Paritätischer Wohlfahrtsverband legt Ersten Regionalen Armutsatlas für die Bundesrepublik vor
Vorpommern ist die ärmste Region
Die Bundesrepublik Deutschland ist hinsichtlich der Armutsentwicklung ein zutiefst zerrissenes Land. Ganze Regionen drohen in einen Teufelskreis der Verarmung zu geraten. Dies geht aus dem „Ersten Armutsatlas für Regionen in Deutschland“ hervor, den der Paritätische Wohlfahrtsverband heute in Berlin vorstellte.
Bei einer bundesweit durchschnittlichen Armutsquote von 14,3 Prozent reichen die in dem Atlas erstmals veröffentlichten regionalen Armutsquoten von 7,4 Prozent im Schwarzwald bis zu 27 Prozent in Vorpommern.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband präsentiert mit dem Armutsatlas für Regionen die erste Gesamtübersicht zur regionalen Verteilung von Armut in Deutschland. „Mit diesem Atlas wird ein neues Kapitel der Armutsberichterstattung aufgeschlagen. Die regionale Betrachtung der Armut führt uns erstmals vor Augen, dass Deutschland nicht nur sozial, sondern auch regional ein tief zerrissenes Land ist“, bilanziert Dr. Klaus Gollert, Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Mecklenburg-Vorpommern.
„Wir haben uns viel zu lange durch bundesweite Durchschnittsquoten blenden lassen. Der Mensch lebt aber in der Region, nicht im Durchschnitt.“ Dabei belege der Atlas, dass die gängige statistische Unterscheidung zwischen Ost- und Westdeutschland in der Realität viel zu kurz greife.
„Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall ist Deutschland nicht länger zwei- sondern mindestens dreigeteilt und im Hinblick auf die Armutsbetroffenheit zerrissener als je zuvor.
Wenn Vorpommern als ärmste Region eine viermal so hohe Armutsquote aufweist wie die reichste, hat das mit gleichwertigen Lebensverhältnissen nichts mehr zu tun“, so Dr. Gollert.
Das Kartenwerk gibt einen Überblick, in welchen Bundesländern und Regionen besonders viele sozial Schwache leben. Als arm gilt, wer bis zu 60 Prozent des Durchschnittseinkommens erreicht. Dazu zählen Menschen, die von Arbeitslosengeld II oder anderen Arten der Grundsicherung leben.
Die ärmsten Regionen Deutschlands finden sich in den östlichen Bundesländern, trauriger Spitzenreiter ist Mecklenburg-Vorpommern, wo in einzelnen Gebieten mehr als jeder Vierte (27 Prozent) arm ist.
Ohne gezielte Maßnahmen der Armutsbekämpfung werde mittelfristig jede Grundlage für eine gute ökonomische Entwicklung in den betroffenen Regionen zerstört.
„Was wir brauchen ist die nachhaltige Verknüpfung von Wirtschafts- und Sozialpolitik mit der gezielten Förderung von Regionen“, forderte der Verbandsvorsitzende. „Hier werden Regionen, und noch schlimmer, Menschen abgekoppelt von der Chance auf Teilhabe“, sagt Dr. Gollert.
„Denn Armut bedeutet nicht nur materiellen Verzicht, sondern wirkt sich auf Bildungswege, Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Gesundheit und seelisches Wohlbefinden aus.“
Der neue Armutsatlas biete Politik, Verwaltung und Akteuren der Bürgergesellschaft einen Anhaltspunkt, wo in den folgenden Monaten und Jahren verstärkt gehandelt werden muss: „Es ist höchste Zeit, aktiv zu werden.“
Scharfe Kritik übte der Verband in diesem Zusammenhang an dem Konjunkturpaket II. Die zehn Milliarden Bundesmittel für Investitionen in Bildung und kommunale Infrastruktur flössen zu einem Drittel in die drei Bundesländer, die mit Abstand die geringsten Armutsquoten aufweisen.
