Die Diskussion um BdV-Präsidentin Erika Steinbach

Die Berufung von Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, in den Stiftungsrat des Dokumentationszentrums „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ sorgt für Spannungen im deutsch-polnischen Verhältnis …

Vizepräsidenten des BdV fordern Ende der Kampagne gegen Erika Steinbach

Zur Kampagne gegen BdV-Präsidentin Erika Steinbach erklären die BdV-Vizepräsidenten Christian Knauer, Landrat Aichach-Friedberg, CSU und Albrecht Schläger, MdL a. D., SPD:

Wir fordern das Ende der Medienkampagne in Polen gegen Präsidentin Erika Steinbach. Wir finden die speziell in Polen verursachte Massenpsychose gegen Erika Steinbach unerträglich und durch nichts gerechtfertigt.

Der BdV und seine Präsidentin haben zu den meisten Staaten, aus denen Deutsche vertrieben wurden, nachweislich ein gutes Verhältnis, so u.a. zur Slowakei sowie zu den Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Im ungarischen Parlament sprach Erika Steinbach auf Einladung der Parlamentspräsidentin, die mit der Ehrenplakette des BdV ausgezeichnet wurde. Im tschechischen Außenministerium wurde wiederholt bestätigt, dass man Erika Steinbach und dem ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN neutral gegenübersteht. Dort ist man weder pro noch kontra, sondern betrachtet das Ganze als eine rein innerdeutsche Angelegenheit.

Wir fordern die Kritiker Steinbachs auf, darzulegen, was ihre vehemente Ablehnung Erika Steinbachs begründet. Bei entsprechenden Anfragen wurden seit Wochen keine Fakten genannt.

Es ist eine Tatsache, dass die Präsidentin seit ihrer Amtsübernahme 1998 einerseits radikales Gedankengut innerhalb des Verbandes ausgemerzt und andererseits die Beziehungen zu den Staaten, aus denen Deutsche vertrieben wurden, maßgeblich verbessert hat.
Der frühere polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski, der aus der Vergangenheit her durchaus seine Verdienste aufweist, hat sich durch seine Kampagne gegen Erika Steinbach und vor allem durch den Vergleich Erika Steinbachs mit dem Holocaust-Leugner Richard Williamson selbst disqualifiziert.

Ein letzter Beweis für die lautere Geradlinigkeit Steinbachs: Die erste große Ausstellung des von ihr initiierten ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN mit dem Namen „Erzwungene Wege“ zeigt überdeutlich, was gerade das polnische Volk durch Hitlerdeutschland alles erleiden musste, u.a. auch Vertreibungen.

Wir rufen die verantwortlichen Politiker in Deutschland und Polen auf, schnell zur Sachlichkeit zurückzukehren, weil ungerechte Vorwürfe dem gemeinsamen Weg Polens und Deutschlands in eine gute Zukunft schaden.

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Kommentar – Auch Erika Steinbach hat eine Chance verdient …

Die Diskussionen um die Berufung von Erika Steinbach in den Stiftungsrat des Dokumentationszentrums „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ haben mittlerweile jegliche Sachlichkeit und Aufrichtigkeit verloren. Das gilt sowohl für einige führende deutsche als auch polnische Politiker. Dabei wird der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen jegliches Umdenken, jeglicher Willen zur Versöhnung abgesprochen.
Zu Unrecht, wie auch das Beispiel von Willy Brandt zeigt …

1961 verabschiedete der Deutsche Bundestag einstimmig den so genannten „Jaksch-Bericht“, benannt nach dem späteren Präsidenten des Bundes der Vertriebenen Wenzel Jaksch (SPD). In diesem Beschluss wurden neue Wege einer Menschenrechte und Völkerrecht nicht ausklammernden deutschen Ostpolitik aufgezeigt. Noch 1963 erhielten die Schlesier zu einem ihrer großen Deutschlandtreffen ein Grußtelegramm, in dem es hieß:
„Breslau – Oppeln – Gleiwitz – Glogau – Grünberg, das sind nicht nur Namen, das sind lebendige Erinnerungen, die in den Seelen von Generationen verwurzelt sind und unaufhörlich an unser Gewissen klopfen. Verzicht ist Verrat, wer wollte das bestreiten.

Das Recht auf Heimat kann man nicht verhökern – niemals darf hinter dem Rücken der aus ihrer Heimat vertriebenen oder geflüchteten Landsleute Schindluder getrieben werden. Das Kreuz der Vertreibung muss das ganze Volk mittragen helfen.“ Diese Grußbotschaft an die Schlesier trug die Unterschriften der Sozialdemokraten Erich Ollenhauer, Willy Brandt und Herbert Wehner.

