Der lange Weg zur Kinder- und Jugendbeteiligung in Stralsund

Ein Schiff geistert seit 2008 vor Stralsunds Küste herum und kommt nicht in den Hafen: Das Kinder- und Jugendbeteiligungsschiff, bildlich gesprochen.

Beteiligung hat ja viele Gesichter, vor allem viele lange. Klar gibt es da einiges zu klären, bis sich eine Kommune auf solch ein experimentelles, bürgerschaftliches Terrain wagen kann wie etwa die Mitbestimmung von Nur-bedingt-Bürgern. Gemeint sind die Kinder und Jugendlichen in unserem Land. Bürger sind per Definition grundrechtsberechtigt – Kinder sind das nur bedingt. Das ist juristisch nicht so ganz einfach, sonst wäre die UN-Kinderrechtskonvention seit 20 Jahren auch in Deutschland ratifiziert und die Kinderrechte fänden ihren Niederschlag in kommunalen Haushalten. An gutem Willen Kinder und Jugendliche zu unterstützen fehlt es ja nicht in unserem Land und in der Stadt am Sund.

Beweis gefällig: Was macht eine altehrwürdige Hansestadt wie Stralsund, wenn ihr für eine gute Sache die Taler zu fehlen scheinen? Richtig – sie besinnt sich auf ihre großartige bürgerschaftliche Tradition und lässt bei den Ratsherren und -damen den Klingelbeutel herumgehen, wieder bildlich gesprochen.

So geschehen am 20. April2010 in der Stralsunder Bürgerschaft, als Eckehard Nitschke, der Ausschussvorsitzende für Finanzen und Vergabe, mit seinem Vorschlag die Fraktionen zur Zustimmung einer Spendenaktion in den eigenen Reihen bewegen konnte. 25 Euro soll nun jedes Fraktionsmitglied von seinen Sitzungsgeldern für Beteiligung der Kinder und Jugendlichen an Entscheidungen der Stadtpolitik springen lassen. Wahrlich eine gute Sache, eine Herzensangelegenheit mit Griff in den eigenen Geldbeutel, sozusagen. Großartig bürgerschaftlich!

Leider denken so nicht alle. Schon äußern sich erste Stimmen und verweigern die Privatbezahlbeteiligung. Muss dass auch immer Geld kosten! Rechnen wir mal: 43 Mandate in der Bürgerschaft á 25 Euro; drei Spielverderber kann man sich da leisten, danach wird es eng.

Etwa 1.000 Euro werden gebraucht, um geeignete Maßnahmen der Kinder- und Jugendbeteiligung auf einem professionellen Niveau zu organisieren und wahr werden zu lassen. Immerhin komme es auf einen Prozess der Beteiligung an, an dem Kinder verschiedenen Alters teilnehmen. Das müsse man vorbereiten, auf beiden Seiten, sagt Friedhelm Heibrock vom Landesjugendring Mecklenburg-Vorpommern. „‚Kommt mal her, Kinnnerchens, und hört mal zu, was die Onkels und Tanten euch zu sagen haben’, wäre billiger. Hat aber auch nichts mit Beteiligung zu tun.“

So sieht es auch Jochen Meyer, der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses der Hansestadt, und macht den Moderatoren der Beteiligungswerkstatt des Landesjugendrings Mut: „Dennoch sollten wir optimistisch sein und unbedingt ‚dranbleiben’!“

Sehen wir auch so. Unbedingt dranbleiben, liebe Mitglieder der Stralsunder Bürgerschaft. Vielleicht finden sich die 1000 Euro ja doch noch im Stadthaushalt, ansonsten sind Spenden für gelebte Demokratie mit Bildungseffekt bei Kindern, Jugendlichen und Kommunalpolitik ein einfach großartiger Anker. Dann legt das Schiff „Kinder- und Jugendbeteiligung“ zumindest schon mal vor Stralsund auf Reede.