Der Turnsport: Zwischen den WM in London und einem Schweriner Turn-Jubiläum

Im Oktober finden die Turn-Weltmeisterschaften in London statt – in Schwerin wurde vor 150 Jahren der Männer-Turn-Verein gegründet

TurnenDer Countdown für die Turn-Weltmeisterschaften in diesem Jahr läuft. Vom 13.Oktober bis 18.Oktober finden die Titelkämpfe in der kommenden Olympiastadt London statt und sind ein erster turnsportlicher Gradmesser ein Jahr nach Peking 2008.

Während die deutschen Fans auf Fabian  Hambüchen hoffen, dürften neben den DTB-Turner auch die Teilnehmer aus China, Japan, den USA und Russland um das Gros der Medaillen im Herren-Turnen wetteifern. Bei den Damen dürften die Chinesinnen, Russinnen, Amerikanerinnen und Rumäninnen zu den ersten Medaillen-Kandidaten gehören.

TurnenIn der Geschichte der Turn-WM waren bislang die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Sowjetunion/Russland mit 138 x Gold am erfolgreichsten. Deutschland konnte bislang 24 Weltmeisterinnen und Weltmeister stellen.

TurnenEine weltmeisterliche und olympische Tradition in der jüngeren Turn-Geschichte kann M-V ebenfalls aufweisen. Insbesondere in Rostock trainierten einige Weltklasse-Turnerinnen und -Turner in den letzten Jahrzehnten. Martina Noack war Mitglied der DDR-Damen-Riege, die bei Olympia 1968 Bronze und bei den WM 1970 Silber gewann. Christina Schmitt, ebenfalls aus der Hansestadt, war 1970 auch Vize-Weltmeisterin mit den DDR-Turnerinnen und erkämpfte 1970 Bronze auf dem Schwebebalken.

Bei Olympia 1972 gab es zudem Mannschafts-Silber. In München 1972 turnte sich der Hanseat Reinhard Rychly zudem im DDR-Herren-Team zu Bronze. Auch die bekannten Hoffmann-Brüder haben “Wurzeln” in M-V, speziell in Neustrelitz ! Lutz Hoffmann belegte bei Olympia 1980 in Moskau Platz 2 mit der DDR-Auswahl; sein Bruder Ulf war zweimal WM-Dritter (1985/1987) mit der DDR-Riege und erhielt zusammen mit den anderen DDR-Turnern 1988 Mannschafts-Silber bei Olympia 1988 in Seoul.

TurnenWeitere erfolgreiche Rostocker Turnerinnen in der Weltspitze waren: Christine Thoms (Ersatz-Turnerin 1988 für das olympische DDR-Team, das Dritte wurde) und die zweifache Olympia-Teilnehmerin (1992/1996) Kathleen Kern-Stark.

Ein besonderes Jubiläum feiert auch der Turnsport in Schwerin in diesem Turn-WM-Jahr – der Männer-Turn-Verein wurde vor 150 Jahren gegründet !

Der Männer-Turn-Verein von 1859 in Schwerin – Anfänge eines organisierten Turnwesens in Schwerin

„In der Zeit, als nach langem Druck im deutschen Vaterlande die Turnerei und ihre Bestrebungen allmählich wieder zu Ehren kamen, als die Geister in der Hoffnung auf eine bessere Zeit freier wurden und die deutschen Männer es wagen durften, ihren auf Deutschlands Einheit und Größe gerichteten Gedanken Ausdruck zu geben und sich zusammenzuschließen, um in gemeinsamer Turnarbeit den Körper zu stählen, die Vaterlandsliebe zu pflegen und den deutschen Gedanken hinauszutragen in das Volk, da entstanden auch der Turnsache hier in unserer Stadt geeignete und schaffensfreudige Männer, die mit viel Arbeit und Mühe den Grundstein legten zu unserm lieben Männer-Turn-Verein. 16 angesehene Männer, durchdrungen von dem hohen Wert des deutschen Turnens, traten auf Einladung des Buchhändlers Ernst Bär am 18.Oktober 1859 zu einer Beratung zusammen, und schon an demselben Abend erfolgte die Gründung eines Männerturnvereins.“, heißt es in der Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Männer-Turn-Vereins zu Schwerin.

