Der Häftlingsfreikauf aus der DDR 1962/63-1989

Zwischen Menschenhandel und humanitären Aktionen

Nachdenkliche Veranstaltungen zur DDR-Geschichte gibt es im August und im Herbst im Grenzhus Schlagsdorf. M.M.

Es war ein innerdeutsches Tauschgeschäft Mensch gegen Ware, das parallel zur Existenz von Mauer und Grenzregime praktiziert wurde. Von 1963 bis 1989 kaufte die Bundesregierung über 33.000 politische Häftlinge aus DDR-Gefängnissen frei, im Gegenzug erhielt das SED-Regime Waren im Wert von rund drei Milliarden DM.

Als bevollmächtigte Vermittler verhandelten die Berliner Rechtsanwälte Jürgen Stange (West) und Wolfgang Vogel (Ost) unter strikter Geheimhaltung über die Namen und jeweiligen Gegenleistungen. Jan Philipp Wölbern legt die erste quellenfundierte Gesamtdarstellung zur Geschichte des Häftlingsfreikaufs vor, die in wesentlichen Teilen auf die Aktenüberlieferung beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen zurückgreift.

Im Kontext der deutsch-deutschen Beziehungen untersucht die Studie Entstehungsgeschichte, Entwicklung und Folgewirkungen des Häftlingsfreikaufs. Sie zeigt, dass er für beide Seiten eine Gratwanderung darstellte.

Für den Westen, da er zwar unschuldig Inhaftierten zur Freiheit verhalf, die Gegenleistungen jedoch das SED-Regime stabilisierten. Noch größer waren die Widersprüche seitens der DDR: Einerseits wurden die Waren bzw. Devisen für Wirtschaft und Schuldendienst verwendet, doch demoralisierte der Freikauf die Mitarbeiter des Repressionsapparates, eröffnete Ausreisewilligen ein Schlupfloch in der Mauer und beschädigte das internationale Ansehen der DDR.

Jan Philipp Wölbern wurde am 5.11.1980 in Marburg geboren. Dr. Wölbern studierte Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Marburg, danach Geschichte, Wissenschaftliche Politik und Englisch an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau.

Mit der Arbeit zum Häftlingsfreikauf promovierte Jan Philipp Wölbern 2013 am Zentrum für zeithistorische Forschung in Potsdam.

Kommende Veranstaltungen im Grenzhus Schlagsdorf im Überblick 

Sonnabend, 11. August 2018, 16.00 Uhr

Grenzhus Schlagsdorf

Der Häftlingsfreikauf aus der DDR 1962/63-1989

Zwischen Menschenhandel und humanitären Aktionen

Filmreihe im Grenzhus Schlagsdorf 2018 / Eine Kooperation von Grenzhus Schlagsdorf, Politische Memoriale und dem Filmbüro MV

Montag, 13. August 2018, 19:00 Uhr

SCHRANKEN, Dokumentarfilm, Regie: Gerd Kroske, D 2009, 95 min

In den 80-iger Jahren: Neue Grenzschranken wurden in der DDR gebraucht. Die Fluchtversuche mit Autos Richtung Westen nahmen zu. Metallarbeiter und Staatssicherheit arbeiteten Hand in Hand für die Verteidigung gegen den „Terrorismus“, um Fluchten zu verhindern. In konspirativer Feierabendarbeit tüftelten sie an neuen Schranken.

Crashtests für die Terrorabwehr, Karambolagen für den Ernstfall. Autos rasten dort in die neuen Sperren und hinterließen Totalschäden. Die Schranken wurden ab Mitte der 80-iger Jahre an allen Grenzübergangsstellen eingebaut. SCHRANKEN erzählt von der Motivation der Beteiligten, von tragisch endenden Fluchten und gibt Einblicke in die deutsche Ingenieurs-Kunst und den Militärgeist. Archäologie DDR pur.

Im Anschluß an die Filmvorführung laden wir zum Gespräch mit dem Regisseur Gerd Kroske ein.

