Vor 60 Jahren: Start von Sputnik 1
Ende Juli feierte der Verein „Greifswalder Sternwarte e.V.“ seinen 25. Geburtstag. Aber es wartet noch ein weiteres, wichtiges Jubiläum für die „Sternenforscher“ – der Start des ersten künstlichen Erdsatelliten, von Sputnik 1, vor 60 Jahren am vierten Oktober 1957.
Ohne Sputnik 1, diesem Meilenstein in der Entwicklung der modernen Weltraum-Erforschung, wären die folgenden Höhepunkte bei der Erkundung des Weltalls nicht möglich gewesen: 1961 der erste Mensch im Weltall mit Juri Gagarin, 1963 die erste Frau im Weltall mit Walentina Tereschkowa und 1969 der erste Mensch auf dem Mond mit Neil Armstrong.
Wie beurteilt Dr. Tobias Röwf, Vorsitzender des Greifswalder Sternwarte e.V. den Start von Sputnik 1? Was waren für ihn Meilensteine bei der Erkundung des Weltalls? Und: Wie beurteilt er die Entwicklung der Greifswalder Sternwarte in den letzten Jahren?
MV-SCHLAGZEILEN fragte nach
Den Sternen ein Stück näher…
Frage: Der Greifswalder Sternwarte e.V. wurde 25 Jahre. Was waren die Highlights seit 1992?
Dr. Tobias Röwf: Einer der Höhepunkte war die Gründung des Vereins. Durch die Weitsicht von Prof. Dr. Holger Kersten und dank der Unterstützung des damaligen Institutsdirektor Prof. Alfred Rutscher sowieweiterer Plasmaphysiker wie Prof. Hans Deutsch wurde in der Nachwendezeit eine geeignete rechtliche Struktur geschaffen, die es uns heute ermöglicht, einerseits Spenden einzunehmen, Eintrittsgelder zu erheben und gleichzeitig die Sternwarte in enger Absprache mit der Universität zu betreiben.
Als heutiger Vorsitzender bin ich dankbar und stolz darauf, dass wir mit 51 Mitgliedern einen großen und aktiven Verein unterhalten, der sich für den Erhalt des Astronomie-Unterrichtes an den Schulen in MV, die astronomische Bildung der breiten Öffentlichkeit und für die Modernisierung des schönen historischen Carl-Zeiss-Doppelteleskops einsetzt.
Es gibt ansonsten viele Höhepunkte für den Greifswalder Sternwarte e.V., wie das NASA-Mikro-Gravitationsexperiment zum Foucaultschen Pendel während der fast totalen Sonnenfinsternis am 11. Aug 1999 (Leider ohne Nachweis des erhofften Effektes!) oder die Kuppelreparatur durch die Universität im Jahre 2013.
An nur ganz wenigen Standorten konnten die Venus-Transite viermal beobachtet werden, bei uns klappte dies in den Jahren 2004 und 2012 – neben denen von 1761 und 1769 durch Mayer sowie Röhl.
Auch heute noch setzt es die meisten Besucherinnen und Besucher in Erstaunen, dass dies im 18. Jahrhundert die erste Möglichkeit war, um über die bekannten Kepler-Gesetze und die durch die Transite möglich gewordene Triangulation den absoluten Abstand zwischen Erde und Sonne auf ca. 150 Millionen Kilometer zu bestimmen.
Kontinuierlich, über die 25 Jahre hinweg, haben wir im Rahmen unserer Möglichkeiten die Sternwarte gewartet und modernisiert, wie beispielsweise den neue Fußboden in der Kuppel, die aufgearbeitete astronomische Leiter, das modernisierte H-alpha-Filter zum direkten Beobachten der Sonnenausbrüche oder – gerade vor kurzem wieder eröffnet – die internetgesteuerte Weltraumwetterampel zum Sensibilisieren der breiten Bevölkerung über die Auswirkungen der kosmischen Teilchenstrahlung.
Im Jahr 2013 konnten wir ein Gutachten in Auftrag geben, welches uns die Möglichkeit einer Generalrestaurierung bis zum 100. Jubiläum im Jahre 2024 aufzeigt.
Zu den Höhepunkten bei der Arbeit unserer Sternwarte gehören die zahlreichen Beobachtungen zu Sonne, Mond und Sternen bis hin zu unser Nachbargalaxie Andromeda sowie die astronomischen Vorträge.
Ein älterer Herr meinte einst um die Jahrtausendwende: „Aha, von 1924 ist Ihr Teleskop – das ist doch nun wirklich nicht alt. Schauen Sie mich an.“
Gern erinnere ich mich auch an die Kindergartengruppe, die wenig später mit einem selbstgebastelten Kranz aus Planeten, Sternen und der Sonne vor unserer Haustür stand.
