Der Fußballsport im Blickfeld – Interview mit Joachim Masuch

Hansa Rostock abgestiegen / Fußball-WM ohne Michael Ballack

Fußball ist ja eigentlich die schönste Nebensache der Welt. Eigentlich. Doch nach den Hiobsbotschaften aus dem DFB-Lager – der „Capitano“ nicht dabei, die Nr. 1 im Tor auch nicht – und dem Hansa-Abstieg haben sich die „nebensächlichen Schönheiten mit dem Ball am Fuße“ nicht nur etwas verdunkelt. Dürfte die Stimmung bei der Fußball-WM 2010 ohnehin nicht an die bei den WM vor vier Jahren heranreichen, so ist fußballmäßig an der Ostseeküste – zumindest in Sachen Bundesliga – „Land unter“.

Doch wie sieht der Präsident des Landesfußballverbandes Joachim Masuch die Situation kurz vor den WM

Frage: Das Unvorstellbare ist doch eingetreten. Der FC Hansa Rostock muss in die 3.Liga absteigen. Der Hansa-Kogge steht damit eine „Generalüberholung“ bevor – Ausgang ungewiss. Finanzielle Zuwendungen werden gekürzt, einige Spieler werden den Verein verlassen, Angestellte des Klubs werden wohl ihren Job verlieren. Wie beurteilen Sie die Zukunft des FC Hansa Rostock?

Joachim MasuchJoachim Masuch: Leider hatten uns die Spieler der Lizenzmannschft des FC Hansa Rostock bereits seit der Heimniederlage gegen den FSV Frankfurt auf den bevorstehenden Abstieg „vorbereitet“.

Dieser Abstieg ist nach ununterbrochener Zugehörigkeit zur 1. oder 2. Liga seit Vereinsgründung im Dezember 1965 jedoch aus meiner Sicht nunmehr mit der Sanierung eines Unternehmens vergleichbar und auch dringend erforderlich! Leider ist es im bezahlten Fußball immer so, dass die eigentlich den Abstieg nicht verhinderten Profis nunmehr überwiegend bei einem neuen Arbeitgeber ihr Glück versuchen werden; die Mitarbeiter im Verein dürften jedoch am meistens von den erforderlichen Sanierungsmassnahmen betroffen sein.

Insofern kann ich dem künftigen Vorstand des FC Hansa Rostock nur empfehlen, nach gründlicher Analyse für den Vereinsabsturz  aus der ersten Bundesliga bis in die 3. Liga einen stringenten Sanierungskurs einzuleiten und durchzusetzen! Nur auf dieser Grundlage können wir eine Rückkehr in die 2. Bundesliga anstreben.

Frage: Sehr viel Anerkennung erwarb sich der FC Hansa Rostock mit der Förderung und Ausbildung des Fußball-Nachwuchses. Kann diese Förderung – bei drohender Kürzung finanzieller Mittel – auch nach dem Abstieg aufrechterhalten werden?

FußballnachwuchsJoachim Masuch: Es ist zutreffend, dass in den zurückliegenden Jahren über die Nachwuchsakademie des FC Hansa Rostock eine überaus erfolgreiche Arbeit mit dem Hervorbringen von DFB-Auswahlspielern geleistet wurde. Derzeit stehen zum Beispiel die A-Junioren auf dem ersten Platz der Junioren-Bundesliga der Nordstaffel und haben eine gute Ausgangsposition zum Einzug in die Halbfinalspiele um die A-Juniorenmeisterschaft des DFB!

Da dem FC Hansa Rostock – bei den von mir eingangs erwähnten Sanierungserfordernissen – durch den Abstieg der ersten Mannschaft künftig weitaus weniger Finanzmittel zur Verfügung stehen werden, als beispielsweise noch in dieser Spielzeit, ist aus meiner Sicht auch mit einem geringeren Etat für den Nachwuchsbereich zu rechnen. Dieses ist sehr bedauerlich und kann hoffentlich durch zusätzliches ehrenamtliches Engagement kompensiert werden.

Frage:
Ein Problem sind die „Chaoten“, deren Verhalten dazu beitrug, dass Hansa das Hinspiel gegen Ingolstadt ohne Unterstützung von den Rängen absolvieren musste. Die Politik sieht die Verantwortung beim Verein. Wie ist hier Ihre Meinung?

Joachim Masuch: Ich stehe bei diesem Thema uneingeschränkt auf der Position unseres Innen- und Sportministers Lorenz Caffier.
Zurückliegend hat sich der Verein FC Hansa Rostock nicht mit einer Stimme und gleicher Intention zu seinem Fanpotenzial artikuliert. Im Besonderen ist hier die Tätigkeit des Vorstandes und Aufsichtsrates im Zusammenhang mit einer klaren Positionierung zum Umgang mit gewaltbereiten Zuschauern zu hinterfragen!