Eine solche Mittelverteilung sei ökonomisch unvernünftig und sozial ungerecht. Maßnahmen wie Abwrackprämie würden die Spaltung zwischen Arm und Reich noch vergrößern, anstatt sie zu schließen, kritisierte Dr. Klaus Gollert.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat bereits 1989, 1994 und im Jahr 2000 Armutsberichte vorgelegt.
Der Atlas stellt eine neue Form dar, die Armut sichtbar zu machen. Er basiert auf Daten der Statistischen Landesämter, die vor Beginn der aktuellen Wirtschaftskrise erhoben wurden.
Der Atlas sowie ergänzende Statistiken – darunter die Möglichkeit, Daten auf Kreisebene abzurufen – finden sich im Internet unter www.armutsatlas.de.
Weiteres Material gibt es im Internet-Auftritt der Statistischen Ämter unter www.amtliche-sozialberichterstattung.de .
F.: Dr.Klaus Gollert.
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>> Unter der Armut leiden auch insbesondere die Kinder. Hierzu verfasste die ZEIT-Autorin Ulrike Meyer-Timpe auch eine interessante Studie mit vielen Einzel-Schicksalen: „Unsere armen Kinder. Wie Deutschland seine Zukunft verspielt.“.
Reiches Land – armes Land …
Die vorgelegten auf soliden Untersuchungsergebnissen beruhenden Zahlen zur Armut in Mecklenburg-Vorpommern müssten eigentlich die Machteliten im Schweriner Landtag, in den Unternehmensverbänden, in den Gewerkschaften, in den Kirchen des Landes oder in den verschiedenen Lobby-Verbänden „aufschrecken“.
Doch trotz der gestern veröffentlichten Fakten zur Armut in Deutschland, speziell in Mecklenburg-Vorpommern, bleibt es relativ ruhig – gerade im Schweriner Schloss.
Im Gegenteil: Die gegenwärtige Macht-Elite blickt auf die angeblich so großartigen Erfolge in den Forschungsabteilungen der beiden Universitäten, auf neu gegründete mittelständische Unternehmen, die sich erst am Markt behaupten müssen, auf sportliche Erfolge, die nun so zahlreich allerdings auch nicht mehr sind, und auf kulturelle Innovationen zwischen Schönberg und Usedom.
Schaut man sich die „großen“ Erfolge an, die durchaus auch zu Recht gefeiert werden, so stellt man fest: Es wurde viel Geld in entsprechende Projekte, wie Filmfeste, Gartenschauen, kulturelle Förderung, gesteckt. Exorbitante Summen, die blühende Landschaften vorgaukeln. Deren Nachhaltigkeit anzuzweifeln ist. Empfänger dieser Geldsummen sind ohnehin meist die Günstlinge der Macht-Eliten. Andere Ideen, Projekte, die durchaus Förderung verdienten, bleiben außen vor.
Es wird „Flickschusterei“ in Sachen Armutsbekämpfung betrieben. Wichtiger als die Entdeckung des „Kuh-Genoms“ ist jedoch, dass die Zukunftsinvestition Kind tatsächlich eine Zukunft hat. Dass Arbeitswillige nicht mit asozialen Personen in „Vorstands- und Keller-Etagen“ gleichgesetzt werden, nachdem diese aus „betriebswirtschaftlichen“, gesundheitlichen oder „biologischen“ (Altersgründen) vom ersten Arbeitsmarkt gekegelt wurden.
„Sozial ist, was Arbeitsplätze/Arbeitseinkommen schafft, die auch eine Familie ernähren können und die es ermöglichen, sich ebenfalls – durchaus ehrenamtlich – in sinnvoller Weise für die Nächsten einzusetzen.“.
Um nichts anderes geht es mehr.
Aber anscheinend haben die Schönredner und Realitätsverdränger (Ausnahmen gibt es durchaus !) im Schweriner Schloss noch immer nichts verstanden.
M-V geht es nicht gut – trotz schöner Strände, blühender BUGA-Gärten, einiger schneller Sportler und musizierender Künstler.
Dr.Marko Michels, Wismar