Doch die ersten turnerischen Aktivitäten einzelner Schweriner sind bereits viel früher eruierbar. So sollen am ersten Hanauer Turntag 1848 über den 1816 gegründeten Hamburger Turnverein ebenfalls Schweriner teilgenommen haben.  Ein größeres turnerisches Engagement darüber hinaus ist ferner in den frühen 50er Jahren des 19.Jahrhunderts festzustellen. So fanden Freiluftübungen insbesondere auf dem Exerzierplatz in der Wismarschen Strasse statt.
Maßgeblich beeinflußt wurde die turnerische Entwicklung in Schwerin einerseits über die Gründung des schon erwähnten Hamburger Turnvereins als auch andererseits über die Gründungen des Turn- und Sportvereins Friedland 1814 bzw. des Stavenhagener Sportvereins von 1863. Der Geist von GutsMuths, Jahn, Friesen und anderer konnte auch in Schwerin nicht mehr unterdrückt bzw. ignoriert werden.

Bereits am 25.Oktober 1859 – 7 Tage nach seiner Konstituierung – konnte der Schweriner Männer-Turn-Verein im „Zanderschen Lokal“ die erste Turnstunde abhalten. Die Anzahl der Turner (22) und die Auswahl an Geräten (Barren und Pferd) war nicht gerade „üppig“, aber es herrschte dennoch eine Aufbruchstimmung unter den anwesenden Turnern, von der weitere turninteressierte Schweriner faktisch „mitgerissen“ wurden.

Die Entwicklung des Männer-Turn-Vereins vollzog sich in ungeahnter Schnelligkeit: Ende 1861 zählte der Verein bereits 125 Mitglieder und 1862 waren 279 Mitglieder gemeldet.
Als erster Vereinsleiter amtierte der Schweriner Buchhändler E.Bär, der von den Herren Ed. Becker (Aktuar/später Geh. Kabinettsregistrator) und K.Köpcke (Lehrer/später Bankdirektor). die als Turnwarte fungierten, unterstützt wurde.

Der Divisions-Turn- und Fechtlehrer Carl Laufer übernahm die Leitung des Turnens. Zur Seite stand Laufer eine gut geschulte Vorturnerschaft, die zur damaligen Zeit die Hauptstütze des Vereins bildete.
Engagement zeigte der Männer-Turn-Verein auch bei der Bildung sogenannter „Zöglingsriegen“; mit diesen sollte der schulentlassenen Jugend Gelegenheit gegeben werden, geregeltes Turnen betreiben zu können. Viele der späteren Vorturner entstammten dieser „Zöglingsriegen“.

In den Jahren 1859 bis 1863 standen dem Verein an „Turnlokalen“ nur Restaurationssäle, zeitweise auch der Exerzierplatz und das Êxerzierhaus an der Wismarschen Strasse zur Verfügung. Der häufige Wechsel der „Turnlokalitäten“ wirkten sich allerdings störend auf den Turnbetrieb aus, so daß die Mitglieder beschlossen, eine eigene Turnhalle zu bauen. Dank der Waisenstiftung in Schwerin und eigener Vereinsguthaben konnte zum Preis von 840 Talern ein Grundstück, Ecke der Amts- und Ferdinand-Schulz-Straße, erworben werden. Damit war die Finanzkraft des Vereins aber erschöpft … Glücklicherweise genoß der Schweriner Männer-Turn-Verein große Wertschätzung und ein großes Ansehen sowohl bei der Schweriner Bevölkerung als auch bei Schweriner Firmen. Für die zum Bau notwendige Summe von 5360 Talern gab die städtische Sparkasse 2000 Taler gegen Zinsen; die fehlenden 3360 Taler wurden von Mitgliedern und Freunden des Vereins durch den Kauf von Aktien, a 10 Talern, zinslos zusammengebracht. Somit konnte doch noch mit dem Bau einer eigenen Turnhalle begonnen werden. Am 24.Oktober 1863 – in Verbindung mit dem 4.Stiftungsfest des Vereins – wurde die neu erbaute Turnhalle eingeweiht.