Es ist nicht hinnehmbar, dass eine überschaubare Gruppe von Chaoten und gewaltbereiten Personen Fußballspiele benutzt, um sich zum Teil selbst zu inszenieren und nicht zuletzt mit Vorsatz die öffentliche Ordnung gefährdet und Gewalttaten verübt. Der eingetretene Image-Schaden für den Verein, aber auch die Stadt Rostock, ist belegbar und nicht wieder gutzumachen.

Frage: Wie ist Ihre Meinung zur fußballsportlichen Perspektive einzelner Vereine in M-V. Muß man sich damit abfinden, dass hierzulande ganz einfach die Finanz- und Wirtschaftskraft fehlt, um dauerhaft schlagkräftige Fußball-Vereine aufbauen zu können?

Fussball-WM in Berlin - DDR gegen ChileJoachim Masuch:
Bezogen auf die Anzahl Fußball spielender Mannschaften im Gebiet des Landesfußballverbandes Mecklenburg-Vorpommern e.V. und auf unser regionales Wirtschaftsumfeld war es zurückliegend einem Wunder gleichzusetzen, hier den Bewohnern Bundesliga-Fußball über 19 Jahre bieten zu können.

Ich meine auch, dass der Abstieg sowohl aus der 1. Bundesliga und nun aus der 2. Bundesliga  vermeidbar waren, wenn die handelnden Personen – mit mehr fachlicher und betriebswirtschaftlicher Kompetenz ausgestattet – notwendige Entscheidungen auch zur richtigen Zeit getroffen hätten.

Wir werden künftig fußballsportlich mit unserem Bundesland wieder in die 2. Bundesliga zurückkehren, wenn sich hier – vergleichsweise mit dem „übersichtlichen“ Freiburg – alle für eine kontinuierliche Vereins- und Sport-Führung einbringen wollen. Nach dem FC Hansa Rostock sehe ich derzeit keinen Verein aus unserem Verbandsgebiet, der sich für höhere sportliche Ziele in Richtung der 3. Liga oder gar 2. Bundesliga qualifizieren könnte!

Frage:
„Ein anderer Bauplatz“ ist zurzeit die deutsche Nationalmannschaft – ohne Kapitän Michael Ballack, ohne Torwart Rene Adler und auch ohne Kevin Kuranyi. Was überwiegt – in Richtung WM in Südafrika – bei Ihnen: der Optimismus oder doch die Skepsis? Der angestrebte WM-Titel dürfte schwerlich zu verwirklichen sein – oder?

Joachim Masuch: Bei mir überwiegend zunächst die Vorfreude auf das erste Weltturnier in Afrika – gleichzeitig aber auch eine gewisse Skepsis, was die Leistungsfähigkeit unserer Fußball-WM-MaskottchenAuswahl betrifft.

Ich bin überzeugt, dass trotz des verletzungsbedingten Fehlens von Rene Adler, aber besonders von Michael Ballack die DFB-Auswahl die Vorrunde der WM ab 11.07.2010 ohne Probleme überstehen wird.
Dieses ebenfalls deshalb, weil sich hierdurch eine Chance für Spieler ergibt, die bisher als Anschlußspieler galten und nun zeigen können, dass sie zu mehr fähig sind!
Mit besonderem Augenmerk werde ich die Entwicklung von Toni Kroos, des gebürtigen Greifswalders, bei dieser WM verfolgen.

Auch wenn sich unsere Mannschaft bei Weltmeisterschaften oftmals als Turnier-Mannschaft mit hohem Teamgeist  hervorgetan hat, denke ich, dass das Erreichen des Viertelfinalspieles bereits ein Erfolg in Südafrika sein könnte.

Dann – trotz des Hansa-Abstieges – weiterhin Optimismus und viel Schaffenskraft für die weiteren fußballsportlichen Herausforderungen!

Das Interview führte Marko Michels

Fotos:

1.Joachim Masuch, der Präsident des Landesfußballverbandes M-V (J.Masuch/privat)

2.Bei Hansa muß künftig der Nachwuchs ran ! Michels

3.Bundesarchiv
Bild: 183-N0619-0340
Fotograf: Rainer Mittelstädt (18.Juni 1974)
ADN-ZB Mittelstädt 19.6.74 Westberlin: X. Fußball-Weltmeisterschaft-1. Finalrunde, Gruppe 1: DDR – Chile 1:1 am 18.6.74
Die DDR-Nationalmannschaft vor dem Spielbeginn. Von links nach rechts: Martin Hoffmann, Konrad Weise, Joachim Streich, Siegmar Wätzlich, Wolfgang Seguin, Gerd Kische, Eberhard Vogel, Harald Irmscher, Jürgen Sparwasser, Torwart Jürgen Croy und Mannschaftskapitän Bernd Bransch. / … Ein Achim Streich oder ein Gerd Kische fehlte dem FC Hansa Rostock in dieser Saison !

4.Fußball-WM-Maskottchen in Südafrika