Herausforderung Altmunition

Forscher der Universität Rostock sagen Bewegungsbeginn von Munitionsaltlasten auf dem Meeresboden voraus

Dr. Peter Menzel (l.) und Professor Mathias Paschen freuen sich über die guten Ergebnisse ihrer Forschung zu Munitionsaltlasten und die positive Resonanz darauf. (Foto: Universität Rostock / Thomas Rahr)

Eine große Herausforderung beim Ausbau der Windkraft in Nord- und Ostsee ist Altmunition: Abertausende Tonnen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sind eine Belastung für Mensch und Umwelt. Diese Kriegs-Altlasten stellen eine Gefahr beim Bau von Windparks und Offshore-Netzanschlüssen, insbesondere beim Verlegen von Kabeln, dar. Das Räumen von Munitions-Altlasten hat dabei oberste Priorität. Die Universität Rostock hat mit Unterstützung von TenneT, einem der führenden europäischen Übertragungsnetzbetreiber, ein Modell entwickelt, das zuverlässig bestimmt, wann und unter welchen Umständen  sich Munition auf dem Meeresboden zu bewegen beginnt.

„Wir haben lange akademische Vorarbeit geleistet, also Modellversuche gefahren“, sagt Professor Mathias Paschen, Leiter des Lehrstuhls Meerestechnik an der Universität Rostock.  Im Wind- und Wasserkanal der Fakultät für Maschinenbau-und Schiffstechnik testeten die Rostocker Forscher zunächst mit Bombenmodellen, unter welchen Bedingungen diese sich zu bewegen beginnen.

„Oberstes Ziel ist es, Leben und die Umwelt in Nord- und Ostsee zu schützen“, sagt Professor Paschen. Er hat seinen Lehrstuhl, den er 26 Jahre leitet, als zuverlässigen wissenschaftlichen Berater für die Industrie etabliert. Die Rostocker haben nun in Kooperation mit TenneT, dem Übertragungsnetzbetreiber, der für die Anbindung der Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee an das Festland verantwortlich ist, die Versuchseinrichtungen des privaten Forschungsinstituts HR Wallingford (England) mit seinen exzellenten Möglichkeiten genutzt und ihre Forschung weiter vertieft.

Der Rostocker Maschinenbau-Student Clemens Schütt hat bei HR Wallingford für seine Masterarbeit  geforscht und bemerkenswerte Ergebnisse erzielt. Um den Zusammenhang zwischen der Strömungsgeschwindigkeit und dem Bewegungsbeginn versandeter Munitionsaltlasten zu definieren, hat Clemens Schütt Experimente an unterschiedlichen Modellen in realitätsnahem Maßstab durchgeführt. Bereits im Vorfeld der Untersuchungen wurde  aus numerischen Simulationen und Windkanalversuchen ein Bewegungsmodell zur Prognostizierung der kritischen Strömungsgeschwindigkeit erstellt.

„Trotz abweichender Versandungsstrukturen konnte die Beziehung zwischen der kritischen Anströmgeschwindigkeit und den Sediment- und Strömungsparametern nachgewiesen werden“, ist Clemens Schütt stolz.

Dr. Peter Menzel vom Rostocker Lehrstuhl Meerestechnik ergänzt: „Wir haben das Modell einer Bombe im Maßstab 1:1 aus dem zweiten Weltkrieg sowie eines Zylinders als akademisches Modell für eine Vielzahl von realen Objekten zur Verfügung gestellt“. Die Fähigkeit des Fast Flow Facility, also einer Versuchseinrichtung zum Erreichen hoher Strömungsgeschwindigkeiten, ermögliche eine kontrollierte Umgebung, um den Einfluss von Strömungen auf Munitionsaltlasten im Originalmaßstab zu untersuchen.

Aber auch die Prozesse des Kolkens, also das Auswaschen des Bodens durch Wasserströmungen, habe die Universität wissenschaftlich untersucht. „Das gibt uns großes Vertrauen in die Ergebnisse. Wir untersuchen, wie tief sich Munitionsaltlasten im Laufe der Zeit vergraben können, und bestimmen die notwendige Mobilisierungsgeschwindigkeit, d.h. wie sich die aktuelle Geschwindigkeit auf die Bewegung dieser Objekte, und wie sich die Strömungsgeschwindigkeit auf die Kolkbildung um einen solchen Körper herum auswirken“, sagt Menzel.

Professor Richard Whitehouse, Chief Technical Director des Bereichs Sediment Dynamics bei HR Wallingford, zeigt sich angetan von der Zusammenarbeit mit der Universität Rostock: „Bei diesen Experimenten nutzen wir unsere Expertise in der Analyse und Modellierung von Kolkprozessen im Meer.

Unsere Versuchseinrichtung stellt eine kontrollierte Umgebung zur Verfügung, in der die Auswirkungen von Strömungen auf Altmunition in Originalgröße bewertet werden können, um der Universität Rostock validierte Daten über eine Reihe von Strömungsverhältnissen, Versandungstiefen und -strukturen sowie Mobilisierungsgeschwindigkeiten zur Verfügung zu stellen.

„Die Kenntnis und Quantifizierung der Umstände, unter denen sich Altmunition bewegt, ermöglicht es uns, geeignete Kampfmittelmaßnahmen für unsere Projekte und Instandhaltungsmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energie zu bestimmen“, betont Dr. Anja Drews von TenneT. „Indem wir diese Forschung finanzieren, tragen wir dazu bei, dass das Wissen in der Industrie über die Bewegung von Munitionsaltlasten so genau wie möglich ist. So können die Sicherheit erhöht und das Risiko für Menschen, Umwelt und Ausrüstung quantifiziert und dadurch minimiert werden.“

Pressemitteilung / Universität Rostock, Wolfgang Thiel