Große Verdienste bei der Realisierung des Baus der vereinseigenen Turnhalle erwarb sich insbesondere der damalige Vorsitzende des Vereins, der Advokat (Bankdirektor) A.Kirchner, welcher ebenfalls eine beträchtliche Geldsumme seinem Verein zur Verfügung stellte.
Ab 1860 entstanden einige Zweigabteilungen innerhalb des Vereins. Sangeskundige Mitglieder traten zu einer Gesangsriege zusammen, die regelmäßig bei Vereinsfeierlichkeiten oder weiteren städtischen Anlässen auftraten. Im November 1863 wurde dann die „freiwillige Turnerfeuerwehr“ ins Leben gerufen.

Zur Pflege der Geselligkeit im Verein organisierte der Schweriner Männer-Turn-Verein des weiteren zahlreiche Festlichkeiten bzw. Feierlichkeiten. Während eines derartigen Festes, am 4.Dezember 1863, konnte der Verein seine erste – von Frauen und Jungfrauen (!) der Stadt sowie dem Verein gestiftete – Fahne einweihen.

Im Jahr 1863 trat der Schweriner Männer-Turn-Verein auch dem Deutschen Turnerverband bei. Zudem traten die mecklenburgischen Turn-Vereine, darunter natürlich der Schweriner, zu einer losen Vereinigung zusammen. Zweck dieser „Vereinigung“ mecklenburgischer Vereine war es, die „Turnsache“ in Mecklenburg zu „heben“ bzw. zu fördern sowie jährlich gemeinschaftliche Turnfeste / Turntage durchzuführen. Der Krieg 1864 verhinderte die Austragung eines solchen Turnfestes in Schwerin; allerdings konnte am 4.Juli 1864 ein mecklenburgischer Turntag in Schwerin ausgerichtet werden, bei dem ein größeres Schauturnen auf dem Werder stattfand. Die Auflösung der „Vereinigung“ erfolgte im Jahr 1867; die meisten mecklenburgischen Vereine, darunter der Schweriner Männer-Turn-Verein, schlossen sich dem neugebildeten 4.Turnkreis „Norden“ an. Innerhalb dieses Kreises vereinigten sich die nächstgelegenen Vereine zu Gauen. So entstand der „Obotritengau“, dem ebenfalls die Schweriner Turner angehörten.

Erheblichen Einfluß auf die Entwicklung des Männer-Turn-Vereins in Schwerin hatten die Kriegsjahre 1870/71: 50 aktive Turner des Vereins wurden rekrutiert; andere Mitglieder des Vereins mußten erhebliche Mehrbelastungen durch die „Kriegsarbeit“ hinnehmen und konnten sich dem Turnen ebenfalls nicht mehr sonderlich intensiv widmen. So lag der Turnbetrieb in diesen Jahren fast darnieder.

Neuen Auftrieb – nach den Kriegsereignissen – erhielt der Schweriner Männer-Turn-Verein erst mit der Ausrichtung des ersten Kreisturnfestes des 4.Turnkreises „Norden“, bei dem sowohl ein Schauturnen als auch ein Wetturnen stattfand.
Der Schweriner Männer-Turn-Verein nahm ebenfalls an den folgenden Kreisturnfesten 1876 in Itzehoe, 1879 in Preetz, 1881 in Altona und 1883 in Lübeck teil und schickte außerdem Abordnungen zu den deutschen Turnfesten 1861 in Berlin, 1863 in Leipzig, 1872 in Bonn und 1880 in Frankfurt/Main.

Im Jahr 1882 erfolgte die Gründung der Abteilung B innerhalb des Schweriner Männer-Turnvereines. Hierbei handelte es sich um eine Senioren-Turn-Riege des Vereins, die unter der Leitung des Vorstandsmitgliedes Prof.Dr.Metzmacher stand.
Ein Höhepunkt im Vereinsleben waren die Feierlichkeiten zum 25jährigen Bestehen 1884, auf der zahlreiche Mitglieder – unter ihnen die Vereinsmitbegründer Ed.Becker, K.Köpcke, Schüler und Stehmann – entsprechend geehrt wurden.