Es sind auch die bewegenden Momente bei Sonnenauf- oder untergang, der Blick auf die Ostsee oder die schöne Insel Rügen. Immer wieder ein Erlebnis: das seelige Lächeln oder das „Aha“ einer Besucherin oder eines Besuchers, egal ob alt oder jung, dick oder dünn, ob mit roten oder grünen Haaren (Ja, wir hatten schon Vorträge über Star Trek und suchen noch Leute, die uns einen Vortrag zur Matrix halten können!)
Frage: Anfang Oktober wartet noch ein ganz besonderes Jubiläum: Vor 60 Jahren startete Sputnik 1 ins All. Welche Bedeutung hat aus Ihrer persönlichen Sicht dieses Jubiläum? Was zeichnete die damalige Mission aus?
Dr. Tobias Röwf: Als Gründungsmitglied der Interessengemeinschaft Raumfahrt Mecklenburg-Vorpommern möchte ich auf die Leistungen des Teams um Wernher von Braun verweisen, dem es am 3.Oktober 1942 von Peenemünde aus mit der A4 erstmals gelang, ein von Menschenhand geschaffenes Flugobjekt auf eine Gipfelhöhe von 84,5 Kilometern zu schicken.
Damals galten 80 Kilometer Höhe als Beginn des Weltalls – eine Definition, wie sie auch heute noch bei der US Air Force Gültigkeit hat. Die Grenze zwischen Luft- und Raumfahrt, der sogenannten Kármán-Linie, wird von der FAI (Fédération Aéronautique Internationale) und der NASA mit 100 Kilometer Höhe über dem Meeresspiegel festgelegt.
Zukünftig wollen private Weltraum-Fluggesellschaften, wie zum Beispiel SpaceX, genau diese Mindesthöhe in wenigen Minuten für jeden erreichbar zu machen. Die Weltraum-Ticketpreise werden sich bei circa 100.000 Euro pro Passagier bewegen – äußerst günstig im Vergleich zu den 21 Millionen Euro, die der erste private Weltraumpassagier Dennis Tito für einen Aufenthalt an Board der Weltraumstation MIR im Jahr 2001 bezahlte.
Noch abschließend ein Vergleich: Die permanente und mit bloßem Auge gut erkennbare Internationalen Raumstation ISS bewegt sich in einer Höhe von ca. 400 km.
Wie dieser kleine Ausflug zeigen sollte, stellen die 1.440 erfolgreichen Weltumrundungen von Sputnik 1 den Aufbruch der Menschheit ins Weltall dar und machten schlagartig aus dem verschlafenen Baikonur am Fluss Syrdarja einen Weltraumbahnhof erster Klasse.
Beeindruckend war auch die Planung der elliptischen Flugbahn, so dass die oberen Erdatmosphärenschichten regelmäßig für zukünftige Weltraumflüge untersucht werden und gleichzeitig eine Höhe von fast 1.000 Kilometern erreicht werden konnte.
Erst bei den Recherchen zu diesem Jubiläum ist mir wieder die extrem große Präzision bei der Abgabe der Treibstoff-Mengen durch die Raketenmotoren bewusst geworden.
Etwas zu wenig und nach erfolgtem Aufstieg fällt der Flugkörper wieder auf die Erde zurück und verglüht. Ein wenig zu viel Schub und Sputnik 1 wäre in den Weiten des Weltalls verloren gegangen, ähnlich wie in dem bekannten Lied „Major Tom“ von Peter Schilling.Also „völlig losgelöst von der Erde“…
Heutige Satelliten besitzen Hochpräzisionsdüsen, um nur minimale Kurskorrekturen zum Beispiel beim Anheben der Flugbahn zu erzeugen. Mein früherer ESA-Kollege Trevor R. Sanderson beschrieb dieselbe Herausforderung der Raumsonde Ulysses beim Vorbeiflug am Jupiter. Der sechsfache Abstand des Jupiter-Durchmessers war zu viel und das Fünffache zu wenig – würde es mit dem 5,5-fachen gut gehen? … Ja, glücklicherweise und nebenbei ließ sich durch dieses gezielte Raten im Nachgang die Dichte des Plasmariesen Jupiters bestimmen.
An dieser Stelle möchte ich auf die zahlreichen Aktivitäten von Uwe Schmaling, dem äußerst engagierten Gründer der Interessengemeinschaft Raumfahrt Mecklenburg-Vorpommern, aus Neubrandenburg hinweisen. Sein Team wird in der Zeit vom 16.November bis 19.November die 33.Tage der Raumfahrt in Neubrandenburg und Neustrelitz organisieren. Besonders schön dabei finde ich die Gedenkbriefmarke „60 Jahre Sputnik 1“ die von Raumfahrt Concret herausgegeben wird und von jedem Interessenten mit Ersttagsstempel bestellbar ist. Wir gratulieren zu beiden Ereignissen!
