Das ehemalige Haus der Freundschaft in der Doberaner Straße 21 wurde an den Rostocker Verein ‚Peter-Weiss-Haus‘ verkauft. Als städtebaulich und kulturhistorisch wertvolles Baudenkmal in der KTV kommt das Gebäude in eine gemeinnützige Trägerschaft. Es wird in Zukunft als Bildungs- und Kulturhaus ‚Peter-Weiss-Haus‘ unterhalten und vollständig instandgesetzt.
1864 als Ausflugslokal der Steinbeckschen Brauerei eröffnet, konnte das Gebäude schon Anfang des 20. Jahrhunderts auf eine kulturvolle Geschichte unter dem Wirken der Rostocker Brauer ‚Mahn & Ohlerich‘ (heute ‚Hanseatische Brauerei Rostock‘) zurückblicken. Mit den Erweiterungen der Anlage waren in den 1890er Jahren der Doberaner Baurat Gotthilf Ludwig Möckel (auch Ständehaus in Rostock) und den 1930er Jahren der Rostocker Architekt Walter Butzek befasst. Als Gesellschaftsbau, der seit über 140 Jahren in entsprechenden Funktionen 17 genutzt wird, ist das HdF für ein Bildungs- und Kulturhaus hervorragend geeignet. Der historische Möckelsaal und der große Studiosaal werden für die Rostockerinnen und Rostocker wieder zugänglich. Die Dachträgerschaft Peter-Weiss-Haus e.V. setzt Erwerb, Instandsetzung und Bewirtschaftung um. Das Peter-Weiss-Haus wird in den sich begünstigenden Säulen Vermietung und Kooperation, Beherbergung und Bewirtung unterhalten. Ziel ist ein Vollkonzept aus Arbeit, Bildung und Freizeit. Neben Eigennutzungen des Dachvereins wird teilvermietet, vorrangig an gemeinnützige NutzerInnen im Interesse eines schlüssigen Konzeptes als Bildungs und Kulturhaus.
Zuletzt wurde das HdF durch den Behinderten Alternative Freizeit e.V. (u.a. Circus Fantasia) umfangreich belegt und durch die Hanseatische Brauerei Rostock sorgfältig in Stand gehalten. Die schrittweise Sanierung beginnt noch im laufenden Jahr. Neue Nutzer werden neben dem Trägerverein zunächst Soziale Bildung e.V. sowie die Kooperationspartner der Vereine sein. Trotz der eingeschränkten Nutzbarkeit vor und während der Sanierung sind die Nachfragen zur Nutzung und Dauermiete sehr hoch. Vorteilhaft für vor allem interessierte Akteure aus den Bereichen Bildung und Kultur ist das Vorhandensein attraktiver Veranstaltungs- und Seminarräume unmittelbar im Gebäude.
Marit Baarck, Vorsitzende von ‚Soziale Bildung‘ erläutert: „Im HdF, nun ja bald Peter-Weiss-Haus, ergänzen sich die Arbeitsbereiche und Angebote der Nutzer zu einem schlüssigen Programm aus Bildung, Unterhaltung, Freizeit. Die Angebote des Hauses sind eine logische Fortführung und Konsolidierung der Arbeits- und Angebotsbereiche sorgfältig ausgewählter Partnerinnen, die etwas bewegen wollen und können. Das Gebäude ist hervorragend gelegen und mit seinem vielseitigen, dabei überschaubaren Flächenangebot als Publikumsforum in der Innenstadt wirklich sehr gut geeignet. So ein Umfeld war für SoBi immer Ziel. Wir freuen uns, diese Plattform als Mitbegründerin und Nutzer eben mitaufbauen zu können. Da wir gleich zu Beginn mit in das Haus gehen, entscheiden wir über Umbauten und inhaltliche Ausrichtung mit. Als Bildungsträger benötigen wir Seminarräume und haben auch Bedarf an der Unterbringung von Teilnehmern. Mit dem zeitnahen Abschluss der Nutzungsanpassungen im Haus haben wir eine vielversprechende Basis für zeitgemäße und beteiligigungsorientierte Antworten in den zentralen Bereichen der Bildungs-, Jugend- und Kulturarbeit in unserer Stadt und Umgebung. Wir brauchen einfach eine vernünftige Basis, die unsere Zielgruppen mitgestalten können. Mit der neuen Perspektive für das HdF ergeben sich zusätzlich Schnittmengen für die gemeinsame Projektarbeit mit allen NutzerInnen im Haus und darüber hinaus.“
„Die Hanseatische Brauerei und die Radeberger Gruppe waren von Anfang an konstruktive Partner. Das Brauen ist ja nicht zuletzt eine Kulturtechnik, die hier in Rostock auf eine lange Tradition zurückblickt. Die Brauerei bringt ein ganzheitliches Verständnis von Kultur einerseits mit, andererseits klare Vorstellungen über Ziele und Möglichkeiten auf beiden Seiten. Das Interesse des Kultur- und Denkmalamtes lag nahe. Das HdF wird wieder auf die Beine gebracht, vielleicht folgt der ‚Anker‘ ja auch bald. Die Stadt braucht im Zusammenhang solcher städtebaulichen Brachen ein Kulturmanagement, das Menschen und Ideen gewinnt – und in der Stadt hält“, so Frank Aßmann, geschäftsführender Vorstand des Peter-Weiss-Haus.