ESDaran erinnerte auch Erika Steinbach zum 50jährigen Bestehen des BdV bei ihrer Rede im Kronprinzenpalais 2007 in Berlin.

In der damaligen Rede fand Erika Steinbach auch versöhnliche und anerkennende Worte für die neue Ostpolitik Willy Brandts ab 1969, in dem sie zurückblickte:
„Zum Ende der 60-er Jahre wandelte sich das Klima. Die Vokabel `Revanchismus`, ein Schlagwort kommunistischer Desinformation bezogen auf die Bundesrepublik und die Vertriebenen, fand ihren festen Platz auch in der innerdeutschen Diskussion.

Im Zuge der sozial-liberalen Ostpolitik unter dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt eskalierte die Auseinandersetzung nicht nur zwischen der SPD/FDP-Koalitionsregierung und der CDU/CSU-Opposition, sondern auch mit dem BdV.

Die Ankündigung Willy Brandts vom 20. November 1970, das deutsch-polnische Verhältnis auf eine neue Basis stellen zu wollen, löste  Turbulenzen aus, die sich mit seiner Warschaureise und der Unterzeichnung der Ostverträge noch verschärften.

Die Enttäuschung insbesondere der ostdeutschen Vertriebenen war elementar. Sätze wie `Brandt an die Wand` oder Schlagworte wie `Verzichtspolitiker` waren an der Tagesordnung. Emotionen überlagerten die Ratio am Ende auf beiden Seiten. Liest man die Reden Willy Brandts nach, so lässt sich heute mit der Distanz von 37 Jahren aber deutlich erkennen, dass ihm die Gefühle und das Schicksal der Vertriebenen durchaus nicht nebensächlich waren.“

Die damalige Rede Erika Steinbachs war also durchaus eine Rede der Versöhnung, nachdem sich Sozialliberale, Teile der Union und der Bund der Vertriebenen jahrelang unversöhnlich in der Problematik des Verlustes der deutschen Ostgebiete nach dem zweiten Weltkrieg gegenüberstanden.

WBJede Seite ignorierte die Argumentation des Kontrahenten. Schlimm war dabei die „Aufrechnung“ von Opfer- und Vertriebenenzahlen: Unrecht lässt sich nun  einmal nicht gegeneinander aufwiegen. Während des 2.Weltkrieges gab es sechs Millionen polnische Opfer. Acht Millionen Deutsche verloren ihre alte Heimat an Polen. Diese Zahlen haben führende Funktionäre des BdV oftmals kommentarlos gegenübergestellt. Hier hätte zweifellos deutlicher die Ursache, der von Hitler entfesselten Krieg, der heimtückische Überfall auf Polen 1939, dargestellt werden müssen.

Doch ebenso bedrückend ist ebenfalls die Haltung vieler linksdemokratischer Politiker, die die Vertreibung, die Exzesse dabei, nicht entschieden als das geißelten, was sie war – Unrecht.

Viele Deutsche und Polen, gerade die jüngeren Generationen, sind da schon weiter, haben sich längst versöhnt, sich kennen gelernt und Freundschaften geschlossen. Es gibt einen regen Erfahrungsaustausch, gegenseitige Besuche. Probleme scheinen vor allem die Funktionäre, die Politiker zu haben.

Aber auch viele Ältere, die Reifere im Bund der Vertriebenen fühlten sich jahrzehntelang durch führende BdV-Funktionäre nicht würdig vertreten.
Geifernde Reden sind selten hilfreich, gerade wenn es um Toleranz und Verständnis geht.

Glücklicherweise gab es jedoch auch viele Funktionäre im BdV, denen unversöhnliche Haltungen und Überheblichkeit zuwider waren.

Auch Erika Steinbach lernte dazu, verstand die polnischen Ängste und versuchte, Zeichen der Versöhnung zu setzen – gerade seit ihrem Amtsantritt 1998. Das gelang ihr bei führenden polnischen Politikern nur bedingt. Könnten nochmalige intensive Gespräche zwischen ihr, als amtierende BdV-Präsidentin, und der polnischen Regierung neues Vertrauen schaffen – unter Vermittlung von Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier ?

Das bleibt zu hoffen. Auch Bundeskanzler Willy Brandt lernte hinzu, in dem er die Ängste und Befürchtungen der anderen Seite ernst nahm, sich von einem entschiedenen „kalten Krieger“ zu einem Entspannungspolitiker, der aber ebenfalls die Nöte der Vertriebenen ernst nahm, wandelte.

Das alles gegen erbitterte Widerstände. Auch Erika Steinbach hat ihre Chance verdient.

Dr.M.Michels

F.: Erika Steinbach/BdV. / Willy Brandt/FES.