Der Entwurf eines neuen Schulgesetzes: Stückwerk mit Mängeln

Der CDU Bildungsminister hat den Entwurf eines neuen Schulgesetzes ins parlamentarische Verfahren eingebracht und inzwischen in einigen Eckpfeilern auch der Öffentlichkeit vorgestellt, ohne allerdings den Gesetzestext als solchen der Öffentlichkeit preiszugeben. Details bleiben damit noch offen, doch schon das bisher Bekannte erfüllt weniger mit Freude als mit  Sorge.

Mehr Selbstständigkeit für Schulen bietet natürlich die Chance für mehr Eigenverantwortlichkeit und mehr Innovation. Der damit verbundene Wettbewerb ist politisch so gewollt, darf aber derart unbegrenzt nicht sein; denn wo Wettbewerb ist, gibt es auch Verlierer, und Leidtragende sind dann die SchülerInnen und LehrerInnen: Bildungsverlierer darf es aber in einem auf faire Bildungschancen ausgerichteten Staat nicht geben.

Höhere Unterrichtsqualität und bessere individuelle Förderung der SchülerInnen sind wichtig. Die selbstständige Schule ist hierfür aber kein Garant, sondern nur hoch motivierte und gut ausgebildete Lehrkräfte und gute staatliche Rahmenbedingungen. Hierzu bleibt der Minister aber Antworten schuldig. Das Konzept der selbstständigen Schule erweckt den Anschein, dass man die Verantwortung auf die Schulen abschieben möchte, die eigentlich nur eine Mangelwirtschaft verwalten können.

Auch hätte es doch nahegelegen, den Bericht der vom Ministerium selbst eingerichteten Bildungskommission abzuwarten, der in wenigen Wochen erwartet wird. Die plötzliche Eile überrascht, oder erwartet man da unliebsame Wahrheiten? Dieser Stil ist eine Missachtung der Arbeit der Expertengruppe, die ja vor allem durch die CDU gewollt war, sie startete als Löwe und endet nun durch den Minister als Papiertiger.
Das Gesetz soll offenbar auch eine Ermächtigung zur Verabschiedung einer schulinternen Stundentafel erhalten. Diese Variabilität bietet zwar die Chance, das Schulprofil zu stärken, läuft aber Gefahr, die Durchlässigkeit zwischen den Schulen zu gefährden. Wehe dem, der umzieht und für sein Kind am neuen Wohnort eine Schule sucht. Er wird kaum noch eine vergleichbare finden, Anpassungsschwierigkeiten und Klassenwiederholungen drohen.

Weiter ist vorgesehen, dass (nur) solche Schüler, die das Gymnasium vor dem Abitur verlassen und die mittlere Reife anstreben, sich einer gesonderten Prüfung unterziehen sollen. Was liberal klingt, dürfte zu  erheblichen organisatorischen Problemen führen, weil viele SchülerInnen ihre weitere Entwicklung eben nicht bereits in der Klasse 10 vorhersehen können. Besser wäre es, die bisherigen Regelungen zu belassen. Alle Schüler müssen sich am Ende der Klasse 10 einer Prüfung unterziehen. Der erfolgreiche Übergang in die Klasse 11 muss im gymnasialen Bildungsgang wie bisher der Mittleren Reife gleichgestellt bleiben.

Auch die Einführung der schülerbezogenen Stundenzuweisung muss man genauer beleuchten. Einerseits führt sie zu größerer Differenzierung, im aktuellen demographischen Kontext wird sie aber zu Einsparungen führen und damit zu einem Wegfall von weiteren LehrerInnenstellen. Ein Schritt zu Einsparungen  ist bereits zum kommenden Schuljahr still und heimlich vollzogen worden. Die zugewiesenen Lehrerstunden für den „Schulpool“ wurden um 50% gekürzt. Das ist bedauerlich, denn dieser Stundenpool ist eine wesentliche Quelle  von Innovation an Schulen. Die schülerbezogene Stundenzuweisung droht damit zu einer Mogelpackung zu werden.

Vor allem aber fehlt dem Gesetz insgesamt eine soziale Komponente. Die Feststellungen der Pisaexperten, dass kaum irgendwo sonst in Europa die soziale Herkunft so stark über den schulischen Erfolg entscheidet wie in Deutschland, darf uns nicht ruhen lassen. In anderen Ländern wie Finnland hat sich insofern das längere gemeinsame Lernen mit individueller und gruppenbezogener Förderung bewährt. Wir brauchen eine besondere Förderung von Schulen in sozialen Brennpunkten und die Unterstützung von leistungsschwachen und leistungsmotivierten SchülerInnen, und zwar nicht als ein nur mögliches Ergebnis einer selbstständigen Schule, sondern als Standard einer ihren Kindern verantwortlichen Gesellschaft.

Von Robert Northoff, Landesvorsitzender der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft für Bildung (AfB) Mecklenburg – Vorpommern, Hochschullehrer für Kinder- und Jugendhilferecht in Neubrandenburg