Eine gravierende personelle Veränderung mußte der Schweriner Männer-Turn-Verein bereits 1883 hinnehmen. Der bisherige Leiter der Hauptabteilung im Verein, Turnlehrer Laufer, trat aus gesundheitlichen von dieser Funktion zurück. Seit Gründung des Vereins hatte er maßgeblichen Anteil an der positiven Entwicklung des Schweriner Turnens und erwarb sich – über die Stadtgrenzen hinaus – den Ruf eines excellenten Vorturners.
Die entstandene „Lücke“ füllte jedoch mit F.Schirbaum der bisherige Turnwart des Vereins, der ebenfalls ein hohes Ansehen als Turner genoß.

Dank der finanziellen Unterstützung einiger Firmen und seitens der Schweriner Bevölkerung, aber nicht zuletzt auch eigenem finanziellem Engagements konnte der Männer-Turn-Verein den lange Zeit vergeblich angestrebten Kauf des Gartengrundstücks neben dem Turnplatz an der Ferdinand-Schulz-Straße 1885 realisieren. Die Kaufsumme belief sich immerhin auf beträchtliche 1000 Mark. Dadurch wurde der Turnplatz nicht nur bedeutend vergrößert, sondern – da das Grundstück Straßenfront hatte – ebenfalls zugänglicher gemacht.
Gab es 1883 eine gravierende personelle Veränderung im Verein, so folgte drei Jahre später eine nicht minder bedeutende juristische Veränderung für den Verein. Der Schweriner Männer-Turn-Verein erwarb die Rechte einer juristischen Person, was für das gesamte Wirtschaftsleben innerhalb des Vereines von größter Bedeutung war. Nachdem am 17.Juli 1886 die Grundgesetze landesherrlich bestätigt wurden, verlieh der Großherzog dem Verein – durch „allerhöchsten Erlaß“- die Rechte einer juristischen Person.

Die damit erlangte Rechtsfähigkeit des Vereines gab dem Vorstand Veranlassung, sich in erster Linie der Neuordnung der Besitzverhältnisse des Vereins zu widmen. Die Turnhalle und der Turnplatz, die bis dahin Eigentum der Aktionäre waren und nur in der Verwaltung des Vereins standen, wurden zu Stadtbuch auf den Namen des Vereins umgeschriben. Beides ging also in das alleinige Eigentum des Vereins über.

Strukturelle Veränderungen fanden ebenfalls im Verein statt. Im Jahr 1886 erfolgte eine Trennung zwischen der Mitglieder- und der Zöglingsabteilung, um insbesondere beiden Abteilungen die Möglichkeit zu besonderen Turnabenden bzw. Übungsstunden zu geben. Gewünscht wurde dieser Trennung von der Mehrheit der Mitglieder. Allerdings hob der Vereinsvorstand diese Trennung – aufgrund des geringer gewordenen Bestands an Turnzöglingen – im Jahr 1897 wieder auf.

In jenem Jahr starb auch das langjährige Mitglied und Vereinsmitbegründer, der Geheime Kabinettsregistrator E.Becker, der zweifellos eine der renommiertesten Persönlichkeiten des Schweriner Männer-Turn-Vereines darstellte.

Bereits im Jahre 1892 wurde eine neue Abteilung im Männer-Turn-Verein eingerichtet – das Schülerturnen für Knaben. Da zu jener Zeit Turnunterricht nur im Sommerhalbjahr – mangels ausreichender Turnhallen in Schwerin – möglich war, bot der Turn-Verein den Schweriner Schulen an, in dessen Einrichtung üben zu dürfen. Der zunächst rege Zuspruch bei den Schweriner Knaben – 74 Knaben nahmen anfangs an den Turnstunden des Turnlehrers Schirbaum teil – rechtfertigte zunächst die Gründung der neuen Abteilung. Allerdings ging in den darauffolgenden vier Jahren die Teinehmerzahl am Turnunterricht kontinuierlich zurück, so daß die Abteilung Knaben-Turnen im Jahr 1896 wieder aufgelöst wurde.