Frage: Wenn Sie die Erforschung des Weltraumes seitdem skizzieren sollten, was waren die besonderen Momente ganz subjektiv betrachtet?
Dr. Tobias Röwf: Nachdem das Team um Sergei Pawlowitsch Koroljow vor 60 Jahren den stickstoffgekühlten und hochpolierten künstlichen Himmelskörper Sputnik 1 erstmals auf Reisen schickten und Juri Gagarin am 12. April 1961 als erster Mensch ins Weltall gelangte, hat sich das Raumfahrtgeschäft stark entwickelt. Unter anderem waren die Amerikaner, dank der Erfindung des gewichtssparenden Transistors, auf dem Mond. Erstaunlicherweise gelang dies mit der Rechenleistung eines heutigen programmierbaren Taschenrechners! Wussten Sie, dass die ersten Deutschen im Weltall Sigmund Jähn (1978) auf der Saljut 6 und Ulf Merbold (1983) an Board der Space-Shuttle-Mission STS-9 waren?
Neben den drei bekannten Raumfahrtnationen haben mittlerweile Australien, Brasilien, China, Indien und Japan, um nur einige zu nennen, stark aufgeholt.
Waren es früher ausschließlich staatliche Organisation, so kann heute jede oder jeder ins Weltraumgeschäft einsteigen. Flüge zum Indian Summer mit seinen bunten Blättern nach Vancouver Island sind nur dank der „Weltraumtechnologie“ wie dem GPS aus den USA möglich.
Die neuesten Smartphones können heute auf Navigations-Systeme der Marktbegleiter Galileo (ESA), GLONASS (RUS), Beidou (CHN), IRNSS (IND) oder QZSS (JPN) zugreifen. Dann wären da noch die Mobiltelefonie oder auch die Satellitenübertragung der Fussball-WM aus Südafrika.
Galt es früher als Sensation, wenn es hieß, wir können die chinesische Mauer mit bloßem Auge sehen oder einzelne Schiffe auf den Weltmeeren anhand ihrer Abgase erkennen, so waren es bald die Nummernschilder und später die Überschriften in der Zeitungen, die als lesbar galten – wohlgemerkt aus dem Weltall (Wir erinnern uns ? 100 km Höhe)! In wenigen Jahren werden wir darüber schmunzeln, wenn wir uns online und in 3D auf dem Smartphone in unserem Lieblings-Café wiedererkennen. Ein führendes Berliner Unternehmen baut dafür gerade wichtige Komponenten – die Starttermine stehen.
Neben der Erforschung der Erde vom Weltall aus, zum Beispiel zur Tsunami-Überwachung, gibt es auch die entgegengesetzte Richtung. Nehmen wir das berühmte Hubble-Teleskop, welches im April 1990 von der Raumfähre Discovery ausgesetzt wurde und richtungsweisende Maßstäbe in der Astrofotografie setzte.
Hubble war glücklicherweise der erste Satellit, der für Service-Missionen im Weltall konstruiert worden war, denn sonst hätte die große Korrekturbrille nie installiert werden können.
Nach der Reparatur entsprach das Auflösungsvermögen von Hubble in etwa dem Unterscheidungsvermögen, um von Greifswald aus in gedachter Liniein der alten japanischen Kaiserstadt Kyoto noch die Rücklichter eines Autos unterscheiden zu können. Um dann auch noch die Plejaden in dem Autologo (Tipp: es ist ein 4×4) erkennen zu können, braucht es viel bessere Teleskope.
Diese tragen Namen wie ISO für Infrarotbeobachtungen oder Kepler zählt die Exo-Planeten. Ergänzende Beobachtungen kommen vom Herschel Space Observatory und dem James Webb Space Telescope – dadurch sind wir heute in der Lage, bis ans Ende unseres Universums zu schauen.
Dank der zahlreichen Neuvermessungen des Himmels konnten die Astronomen das Zeitalter unseres Universums auf circa 13,8 Milliarden Jahre datieren. Ich freue mich, dass durch das Internet die Menschheit immer stärker zusammenwächst, beispielsweise weil Jahrtausende alte Quellen aus Tibet online verfügbar werden.
Weiterhin vermute ich, dass wir bald detaillierte Hinweise auf ein Multiversum bekommen werden oder einen konkreten Hinweis, ob oder wann sich die Expansion unseres Universums umdreht in eine Kontraktion. Dafür müssen wir jedoch noch viel über die sogenannte dunkle Materien mit seinen schwarzen Löchern wissen. Eines davon befindet sich im Zentrum unserer Galaxie / Milchstraße.
