Erfolgreich und hanseatisch – Der Turnsport in Wismar

Zwischen Stufenbarren und Schwebebalken

Im Interview mit Wiebke Sprick, Turnerin der TSG Wismar

Die Jahre 2009 und 2010 sind die Jahre der großen Jubiläen – gesellschaftliche, politische, allgemein historische Ereignisse werden entsprechend gewürdigt.

Auch der Sport, speziell in Wismar, steht dem nicht nach.

2010 gibt es den 15.Geburtstag des Stadtsportbundes Wismar. Vor dann 20 Jahren, am 22.Juni 1990, wurde der Kreissportverband gegründet.
Aber bereits in diesem Jahr lohnt sich ein sportiver Rückblick aus Wismarer Sicht, kurz vor der Wismarer Sportlerehrung am 13.März 2009 im Bürgerschaftssaal des Rathauses.

Im Dezember 1989 gab es die letzte große Sportlerehrung in Wismar – noch unter „DDR-Vorzeichen“. Die Boxsportler konnten zu Recht auf ihre Jahresbilanz 1989 stolz sein – im Gegensatz zur politischen und wirtschaftlichen Bilanz der damaligen Stadtobrigkeit …
So fanden sich zum Jahresende 1989 Boxsportler, Kampfrichter und Funktionäre zur traditionellen Auswertung des vergangenen Wettkampf-Jahres im Philipp-Müller-Heim ein.

Neben 17 Bezirksmeistertiteln, erkämpft durch Sportler aller Altersklassen, standen weiterhin mehrere Turnier-Erfolge in den Altersklassen 12 und 13 zu Buche. Durch den Gewinn von drei Goldmedaillen bei der Kinder- und Jugendspartakiade der DDR in Berlin konnte unter 130 Trainingszentren der DDR Platz drei erkämpft werden. Durch die Faustkämpfer Rüther und Lindner wurde der DDR-Mannschaftspokalsieg der Bezirksauswahl Rostock mit errungen. Nachdem die Senioren-Boxer mit drei Bezirkstiteln den BFA-Mannschaftspokal endgültig nach Wismar holten, war Torsten Wegner Teilnehmer der DDR-Meisterschaft und unterlag dem späteren Vize-Meister der DDR.

Durch die Wismarer Box-Leitung unter Trainer Friedrich von Thien konnten achtzehn Sportler besonders ausgezeichnet werden. Durch den Patenbetrieb der Dynamo-Boxer, dem VEB Flottenservice Wismar, wurden damals vier Aktive des Trainingszentrums in Anerkennung hervorragender nachwuchsleistungssportlicher Ergebnisse besonders geehrt.

War die Ehrung für die Wismarer Faustkämpfer die letzte große Sportlerehrung zu DDR-Zeiten, so dauerte es noch „ein wenig“ bis die erste offizielle Sportlerehrung in Wismar nach der Wende durchgeführt wurde. Ende Oktober 1994 in der Sporthalle an der Bürgermeister-Haupt-Strasse wurden die sportlich Besten in der Hansestadt ausgezeichnet.

Am 21.Oktober 1994 hieß dann der Veranstaltungsort „Foyer der Sporthalle“. Nach Ansicht vom damaligen Vorsitzenden des Kreissportverbandes, Wolfgang Tepasse, war es für den KSV eine gute Sache gewesen, den Sportlern auf diese Weise zu danken – für  viel sportlichen Ehrgeiz, Entbehrung und letztendlich viele Erfolge.

Rund 100 Sportler und Trainer wurden für erste bis dritte Plätze bei den Landesjugendspielen, Landesmeisterschaften, Norddeutschen und Deutschen Meisterschaften geehrt. Es waren Athletinnen und Athleten der Sportarten Leichtathletik, Schwimmen, Schach, Akrobatik, Boxen, Rettungsschwimmen, Kegeln, Volleyball, Bogenschießen, Kanu, Segeln und Reiten zugegen. Künftig strebte der KSV, ab Januar 1995 Stadtsportbund, eine Sportlergala mit Prominenz aus Wirtschaft, Politik, Sport und Medien an. Bürgermeisterin Dr.Rosemarie Wilcken bezeichnete die Ehrung 1994 als eine gute Idee am Ende der Saison. Sie sicherte am Rande der Sportlerehrung`94 nicht nur die weitere kostenlose Nutzung der Sportstätten zu, sondern auch eine größere finanzielle Unterstützung der Stadt.

Während sich Boxer, Leichtathleten oder Rettungsschwimmer über Urkunden und Präsente bei der Ehrung 1994 freuen durften, mußten fast zeitgleich, am 22.Oktober 1994, die Turnerinnen der TSG Wismar zu ihren Landesmeisterschaften ran. Ein großer Höhepunkt für die Turnerinnen der TSG Wismar wurden die Landesmeisterschaften anno 1994. Mit den Riegen von Fiko Rostock, dem VfL Schwerin, Einheit Schwerin, TSG Gadebusch, TV Demmin, SV Ribnitz wetteiferten die Hansestädterinnen um Edelmetall und gute Plätze. Nicht nur nach Meinung der damaligen Trainerin Birgit Thiede hatten die 9- bis 10jährigen Mädchen einen hervorragenden Wettkampf gezeigt.

