Die olympischen Judo-Wettkämpfe 2016 im Rückspiegel

Die Schweriner Judo-Enthusiastin Susi Zimmermann über den Judosport in Rio

Der Countdown zum Finale der 31.Olympischen Spiele der Neuzeit in Rio de Janeiro läuft. Nur noch knapp 36 Stunden dann sind die Spiele 2016 Historie.

Längst sportliche Geschichte sind die 14 judosportlichen Entscheidungen 2016. Für das deutsche Judo-Team 2016 gab es nur eine Medaille – Bronze durch Laura Vargas Koch im Mittelgewicht.

MV-Schlagzeilen befragte  zum „Tatami-Geschehen“ Susi Zimmermann, die versierte Judo-Expertin, ob als frühere Aktive oder jetzige Trainerin, vor den Spielen in Rio und auch nun – danach…

Susi Zimmermann über die olympischen Judo-Wettbewerbe 2016

„Ich bin kein Fan vom Schwarzmalerei…“

Frage: Susi, die olympischen Entscheidungen in Rio sind „abgehakt“. Wie lautet Dein Resümee zum olympischen Judo-Turnier in Rio – aus internationalem Blickwinkel?

Susi Zimmermann: Im Judo gewannen Sportler und Sportlerinnen aus 24 unterschiedlichen Nationen eine der 56 möglichen Medaillen. Erwartungsgemäß führt Japan -als Mutterland des Judosports- des Medaillenspiegel mit 3x Gold, 1x Silber und 8x Bronze an. Es folgen Frankreich und Russland.

Überraschend waren für mich die Italiener, die mit einer einer Gold- und einer Silbermedaille den vierten Platz in der Gesamtwertung erreichten. Ansonsten wurden die Stars wie Teddy Riner (Frankreich) und Majlinda Kelmendi (Kosovo) ihrer Favoritenrolle gerecht.

Ein besonderer emotionaler Höhepunkt war der Olympiasieg der aus der Favela stammenden Rafaela Silva, die damit gleichzeitig auch die erste Medaille für das Gastgeberland gewinnen konnte.

Frage: Das Abschneiden der deutschen Judoka wird medial und „funktionärstechnisch“ als „große Enttäuschung“ bezeichnet… Wie beurteilst Du die deutsche Bilanz in Rio?

Susi Zimmermann: Ich bin kein Fan von „Schwarzmalerei“. Hätten Luise Mahlzahn und Karl Richard Frey anstatt Platz fünf die erwartete Medaille gewonnen, wäre es ein versöhnliches Ergebnis geworden.

Im Judo liegen jedoch Sieg und Niederlage so eng beieinander wie in kaum einer anderen Sportart. Dazu kommt ein knallhartes Wettkampfsystem, dass besagt, dass man mindestens zwei Kämpfe in der Gruppenphase gewinnen muss, um nicht nicht direkt auszuscheiden.

Das heißt, wenn man im ersten oder zweiten Kampf gegen den späteren Olympiasieger verliert, bekommt man keine zweite Chance. So geschehen bei Sebastian Seidel in der Gewichtsklasse bis 66 Kilogramm… Er verlor seinen Auftaktkampf gegen den späteren Olympiasieger aus Italien Fabio Basile. Damit war sein Wettkampf beendet.

Das Pech bei der Auslosung traf auch Marc Odenthal in der Gewichtsklasse bis 90 Kilogramm. Er verlor seinen ersten Kampf gegen den Golmedaillen-Gewinner Mashu Baker aus Japan. Ich empfinde dieses System als sehr ungerecht.

Letzte Frage: Wer beeindruckte Dich bei den Frauen und bei den Herren in Rio ganz besonders?

Susi Zimmermann: Bei den Frauen beeindruckte mich Luise Mahlzahn in der Gewichtsklasse bis 78 Kilogramm. Ich habe gehört, dass sie mit einer schweren Knieverletzung in das olympische Turnier startete.

Nach den Kämpfen konnte man ihr schmerzverzerrtes Gesicht sehen, als sie die Treppenstufen hinunter humpelte, um die Matte zu verlassen. Ein Sieg im kleinen Finale – und damit der Gewinn der Bronzemedaille – wäre mehr als verdient gewesen. …Ich hoffe, dass sie diese dann in vier Jahren in Tokyo holt.

Meinen größten Respekt hat der erst 21-jährige Italiener Fabio Basile. Der amtierende U23-Europameister und EM-Dritte von Kazan konnte im Finale sogar den Weltmeister Baul An aus Korea vorzeitig besiegen. Eine schöne Überraschung, die zeigt, dass an einem perfekten Tag im Judo alles passieren kann.

Vielen Dank und weiterhin alles erdenklich Gute!

Marko Michels