Erfolgreiche Teilnahmen von Schwerinern Turnern z.B. beim VIII.Deutschen Turnfest 1894 in Breslau sowie bei den Kreisturnfesten 1895 in Flensburg oder 1897 in Lübeck sorgten für zahlreiche Neu-Aufnahmen von Mitgliedern im Verein bzw. bedeuteten eine ausgezeichnete Werbung für den Schweriner Männer-Turn-Verein weit über die Grenzen Schwerins hinaus.
Nachdem der bisherige langjährige Vereinsturnlehrer Schirbaum 1898 von seiner Funktion zurücktrat, sah der Verein von der Anstellung eines neuen Turnlehrers ab. Die Leitung des gesamten Turnbetriebes übernahm nun der 1.Turnwart Robert Müller. Zuvor – 1896 – mußte bereits der über viele Jahre amtierende Vorsitzende des Vereins, Herr Pinkus, aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten.
Die folgenden acht Jahre brachten für den Verein viele „Höhen“ aber auch „Tiefen“ mit sich. So veranstaltete der Männer-Turn-Verein 1899 eine glanzvolle Feier zum 40jährigen Vereinsjubiläum, bei der das beachtliche Leistungsniveau der Schweriner Turner ebenfalls praktisch demonstriert wurde.
Trotz einer guten Vereinsentwicklung sowohl in sportlicher als auch finanzieller Hinsicht sollte das Jahr 1903 ein ziemlich „schwarzes“ für den Männer-Turn-Verein werden. Grund dafür waren „Saufgelage“ jüngerer Mitglieder bei geselligen Abenden … Da der Vorstand dieses Verhalten mißbilligte und die Vereins-Hauptversammlung das „Benehmen“ der jüngeren Mitglieder zusätzlich „verurteilte“, erklärten eine große Anzahl aktiver (jüngerer) Mitglieder ihren Austritt aus dem Verein.
Es kam zur Gründung eines weiteren Schweriner-Turnvereins, der bis zum Jahr 1906 hervorragend mit dem „angestammten“ Männer-Turn-Verein konkurrieren konnte. Dieser löste sich aber im genannten Jahr aus finanziellen Gründen wieder auf und dessen Turner kehrten zum Schweriner Männer-Turn-Verein zurück.

TurnenDie stetig steigende Mitgliederzahl sowie die damit verbundenen Forderungen nach größeren Räumlichkeiten führten im Jahr 1905 zum Bau einer neuen Turnhalle an der Lübecker Strasse. Bereits seit 1901 sammelte der Verein dafür entsprechende Geldmittel. Als dann die „alte“ Turnhalle an der Ferdinand-Schultz-Straße/Amtstrasse für die Geldsumme von 23500 Mark – einschließlich Inventar – in den Besitz der Stadt Schwerin überging, da diese die Turnhalle zur Benutzung durch die städtischen Schulen benötigte, verfügte der Verein über ein ausreichendes Kapital, um den Bau der neuen Halle realisieren zu können.

Schon im November 1905 konnte die neue Halle eingeweiht werden. Die Feierlichkeiten dazu fanden vom 25. bis 26.November statt. Dazu heißt es in der Festschrift des Vereins 1909: „ … So fand denn unter großer Beteiligung der Mitglieder und auswärtiger Turner sowie hiesiger Gäste am 25.-26.November die Einweihung der neuen Turnhalle statt. Am 25. vereinigte man sich zu einem Herrenabend mit Festspiel, turnerischen und sonstigen Vorträgen in den Räumen der Tonhalle. Am nächsten Tage versammelten sich die Turner zum letzten Male in der alten Halle. Mit herzlichen Worten gedachte der erste Turnwart Herr Robert Müller der Jahre, welche dieselbe dem Verein eine liebe Heimstätte gewesen; aus den kleinsten Anfängen habe sie ihn wachsen sehen zu seiner jetzigen Größe.