Weiter bekräftigt er: „Mit dem Konzept haben wir konsequent auf die Vernetzung der Hansestadt und hier arbeitender Träger nach außen gesetzt. Dass wir durch den Austausch mit der Peter-Weiss-Gesellschaft, diesem ehrenwerten internationalen Forum hier in Rostock einen kleinen Hafen anbieten können, kann für die Kulturstadt nur gut sein. Peter Weiss traf und trifft die Hansesadt in mehrfacher Hinsicht. Er war ja Schwede, wenngleich er als Vorkriegsdeutscher in beiden Nachkriegsrepubliken intellektuell zu Hause war. Ein kritischer Brückengänger zwischen Ost und West, der Ideen und Deutung von der anderen Seite der Ostsee in den dickköpfigen Kontinent brachte und neue Einsichten mit zurück nahm. Dass gerade das Rostocker Theater vor knappen 40 Jahren zu internationaler Anerkennung gelangte, lag neben dem Feingefühl und der Durchsetzungskraft des Hanns Anselm Perten ganz klar an den Stücken, die Weiss nach Rostock brachte. Darunter eine der besten Aufführungen des ‚Marat/Sade‘ – eine aktuelle Adaptation läuft zur Zeit in Hamburg, nicht in Rostock.“
Zum Namen des Hauses – in Würdigung des 1982 verstorbenen Schriftstellers, Dramatikers, Malers und Filmautoren Peter Ulrich Weiss – stellt Stefan Nadolny, pädagogischer Leiter von Soziale Bildung e.V., fest: „Als Bildungseinrichtung kamen wir unter anderem über die Ausstellung zur Widerstandsgruppe ‚Die Rote Kapelle‘ mit Weiss in Berührung. SoBi hatte vor einigen Jahren ein jugendgerechtes Begleitkonzept zur Ausstellung der Berliner ‚Gedenkstätte Deutscher Widerstand‘ (GDW) beigesteuert, die auch im Rostocker Rathaus gastierte. ‚Die Ästhetik des Widerstands‘ als Hauptwerk von Peter Weiss bleibt eine der bedeutsamsten deutschen Schriften des 20. Jahrhunderts, sie ist auch heute ein Schlüssel zum Verständnis und Gestalten von beteiligungsorientierter Gesellschaft. Als Bildungs- und Kulturverein finden wir uns da sehr gut zurecht, andererseits sind wir in der Lage, solide inhaltliche Arbeit beizusteuern. Nicht zu vergessen ist, dass Peter Weiss hier in Rostock am Volkstheater deutliche Spuren setzen konnte – was damals für jemanden, der den so genannten real existierenden Sozialismus in der DDR deutlich kritisierte, gar nicht so einfach war. Menschen zu ihrer eigenen Stimme zu ermutigen ist ein Grundanliegen von SoBi.“
Die Projektentwicklung über das vergangene Jahr hinweg wurde mit handfester Unterstützung aus dem ehrenamtlichen Umfeld von Soziale Bildung e.V. wesentlich befördert.
Stefan Nadolny fügt hinzu: „Das authentische Interesse an einem tatsächlich offenen Haus, das im Sinn und Zweck des Gemeinwesens zur Beteiligung, zur Teilnahme einlädt, hat breite Kräfte aktiviert. Eine nachwachsende und kreative Zivilgesellschaft erneuert sich laufend, sie muss jedoch darauf beruhen, dass jungen Menschen Handlungs- und Beteiligungsräume nicht vorenthalten oder verwehrt werden. In diesem Sinne werden wir mit den Unterstützern weiter versuchen eng zusammen zu arbeiten. SoBi arbeitet seit vielen Jahren mit dem hohen Anspruch, unterschiedlichen Menschen Handlungsräume zugänglich zu machen. Zum Beispiel mit dem JAZ in Rostock, dem Kulturkosmos Müritz, dem IKUWO in Greifswald, die auch das Peter-Weiss-Haus mit Rat und Tat begleiten.“
Bianka Buß, Finanzvorstand im Peter-Weiss-Haus e.V. erläutert weiter: „Mit der GLS Gemeinschaftsbank haben wir die beste Partnerin in diesem Bereich gewonnen. Die GLS legt seit über 30 Jahren erfolgreich ihr Hauptengagement in eben solche Projekte. Vorhaben, bei denen ideelles, aber auch betriebliches Konzept zusammenpassen. Wir haben uns Zeit genommen, die Rahmenlage vernünftig auszuloten, und das Verhandlungsfeld auf wenige aber fähige Partner eingegrenzt. Die gute Vernetzung des SoBi e.V. in Rostock, der Region und über
diese hinaus hat uns effektiv vorangebracht. Wichtige Rahmenexpertisen aus Kultur und Wirtschaft in Rostock ließen sich ohne Federlesen zum Engagement bewegen. Trockenes Rechnen ist besonders im Bereich Bildung und Kultur nicht nur notwendig – es ist Voraussetzung für kreative Freiräume. Das haben wir gemacht, wir machen das auch weiter, unaufgeregt und auf kontinuierlichem Weg.“