Der Countdown läuft: Die Landtagswahl 2016 in M-V

Politische Landschaft auch im deutschen Nordosten in Bewegung

Rund drei Wochen nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt Mitte März 2016 ist die „politische Schock“ der vermeintlichen Volksparteien zwar immer noch da, aber inzwischen ist auch der politische Alltag eingetreten, der „nüchterne Blick“ auf das unvermeidlich politisch Kommende.

Die „Ein-Mann-Partei“ im Südwesten der Republik, also der alte und wahrscheinlich neue Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein politischer Anhang nebst CDU, werden in den kommenden Wochen die wahrscheinlich erste grün-schwarze Koalition schmieden, nachdem es bereits in Hessen eine erfolgreiche schwarz-grüne Koalition gibt (und zuvor in Hamburg 2008-2010 die erste schwarz-grüne Koalition gab).

Malu Dreyer mit Dreier-Bündnis?!

In Rheinland-Pfalz dürfte die Last-Minute-Siegerin und bisherige Amtsinhaberin Malu Dreyer eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hinbekommen. Das alte CDU-Stammland Rheinland-Pfalz, zwischen 1946 und 1991 maßgeblich von der CDU regiert, hat sich seit dem Wahlsieg von Rudolf Scharping 1991 mittlerweile zu einem SPD-Stammland entwickelt.

Und in Sachsen-Anhalt ist der bisherige Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zuversichtlich, eine Koalition aus CDU, SPD und Grünen zu zimmern.

M-V bewegt sich doch

In fünf Monaten wird auch in Mecklenburg-Vorpommern gewählt (am 4.September) und auch hier scheint die politische Landschaft in Bewegung zu sein. Die Zeiten des festen Drei-Parteien-Systems aus SPD, CDU und Linkspartei sind anscheinend endgültig vorbei. Die letzte Meinungsumfrage zur politischen Stimmung im Land durch das Meinungsforschungsinstitut INSA Mitte Februar ergab ein überraschendes „politisches Bild“.

CDU führend?!

Nicht mehr die SPD führt, nein, die CDU ist inzwischen in der vermeintlichen Wählergunst die Nummer eins. So führt die CDU mit 29 Prozent deutlich vor der SPD mit 22 Prozent und der Linkspartei mit 19 Prozent. Die AfD ist ebenfalls stark, kommt auf 16 Prozent. Und auch Bündnis`90/Die Grünen (5 Prozent), die FDP (4 Prozent) und die NPD (4 Prozent) haben Chancen auf den erneuten oder Wieder-Einzug in den Landtag M-V.

Keine Volksparteien – auch in M-V – mehr?!

Bemerkenswert: Keine Partei erreicht zumindest ein Drittel der vermeintlichen „Wählerstimmen“. Bei CDU und SPD da noch von „Volks“parteien zu sprechen, wäre – freundlich formuliert – schon vermessen. Allein, wenn man daran denkt, was für finanzielle, materielle und auch personelle Ressourcen CDU und SPD hätten, Wählerinnen und Wähler argumentativ zu überzeugen.

Leider ist es so, dass die Kommunikations- und Argumentationsfähigkeit von SPD und CDU extrem unterentwickelt ist, politische Botschaften nicht formuliert und politisches Handeln nicht hinreichend begründet werden. Die Anziehungskraft des derzeitig politischen Führungspersonals ist eher dürftig. Die Spitzenkandidaten sind alles andere als „sexy“. Kein Patriarch a la Helmut Kohl, kein Platt-Snacker a la Harald Ringstorff, kein Basta-Alpha-Tier a la Gerhard Schröder.

M-V wirkt (politisch) öde, geschönte Statistiken zum Arbeitsmarkt, zur sozialen Situation oder zu angeblichen politischen Erfolgen reichen da nicht. Was nützt ein Mindestlohn, wenn es immer mehr eng befristete Arbeitsverträge zu wöchentlichen 20, 25, maximal 30 Arbeitsstunden gibt, dann aber dennoch von der jeweiligen Arbeitnehmerin und vom jeweiligen Arbeitnehmer unvergütete Überstunden absolviert werden müssen.

Wo ist der Fachkräftemangel?!

Ähnlich ist es mit dem „Märchen“ vom „allgemeinen Fachkräftemangel“. Ein Mangel an Arbeitskräften besteht, aber in ganz speziellen Arbeitsbereichen, die keine gute berufliche Zukunft verheißen oder schlecht bezahlt sind, so im Pflege- und Erziehungsbereich, in handwerklichen Berufen, im Dienstleistungsbereich  oder im Agrarwesen. Viele der heute noch bestehenden Berufsrichtungen wird es in 20, ja 50 Jahren – aufgrund der digitalen Revolution – aber kaum noch geben. Das spielt in der öffentlichen Diskussion jedoch keine Rolle.

Informatiker, Software-Entwickler, Programmierer, Maschinenbau-Ingenieure, hoch spezialisierte Naturwissenschaftler, wie Bio-Informatiker oder Bio-Physiker, ja die werden in der Tat „Hände ringend“ gesucht, aber nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt…

Asoziales M-V?!

Hinzu kommt die soziale Situation in M-V, die ist erschreckend und bedrückend. 25 Prozent der Bevölkerung lebt in Armut, bei 25 Prozent ist es ein extrem harter Kampf gegen den Absturz in prekäre Verhältnisse, weiteren 25 Prozent geht es gut bis befriedigend (also akzeptabel) – und den restlichen 25 Prozent geht es glänzend:  Zumeist Beamte, Führungskräfte in Verwaltungen, Mainstream-Medien, (Lobby-)Vereinen bzw. Verbänden, die das ergänzende „e.V.“  nur noch als „Feigenblatt“ besitzen, Mittelständler, die von staatlichen bzw. kommunalen Investitionsprogrammen profitierten, und Finanz-Jongleure.

M-V kann mehr…

M-V kann aber mehr. Natürlich gibt es auch gute Erfolge, unter anderem die Startups des TGZ Wismar-Schwerin, die kulturelle Vielfalt im Land und auch die sportlichen Triumphe vieler Nachwuchs- und Elite-Athleten.

Nur: Probleme werden kaum noch angesprochen – und wenn: Dann nur unter ideologischen Scheuklappen, in belehrender Form oder mit einseitigen Argumentationen.

Warum wohl wenden sich viele Menschen auch hierzulande von den etablierten Parteien, Verbänden und Medien ab?!  Wie meinte schon der große Bayer Franz-Josef Strauß: Man müsse dem Volk aufs Maul schauen, aber nicht zum gleichen reden…

Unsere „Eliten“ in Politik, Medien, regionaler Wirtschaft und in den hiesigen Verbänden haben aber ihre „Bürgernähe“ und „Bodenhaftung“ längst verloren. Die „Gesetze der Gravitation“ lassen sie „kalt“. Das kann aber nicht gut gehen… Müssen erst wieder Landtagswahlen krachend verloren werden, bis diese „Eliten“ das begreifen?!

Marko Michels