Frage: Zurück zum Greifswalder Sternwarte e.V. … Welche Veranstaltungen gibt es dort bis zum Jahresende?
Dr. Tobias Röwf: Neben den Sonderveranstaltungen in der Kulturnacht finden unsere öffentlichen Führungen in der Regel am ersten und dritten Donnerstag im Monat statt.
Die aktuellen Veranstaltungen finden Sie auf unserer Internetseite „sternwarte-greifswald.com“.
Ja, Führungen nach Vereinbarungen zu Zweit für den romantischen Hochzeitstag, für die lustige Geburtstagsfeier des Enkelkindes mit dem Singen „Der Mond ist aufgegangen“ oder auch die gediegene Firmenjubiläumsfeier sind ebenfalls möglich.Hier freut sich unser Veranstaltungskoordinator Olaf Schmidt (sternwarte-greifswald at web.de) über Ihre Anfragen.
Noch bis zum 31.Oktober 2017 freuen wir uns über zahlreiche Einreichungen zum mit 500 Euro dotierten Johannes-Conrads-Förderpreis für Astronomie und Raumfahrt. Der Preis erinnert an den Plasmaphysiker Herrn Prof. Dr. Johannes Conrads, der als Mitbegründer des INP Greifswald und Mitinitiators des Max-Planck-Institutes für Plasmaphysik in Greifswald für uns „die Sonne auf die Erde geholt hat“.
Des Weiteren möchte ich auf das 9. Jahrestreffen Astronomie der astronomischen Einrichtungen von M-V am 14.Oktober 2017 in Hanshagen bei Greifswald hinweisen.
Neben einem Erfahrungsaustausch von und mit Astronomie-Lehrern und astronomisch Interessierten werden wir dort Herrn Dietmar Fürst von der Sternwarte Remplin für seine jahrzehntelangen (!) ehrenamtlichen Bemühungen um den Wiederaufbau der ältesten Sternwarte Mecklenburgs mit der höchsten Vereinsauszeichnung, dem mit 555 Euro dotierten Mayer-Röhl-Ehrenpreis auszeichnen.
Mit Andreas Mayer und Lambert Heinrich Röhl beginnen in Greifswald die wissenschaftlichen astronomischen Beobachtungen, unter anderem zu den Venus-Transiten von 1761 und 1769. Der Preis wurde aus Anlass des 250.Jahrestages der ersten Astronomie-Vorlesung im Jahre 2012 eingerichtet und wird jetzt, nach Prof. Joachim Buhrow und Prof. Manfred Schukowski, zum dritten Mal vergeben.
Neben diesen externen Veranstaltungen freue ich mich als Vorsitzender über die zahlreichen internen Aktivitäten unserer Mitglieder, die neue Vorträge vorbereiten oder neue Mitglieder in die Astronomie einarbeiten.
Wer bei uns als ehrenamtliches Mitglied mitmachen möchte, ist herzlich eingeladen, vom nerdigen EDV-Spezialisten, über die charmante Medizinerin bis zum Opa, dem Erklär-Bär.
Zum Thema Ehrenamt berichtete Dr. Suzanne Richards von der University Exeter Medical School in England, dass regelmäßiges ehrenamtliches Engagement bis zu etwa 10 Stunden monatlich die Gesundheit fördert.
Beobachtet wurde eine Abnahme der Depressionsrate, eine erhöhte Lebensfreude und ein verbessertes allgemeines Gesundheitsgefühl. Auch wenn noch weitere Untersuchungen notwendig sind, so werden diese Verbesserungen unter anderem mit der größeren Anzahl an sozialen Kontakte oder der Abnahme des gefühlten Alleinseins in Verbindung gebracht. Die US-Zeitschrift „Time“ widmete der Studie am 23.August 2013 einen großen Artikel.
Letzte Frage: Stehen die Ziele Ihres Vereines bereits für 2018?
Dr. Tobias Röwf: Am 20. Januar 2018 wird es wieder unsere traditionelle Jahresmitgliederversammlung geben, zu der wir auch die Partner mit einladen. Weitere Ziele sind das Einwerben von Spenden für unsere 200.000 Euro Generalrestaurierung, damit das weltweit einzige Carl-Zeiss-Doppelteleskop zum 100.Jubiläum im Jahre 2024 wieder in neuem Glanze erstrahlt. Zwei Euro spenden eine Stunde Freude.
Planmäßig werden wir weitere kleinere Modernisierungen vornehmen, um den Besucherinnen und Besuchern eine noch schönere Sternwarte mit noch besseren Beobachtungsmöglichkeiten zu ermöglichen.
Vielen Dank und weiterhin einen erfolgreichen Blick zu den Sternen!
Marko Michels
Fotos (Michels): Impressionen/Ausstellungen des Historisch-Technischen Museums in Peenemünde.