze zusammengerückt ist. Favoriten auf einen sicheren Olympiaplatz wie die Spanier haben es nicht geschafft. Ich freue mich außerordentlich, dass die deutsche Gruppe 2012 in London dabei sein wird.

Frage: Mit Blickrichtung Olympia 2012: Wie beurteilen Sie das internationale Kräfteverhältnis in der Rhythmischen Sportgymnastik?

Kati Brenner: Das diesjährige Aufeinandertreffen der weltbesten Gruppen macht deutlich, dass sich Nationen wie Russland, Weißrussland und Italien einen harten Kampf um die Medaillen liefern werden, aber auch die deutschen Gymnastinnen können ein wenig in diesem Spitzen-Bereich mitmischen. Ich bin gespannt auf das olympische Jahr.

Frage: Wie ist eigentlich die sportliche Situation in der Rhythmischen Sportgymnastik in M-V? Welche Erfolge sind dort zu verzeichnen?

Kati Brenner: In M-V haben wir seit den letzten vier Jahren einen großen Sprung in der Leistungsentwicklung gemacht. Im Jahr 2011 startete unsere beste Athletin Lea Godejohann mit der Gruppe bei der JEM und im Einzel gab es wieder Medaillen bei den Deutschen Meisterschaften.

Frage: Anfang Oktober beginnen die WM im Turnen in Tokio. Was erwarten Sie dort von den deutschen Turnerinnen und Turnern?

Kati Brenner: Die Erwartungshaltung an unsere Turnerinnen und Turner ist sehr hoch. Das wichtigste ist die Qualifikation der Mannschaft, weiblich und männlich, für die Olympischen Spiele. Insgeheim hoffe ich, dass die Männer an die Erfolge von Rotterdam (1 x Silber, 2 x Bronze) anknüpfen können und die Frauen sogar noch etwas zulegen.

Vielen Dank!

Die Fragen stellte Marko Michels

Anm. : Bei den Turn-EM 2011 in Berlin gab es 2 x Gold, 3 x Silber und 2 x Bronze für das deutsche Team. Elisabeth Seitz gewann Silber im Frauen-Mehrkampf, Philipp Boy sogar Gold im Herren-Mehrkampf sowie Silber am Reck. Dazu gewannen Oksana Chusowitina Silber im Sprung, Kim Bui Bronze am Stufenbarren und Marcel Nguyen Gold am Barren und Bronze am Reck. Das dürfte auch Rückenwind für Tokio bedeuten.

Die bisherigen deutschen Weltmeisterinnen und Weltmeister im Turnsport

Frauen
Sprung – 1970: Erika Zuchold (SC Leipzig), 1981: Maxi Gnauck (SC Dynamo Berlin)

Schwebebalken – 1970: Erika Zuchold (SC Leipzig), 1981: Maxi Gnauck (SC Dynamo Berlin)

Stufenbarren – 1970: Karin Janz (SC Dynamo Berlin), 1974: Annelore Zinke (SC Dynamo Berlin), 1979, 1981, 1983: Maxi Gnauck (SC Dynamo Berlin), 1985: Gabriele Fähnrich (SC Dynamo Berlin), 1987: Dörte Thümmler (SC Dynamo Berlin)

Herren
Sprung – 1981: Ralf Peter Hemmann (SC DHfK Leipzig), 1987: Sylvio Kroll (SC Cottbus), 1989: Jörg Behrendt (ASK Vorwärts Potsdam)

Barren – 1989: Sylvio Kroll (SC Cottbus)

Reck – 1934: Ernst Winter (Eintracht Frankfurt), 1974: Eberhard Gienger (TSV Künzelsau), 1991: Ralf Büchner (TK Hannover), 1995: Andreas Wecker (SC Berlin), 2007: Fabian Hambüchen (TSG Niedergirmes)

Boden – 1979: Roland Brückner (SC Dynamo Berlin)

Ringe – 1989: Andreas Aguilar (TK Hannover)

Seitpferd – 1981: Michael Nikolay (SC Dynamo Berlin), 1997: Waleri Belenki (WKTV Stuttgart)

… Exkurs – Die WM im Korfball

Im Fußball wurden die Niederländer noch nie Weltmeister, zwar standen sie einige Male dicht davor, aber nie wurde etwas draus. Und was macht man, wenn es bei einer Sportart mit dem Ball nicht so klappt? Man gründet selbst eine neue, dachte sich wohl auch Nico Broekhuysen, der maßgeblich zur Verbreitung des Korfballspieles Anfang des 20. Jahrhunderts beitrug. Seit 1903 gibt es in den Niederlanden sogar einen eigenen Korfball-Verband. Sehr populär war und ist Korfball neben den Niederlanden auch in den deutschen Grenzregionen und in Belgien.

In Deutschland zählt Korfball zu den Turnspielen, ist daher dem Deutschen Turnerbund zugehörig. Regelmäßiger Spielbetrieb in der nach wie vor eher unbekannten Sportart findet allerdings nur in den Landesturnverbänden Westfälischer Turnerbund (WTB) und Rheinischer Turnerbund (RTB) statt.

Korfball gehörte sogar (fast) schon zum olympischen Programm. Bei den Olympischen Spielen in Antwerpen 1920 und bei den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam gehörte es zu den Demonstrationssportarten.

Offizielle Weltmeisterschaften gibt es hingegen erst seit 1978 – erstes Austragungsland waren (natürlich) die Niederlande. Und Rekord-Weltmeister sind diese ebenfalls. Von acht WM-Turnieren gewannen die „Oranjes“ sieben. Lediglich Belgien durchbrach 1991 diese Phalanx. Das bundesdeutsche Team erreichte bei den ersten beiden Turnieren 1978 und 1984 jeweils Platz drei.

Zwar ist Korfball nicht olympisch, aber innerhalb der „World Games“ wird es ausgetragen. Die letzten Turniere bei den „World Games“ 2005 in Duisburg sowie 2009 in Kaohsiung hatten dabei folgende Ergebnisse: 2005 – 1.Niederlande 2.Belgien 3.Tschechien / 2009: 1. Niederlande 2. Belgien 3. Taiwan.
Die Niederlande sind eben die Weltmacht im Korfball.

Die WM-Vorrundengruppen für die WM in Shaoxing/VR China vom 27. Oktober bis 5. November 2012
– Gruppe A: Niederlande, Deutschland, Portugal, Indien
– Gruppe B: Belgien, Russland, Südafrika, Hongkong
– Gruppe C: Taiwan, England, Australien, Polen
– Gruppe D: Tschechien, Katalonien, China, Wales.

M.M.