Er sprach die Hoffnung aus, daß sie auch fernerhin in erneuter Gestalt dem Turnen der deutschen Jugend dienen möge und schloß mit einem mit großer Begeisterung aufgenommenen Gut Heil auf das deutsche Turnen seine eindrucksvolle Rede. Mit Musik an der Spitze zog darauf der Verein, etwa 400 Mann, zur neuen Halle. Ein Mitglied der Baukommission übergab dem Vorsitzenden den Schlüssel zur Haupttür; dann erfolgte der Einmarsch. Nachdem die Turner sich umgekleidet und im Halbkreis Aufstellung genommen, hielt nach einem Vortrag der Gesangsriege der zweite Vorsitzende Herr Professor Metzmacher die Weiherede, in welcher er zum Schluß die Halle dem Verein übergab mit dem Wunsche, daß sie für alle Zeiten sein und bleiben möge:

`Eine Heimstätte dem Männer-Turnverein, eine Übungsstätte der deutschen Turnkunst, eine Pflegestätte echt vaterländischer Gesinnung.` Jetzt fand nach kurzem Aufmarsch ein Schauturnen mit Freiübungen, Riegen- und Kürturnen statt. Ein gemeinsames Lied beschloß die schöne Feier, welcher Mitglieder des Magistrats und der Bürgervertretung, eine größere Anzahl der Offiziere der Garnison, Vertreter der Gauvereine und zahlreiche Mitglieder des Vereins beiwohnten …“
Große Verdienste bei der Realisierung des Baus der neuen Halle erwarb sich insbesondere der erste Vereinsvorsitzende Benno Peters, der dem Vorstand des Vereines bis 1905 bereits 27 Jahre (!) angehörte.

Doch auch die turnbegeisterten Schweriner Frauen und Mädchen gelangten in jenen Jahren zu ihrem „Recht“. Im Jahr 1906 wurde die Abteilung Damenturnen im „Männer“-Turn-Verein eingeführt und mit Herrn Scharfenberg fand der Verein auch einen kompetenten Turnlehrer für die neue Abteilung.

Ansprechende sportliche Erfolge konnte der Turn-Verein Anfang des 20.Jahrhunderts ebenfalls aufweisen. So errang der Schweriner Turner beim 1906 in Itzehoe organisierten Kreisturnfest mit 54 Punkten einen beachtlichen 16.Platz und beim XI.Deutschen Turnfest 1908 in Frankfurt/main demonstrierten 20 Schweriner Turner ihr beachtliches Können.

Selbst der Großherzog fand lobende Worte für die Schweriner Turner. Dazu berichtet der Vereins-Chronist Karl Priegnitz: „ … Zu Ehren des Besuches Sr. Kgl. Hoheit des Großherzogs am 4.März 1906 wurde von beiden Männerabteilungen und der Jugendabteilung ein Schauturnen veranstaltet. Eisenstabübungen, Riegen- und Kürturnen gaben dem Landesherrn ein Bild von den Zielen und Bestrebungen des Vereins und mit anerkennenden Worten sprach sich Hochderselbe zum leitenden Turnwart Herrn Rob. Müller über die vorzüglichen Leistungen der Turner aus …“

Daß der Schweriner Turn-Verein auch den ersten Weltkrieg und die gewaltigen gesellschaftlichen Veränderungen  der Jahre 1918/19 relativ gut überstand, daß der Männer-Turnverein von 1859 zu den 13 Schweriner Vereinen gehörte, die sich im Juni 1919 zu einem Verband Schweriner Vereine für Leibesübungen zusammenschlossen.  Im gleichen Jahr half der Turn-Verein auch bei der Schaffung von Kinderspielplätzen und Sportanlagen in Schwerin.

Insgesamt betrachtet verlief die Entwicklung des Schweriner Männer-Turn-Vereins bis 1928 sehr positiv. So geht aus einem Schreiben des Vereins an den Magistrat Schwerin vom 1.Dezember 1924 hervor, daß dem Männer-Turn-Verein im Jahr 1924 über 600 Mitglieder (!) angehörten und neben dem Geräte-Turnen der Verein seinen Mitgliedern insbesondere auch die Sportarten Leichtathletik, Fußball oder Handball anbieten konnte.
Auch vier Jahre später – 1928 – war der Schweriner Männer-Turn-Verein noch unter den größten Vereinen der Stadt innerhalb des mittlerweile gegründeten Verbandes Schweriner Sport- und Turnvereine zu finden; seine Mitgliederzahl hatte sich bei 600 Mitgliedern stabilisiert.

