Deutschland wird wild – 20 Jahre Nationalparkprogramm der DDR

Fünf Nationalparks, sechs Biosphärenreservate, drei Naturparks: Vor 20 Jahren sicherte das Nationalparkprogramm der DDR das Tafelsilber der deutschen Einheit. Und schützte damit auch Wildnisgebiete, die es im übrigen Deutschland längst nicht mehr gab.

Berlin. Mit seinem „Ja“ zum Nationalparkprogramm machte der DDR-Ministerrat am 12. September 1990 dem wiedervereinten Deutschland ein Geschenk von unschätzbarem Wert: 4.882 Quadrat-kilometer nahezu unberührter Landschaft, einstweilig gesichert durch einen Beschluss der Modrow-Regierung am 16. März 1990, wurden von der ersten demokratisch gewählten DDR-Regierung unter Ministerpräsident Lothar de Maizière rechtskräftig unter Schutz gestellt.

Als Grenzsicherungsräume, militärisches Sperrgebiet und Jagdrevier der Funktionäre, waren die Flächen zwischen Ostsee und Thüringer Wald jahrzehntelang vom Menschen beinahe unbeeinflusst.  Das DDR-Regime sperrte den Normalbürger von den Flächen aus – und bewahrte so quasi nebenbei die Natur davor, verbaut oder bewirtschaftet zu werden. Zwischen Stacheldraht und Grenzpatrouillen konnte die Natur Natur sein. Wildnis entstand.

Den Wert der Flächen haben Naturschützer in der DDR – darunter der spätere Träger des Alternativen Nobelpreises, Prof. Micha el Succow, – früh erkannt. Doch erst mit der Öffnung der innerdeutschen Grenze bekam ihr Anliegen, die Naturgebiete zu schützen, die notwendige Dringlichkeit.

„Die in den Nationalen Naturlandschaften entstehende Wildnis ist unverzichtbar für den Erhalt der biologischen Vielfalt“, sagt Karl Friedrich Sinner, stellvertretender Vorsitzender von EUROPARC Deutschland und Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald. „Die Natur von Menschen unbeeinflusst  zu lassen, wird in den Nationalparks umgesetzt und erfahrbar gemacht. Dazu ist auch künftig die Unterstützung durch politische Entscheidungsträger unerlässlich. Wildnis in ihren natürlichen Abläufen und Prozessen sollte als ein gesellschaftliches Anliegen getragen werden.“

Konkret: Wildnisforschung in Deutschland

Neu in der Wildnis – Waschbären im Müritz-Nationalpark
Bis zu 500.000 Waschbären soll es in Deutschland geben. Mindestens 14.000 davon leben auch in Mecklenburg-Vorpommern. Dort fühlt sich der Kleinbär, der vor rund 70 Jahren nach Deutschland kam, ausgerechnet in einer der am strengsten geschützten Landschaften besonders wohl: im Müritz-Nationalpark. Die wildnisnahen Flächen des Nationalparks bieten dem Zuwanderer aus Amerika beste Lebensbedingungen – Moore, Seen und Sümpfe, dazu ein urwaldartiger Buchenwald sorgen für ausreichend Schutz und Nahrung. Wie sich der Einwanderer aus Amerika in die sich entwickelnde Wildnis einfügt und welche natürlichen Prozesse von ihm beeinflusst werden, haben Wissenschaftler seit März 2006 im Serrahner Teilgebiet des Müritz-Nationalparks untersucht. Ihre Ergebnisse liefern jetzt die Grundlage für die ökologische Bewertung der Waschbären. Naturschutzgerechte Landnutzungen – ob im Nationalpark oder im Umland, werden so überhaupt erst möglich.

Quelle: EUROPARC Deutschland e.V.