Zudem turnten die 11 bis 12jährigen Turnerinnen an allen Geräten sehr gut und stabil. Beide Teams wurden überraschend Landessieger von Mecklenburg-Vorpommern im Wettkampf II. Niemand aus der Wismarer Delegation hatte zuvor mit zwei Siegen bei diesen Landesmeisterschaften gerechnet.

Den Erfolg in der Jugend E (AK 9/10) erkämpften anno 1994 Paula Müller, Katharina Lüth, Franziska Jeschke, Anne-Kathleen Wendt und Susanne Möller. In der Einzelwertung belegte Susanne Möller Platz zwei. Den Sieg der Jugend D (11/12) erkämpften mit sicheren Übungen Brit Bauermeister, Andrea Jörss, Juliane Träder, Carina Eckert und Bianca Röchert. Auch die Einzelwertung entschieden die TSG-Turnerinnen zu ihren Gunsten. Carina Eckert wurde Landessiegerin mit 21,75 Punkten vor Juliane Träder, Andrea Jörss und Bianca Röchert. Die überraschend herausragenden sportlichen Leistungen der Wismarer Turnerinnen gingen 1994 jedoch nicht unter. Für sie gab es eine separate Ehrung durch den Kreissportverband.
Allerdings war dem KSV-Nachfolger, dem Stadtsportbund, diese Erfahrung wahrlich eine „Lehre“.

Die zentrale Sportlerehrung wurde von nun an im Folgejahr, zumeist im März, entweder im Bürgerschaftssaal des Rathauses bzw. im Zeughaus Wismar veranstaltet.

„Turne seit dem fünften Lebensjahr … !“

Während viele Wismarer Sportlerinnen und Sportler der Ehrung am 13.März entgegen fiebern, bereitet sich die zwölfjährige Wiebke Sprick auf den Bernstein-Pokal am 7.März in Ribnitz vor. „Ich turne seit dem fünften Lebensjahr. Dabei bin ich eher durch Zufall zum Turnsport gekommen. Ich schaute einmal beim Training vorbei, probierte mit und hatte viel Spass dabei. Ich mochte den Turnsport und blieb seitdem bei meiner Sportart.“, berichtet die junge Wismarerin über ihre turnsportlichen Sympathien.

Zweimal wöchentlich, vor Wettkämpfen auch dreimal, trainiert sie bis zu zwei Stunden im Turnraum der Sporthalle an der Bürgermeister-Haupt-Strasse. Ihre Trainerin ist vorwiegend Anke Scharf.

Große Erfolge konnte die ambitionierte Turnerin schon feiern. So wurde sie 2006 mit der TSG-Turn-Riege Landesmeisterin mit der Mannschaft und Fünfte im Einzel. Auch an nationalen Wettkämpfen nimmt sie regelmäßig mit ihren Turn-Kameradinnen teil, so z.B. beim „Sieben-Dörfer-Pokal“ in Berlin, beim Bernstein-Pokal in Ribnitz, beim Küsten-Pokal in Proseken, beim Ostseepokal in der Heimatstadt oder beim Asterix-Cup in Selmsdorf. Dort wurde sie zuletzt Zweite im Mehrkampf – eine gute Selbstbestätigung für die Schülerin der Großen Stadtschule in Wismar.
In Sport hat sie natürlich eine Eins.

Und auch andere Sportarten mag Wiebke: „Ich schwimme sehr gern, spiele Tennis und treibe sehr viel Sport !“, so die aktive Athletin. Überhaupt scheinen die sportlichen Gene in der Familie zu liegen … „Meine größere Schwester spielt ebenfalls Tennis, ist begeisterte Reitsportlerin. Meine beiden jüngeren Brüder sind auch sehr sportlich: Auch sie mögen Tennis und spielen außerdem Fußball.“, erzählt die talentierte Turnerin.

Für sie ist der Turnsport zur Zeit ein guter Ausgleich zur Schule, auch wenn sie von internationalen Einsätzen träumt: „Welche Turnerin möchte das nicht !“.

Doch gibt es Vorbilder, schaut sich Wiebke auch Turn-Wettkämpfe im Fernsehen an ? – „Na klar, verfolge ich das Turngeschehen auch im Fernsehen. Besonders die olympischen Wettkämpfe in Peking interessierten mich ganz besonders. Insbesondere Fabian Hambüchen drückte ich die Daumen. Ansonsten habe ich keine speziellen Vorbilder. Zwar sind die Leistungen der jungen chinesischen Athletinnen schon imponierend, doch wenn man von deren Trainingsdrill hört … Na ja, Turnen soll vor allem auch Spass machen !“, stellt Wiebke klar.

Ihre Lieblingsdisziplin ist übrigens der Sprung, den Stufenbarren mag sie weniger. Aber egal: „Wenn man vorn sein will, muß man bei allen Geräten gute Leistungen zeigen !“, so die ehrgeizige Sportlerin.

Zur Zeit betreuen 12 Trainerinnen die rund 50 jungen Talente zwischen 5 und 16 Jahren innerhalb der Turn-Abteilung der TSG Wismar ein- bis zweimal wöchentlich im Ehrenamt.

Marion Uhlig, als Jahrgang 1963 schon etwas reifer, wurde im letzten Jahr Mehrkampf-Landesmeisterin (B 45) und bewies damit: Man muß nicht 12 Jahre alt sein, um Spass am Turnsport zu haben !

Der Turnsport hat in der Hansestadt jedenfalls eine gute Heimat …

M.Michels