Forscher der Uni Rostock beleuchten Rostock als Transit-Zone

Graduiertenkolleg beschäftigt sich auch mit Schicksal von Flüchtlingen


Die Begegnung von Kulturen hat eine lange Geschichte und auch in unserer Gegenwart erleben wir vielfältige Kulturkontakte: Unser Zusammenleben mit Immigranten in Deutschland, Urlaubsreisen und internationale Handelsbeziehungen, aber auch ein Besuch auf dem Rostocker Mittelaltermarkt gehört dazu, wenn wir ihn als Begegnung zwischen Vergangenheit und Moderne begreifen. An der Universität Rostock beschäftigt sich das Graduiertenkolleg „Kulturkontakt und Wissenschaftsdiskurs“ mit dieser Thematik. In dieser Woche findet die Abschlussveranstaltung statt.

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„Kulturkontakte gibt es nicht einfach, sondern ihr Verlauf und die Erinnerung an sie ist von Deutungsmustern, Voreinstellungen, Interessen und Machtverhältnissen geprägt“, sagt Stephanie Wodianka, Professorin für Französische und Italienische Literaturwissenschaft und Sprecherin des fächerübergreifenden Graduiertenkollegs „Kulturkontakt und Wissenschaftsdiskurs“ der Universität Rostock. Am 18. Und 19. Dezember findet im Rostocker Internationalen Begegnungszentrum die Abschlussveranstaltung statt, mit der auf die Arbeit des seit 2007 bestehenden Graduiertenkollegs zurückgeblickt wird – bis Ende 2016 werden die meisten Doktorarbeiten der Kollegsmitglieder abgeschlossen sein.
Das zweitägige Symposium steht unter dem Titel „Transit“ – warum?

„Rostock war als Hansestadt schon immer eine Stadt des Durchgangs für Handelsreisende, zurzeit ist Rostock aber auch Transit-Zone für Flüchtlinge, die weiterreisen nach Schweden. Im aktuellen Tagesgeschehen zeigt sich, dass die Rede von Flüchtlingen die Wahrnehmung von Kulturkontakt beeinflusst und prägt“, sagt Prof. Wodianka. Die „Flüchtlingswelle“ oder „Flut von Emigranten“ lässt manchmal das individuelle Schicksal von Flüchtlingen vergessen und rückt stattdessen Gefühle bedrohlicher Überschwemmung auf.

Seit 2007 haben 36 Doktorandinnen und Doktoranden sowie acht Post-Doktoranden an Beispielen zum Thema „Kulturkontakt und Wissenschaftsdiskurs“ geforscht, gemeinsam mit 20 Professorinnen und Professoren der Universität Rostock und der Hochschule für Musik und Theater, aber auch im Gespräch mit internationalen Wissenschaftlern, die zu Forschungsaufenthalten und Vorträgen eingeladen wurden. „Kulturkontakte sind ein Teil unserer Wirklichkeit, und die kann man in ihrer Komplexität besser erfassen, wenn Geschichts- und Literaturwissenschaft, Ethnologie, Politikwissenschaft, Medizingeschichte und Religionswissenschaften zusammenarbeiten“, so die Erfahrung der Rostocker Forscherinnen und Forscher. Geschichtliche, ökologische und politische Kontexte von Eroberungen, Kriegen oder Diplomatenreisen sind für Kulturkontakte und ihre Deutung oft genauso einflussreich wie literarische Erzählungen vom „bösen Wilden“, religiöse Überzeugungen, die Flucht vor Seuchen oder die Suche nach Heilung.

Seit 2007 untersucht das Graduiertenkolleg, wie Kulturkontakte beschrieben, wahrgenommen und im Vor- oder Nachhinein gedeutet werden. „Unser Untersuchungsgegenstand ist aktueller denn je“, betont Prof. Stephanie Wodianka, „wenn es unser Kolleg nicht schon gäbe, müsste man es jetzt gründen.“ Das Abschlusskolloquium, zu dem neben den aktuellen Mitgliedern des Kollegs auch viele Ehemalige und auswärtige Gäste anreisen, will mit seinen Vorträgen deshalb nicht nur zurück, sondern auch nach vorne schauen.

Text: Wolfgang Thiel / Pressemitteilung / Universität Rostock

Foto: Professorin Stefanie Wodianka ist Sprecherin des fächerübergreifenden Graduiertenkollegs. (Foto: privat)