Im Jahr 1929/30 erhielt der Schweriner Männer-Turn-Verein von den 5000 Reichsmark, die der Magistrat Schwerin für die Förderung des Turn-und Sportwesens in der Stadt den Vereinen zur Verfügung stellte, ein Zehntel. Mehr Geld bekamen in diesem Zeitraum lediglich der Verein für Leibesübungen (800,- RM), der die Turnhalle des Männer-Turn-Vereines mit nutzte, der Schweriner Fußball-Club von 1903 (925,- RM) und die Freie Turnerschaft Schwerin (925,- RM).
Der Männer-Turn-Verein von 1859 blieb auch nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 bis zum Kriegsende 1945 ein eigenständiger Verein.
Über die Trainings- bzw. Übungsmöglichkeiten des Männer-Turn-Vereines nach 1933 gibt ein Schreiben der Vereinsführung des MTV an das Stadtamt für Leibesübungen in Schwerin vom 13.Mai 1935 Auskunft: „ … Mein Verein (der MTV – Anm.d.V.) besitzt die Turnhalle Lübecker Str. 30 A mit daranliegendem kleinen Platz, sowie den Friesenplatz an der Friedrich-Franz-Str. mit 2 Fußballfeldern und 5 Tennisplätzen. An Turn- und Sportgeräten besitzen wir die für einen mittleren Turnverein nötigen …“

Turnerisch aktiv blieb der MTV  auch während der Kriegsjahre: So traten Turnerinnen des Sportgaues Mecklenburg, zu dem auch der Turn-Verein von 1859 gehörte, während einer Veranstaltung zum Thema „Wenn des Tages Last getragen …“, in welcher ein Querschnitt über das neuzeitliche Frauenturnen gezeigt wurde, am 29.März 1943 in der Turnhalle des MTV auf.
Des weiteren organisierte der Männer-Turn-Verein gemeinsam mit dem Sportgau Mecklenburg eine Feierstunde mit einem entsprechenden Turn-Programm am 2.Mai 1943. Dazu heißt es in einem Schreiben des Sportgauführers an den damaligen Oberbürgermeister in Schwerin R.Crull:

„ … Am 2.Mai 1943 begeht der Deutsche Sport zur Erinnerung der 10jährigen Wiederkehr des Tages, an dem der verstorbene Reichssportführer von Tschammer und Osten die Führung des Deutschen Sports im dritten Reich übernahm, auf Anordnung der Reichsführung des NSRL den Tschammer-Gedenktag. Ausser den sportlichen Veranstaltungen findet am Sonntag, dem 2.Mai 1943, in der Turnhalle des Männerturnvereins, Moltkestrasse 46, in der Zeit von 11 bis 12.30 Uhr eine Feierstunde statt. Der Sportgau Mecklenburg erlaubt sich, Sie zu dieser Feierstunde einzuladen …“
Seit 1934 gehörte der Männer-Turn-Verein von 1859 dem Reichsbund für Leibesübungen/Ortsgruppe Schwerin an – bis zur dessen offizieller Auflösung 1945.

M.Michels

> Medaillenspiegel der Turn-WM von 1903 in Antwerpen bis 2007 in Stuttgart

Nation – Gold-Silber-Bronze

01. Russland: 138-112-83

02. China: 54-34-29

03. Rumänien: 44-41-39

04. Tschechien/Tschechoslowakei: 39-38-30

05. Japan: 32-39-49

06. USA: 29-27-16

07. Frankreich: 24-28-21

08. Deutschland: 24-23-40

09. Schweiz: 19-15-14

10. Jugoslawien: 17-11-9

F.: 1.-4.: Impressionen der Turn-WM 2007 in Stuttgart. mm / 5.Turnhalle des MTV, heute Sitz des Stadtsportbundes und des VfL in Schwerin. mm