Donnerstag, 6. September 2018, 19:00 Uhr

VATERLANDSVERRÄTER, Dokumentarfilm, Regie: Annekatrin Hendel, D 2011, 97 min

Der größte Feind im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant. Diesen Spruch seiner Mutter hatte der Schriftsteller Paul Gratzik, aus einfachen Verhältnissen in den 70-iger Jahren zu einem gefeierten Vertreter der DDR-Literaturszene emporgestiegen, immer im Ohr. Trotzdem war er 20 Jahre lang Inoffizieller Mitarbeiter des DDR-Staatssicherheitsdienstes, schrieb Berichte über Freunde und Förderer wie Heiner Müller, Steffie Spira und Ernstgeorg Hering.

Anfang der 80-iger stieg Gratzik aus, enttarnte sich selbst und wurde seinerseits zum Objekt der Stasi-Beobachtung. VATERLANDSVERRÄTER ist das filmische Porträt eines vom Kommunismus überzeugten Mannes „mit lautem Wesen“, dessen Leben ein Zickzack zwischen den Extremen war. Eine Geschichte, wie sie so, mehr als 20 Jahre nach dem Ende der DDR, noch nicht erzählt worden ist.

Im Anschluß an die Filmvorführung laden wir zum Gespräch mit der Regisseurin Annekatrin Hendel ein.

Freitag, 9. November 2018, 18:00 Uhr

Vortrag und Gespräch

Die politische Vorstellungswelt der DDR-Opposition 1989 – mehr Sozialismus, Neutralismus, himmlische Gerechtigkeit Dr. Klaus Bästlein, Historiker und Jurist, BAB Berlin

im Anschluß Filmvorführung

KOMM IN DEN GARTEN Dokumentarfilm, Regie: Heinz Brinkmann, D 1990, 93 min

Die Geschichte dreier Freunde in Berlin-Prenzlauer Berg zur Wende. Dieter, der Maler, verbrachte wegen „Arbeitsscheu“ zehn Jahre in Gefängnissen. Alfred, inzwischen zum stellvertretenden Chefredakteur avanciert, geriet durch die Zwickmühle von Aufbegehren und Alkoholismus in Gefängnisse und Psychiatrien. Michael, der in Moskau Außenwirtschaft studiert hatte, wurde aus der Akademie gefeuert und lebt heute vom Lampenbasteln. 40 Jahre DDR-Geschichte im Spiegel dreier Einzelschicksale.

Der Film deckt ihre Lebensgeschichten auf und eröffnet dem Zuschauer, wie in der DDR aus etablierten Intellektuellen verarmte Lebenskünstler werden konnten. Ausgegrenzt im System zeigt das Portrait der drei Unangepassten auch das Scheitern des Sozialismus in der DDR.

Dienstag, 4. Dezember 2018, 19:00 Uhr

NUR DER POLE BRINGT DIE KOHLE Dokumentarfilm, Regie: Markus Stein, D 2014, 85 min

Der Film zeigt wie deutsch-polnische Verhältnisse auf den Kopf gestellt werden. Die fast ausgestorbenen Dörfer der ostdeutschen Provinz werden für polnische Familien attraktiv, sie erobern die einsamen Weiten in ihrem Westen. Die deutschen Bewohner verharren, sie sind viel schneller in der nächsten polnischen Großstadt als in Greifswald, Berlin oder Neubrandenburg, und sie richten sich mit den neuen Nachbarn ein.

Eine skurrile Milieustudie über günstiges Land, typische Polen, typische Deutsche, über das fremde und das neue Europa. Ein wahres Versuchslabor für das Miteinander, für Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung, so spannend, wie nur das Leben ist.

Im Anschluß an die Filmvorführung laden wir zum Gespräch mit dem Regisseur Markus Stein ein.

Veranstaltungsort:

GRENZHUS, Neubauernweg 1, Schlagsdorf, Telefon: (038875) 20326

Pressemitteilung Politische Memoriale e.V. Schwerin / Grenzhus Schlagsdorf