Den Händedruck verweigert …

Das Schicksal der Neubrandenburger Kommunalpolitiker Wilhelm Dühring und Friedrich Schwarzer

NBGDen nach 1948/49 verstärkt einsetzenden Parteisäuberungen innerhalb der SED fielen auch zwei prominente Neubrandenburger  Sozialdemokraten zum Opfer – Friedrich Schwarzer, Oberbürgermeister in Neubrandenburg, und Wilhelm Dühring, nach 1945 Vorsitzender der SPD in Neubrandenburg.

Schön früh für die soziale Demokratie engagiert …

Sowohl Friedrich Schwarzer als auch Wilhelm Dühring gehörten zu den führenden und profiliertesten Neubrandenburger Sozialdemokraten bereits während der „Weimarer Republik“. Wilhelm Dühring, Jahrgang 1891, trat aus der SPD bereits 1911 bei. Friedrich Schwarzer, Jahrgang 1892, wurde SPD-Mitglied 1919. Beide hatten einerseits bedeutende gesellschaftliche Funktionen inne – beispielsweise fungierte Wilhelm Dühring ab 1922 als Vorsitzender des Gesellschaftskartells in Neubrandenburg, während Friedrich Schwarzer ab 1929 eine Tätigkeit als Neubrandenburger Stadtrat ausübte – andererseits bekleideten sie auch höchste politische Funktionen innerhalb der SPD in Neubrandenburg. , u.a. waren sie gewählte Vertreter im SPD-Parteivorstand Neubrandenburgs. Nach 1933 leisteten Schwarzer und Dühring aktiven Widerstand gegen das NS-Regime, was nicht ohne Folgen für die beiden Sozialdemokraten blieb: Friedrich Schwarzer wurde zwischen 1933 und 1945 mehrmals kurzzeitig verhaftet; Wilhelm Dühring wurde 1944 sogar im KZ Ravensbrück als männlicher Arbeitshäftling inhaftiert. Im Juni 1945 gründeten Dühring und Schwarzer die SPD in Neubrandenburg wieder und engagierten sich beim Aufbau einer demokratischen Stadtverwaltung in der Vier-Tore-Stadt.

Einsatz in verschiedenen Funktionen für Neubrandenburg

Friedrich Schwarzer amtierte ab Juni 1945 als Bürgermeister, ab 8,Dezember 1946 als Oberbürgermeister in Neubrandenburg. Beide Neubrandenburger Sozialdemokraten lehnten die Bodenreform nach Konzeption der KPD-Landesleitung bzw. die kommunistische „Einheits“kampagne ab und kritisierten auch stets die restriktive russische Besatzungspolitik. So äußerte sich Friedrich Schwarzer in einem Rechenschaftsbericht von Anfang September 1946 über die Einnahme Neubrandenburgs durch die Rote Armee: „Als dann die Kriegsfurie über die Stadt hinweggebraust war, fanden die aus ihren Zufluchtsorten zurückkehrenden Einwohner ein brennendes Neubrandenburg vor. Weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung war ihres Obdaches und ihrer Habe beraubt. Jede Ordnung hatte aufgehört.“ (Statarchiv Neubrandenburg, Akte 147)
Eine solche Haltung und Stellungnahme war nicht ungefährlich und konnte sehr leicht zu Repressalien seitens der russischen Geheimpolizei führen.
Bereits vor der „Vereinigung“ von SPD und KPD im April 1946 hatte sich Friedrich Schwarzer auf einer Kreiskonferenz der SPD am 26.Januar 1946 in Anklam gegen eine Parteienfusion ausgesprochen.

Gegen die Vereinigung mit der KPD

Wilhelm Dühring, ab Juli 1945 auch Vorsitzender der SPD in Neubrandenburg, verweigerte dem Neubrandenburger KPD-Vorsitzenden Erich Schmidt af dem durch die russische Besatzungsmacht initiierten „Vereinigungs“parteitag den „symbolischen Händedruck“. Für Wilhelm Dühring war eine Parteienfusion mit kommunistischen Vorzeichen nicht akzeptabel. (siehe auch Krüger „Schicksale von Neubrandenburger Persönlichkeiten“, S.6)
In ihren Funktionen als Oberbürgermeister (Friedrich Schwarzer) und Stadtrat bzw. stellvertretender Landrat (Wilhelm Dühring) versuchten beide in die SED zwangseingegliederten Sozialdemokraten in der Folgezeit – 1946-1950 – auch innerhalb der SED sozialdemokratischen Einfluß zu sichern bzw. Not und Elend der Neubrandenburger Bevölkerung zu lindern.
Doch ihr offener Widerstand gegen die Umwandlung der SED in eine „Partei neuen Typus“ ab 1948, dem Abschnitt der Stalinisierung der SED, veranlasste die früheren KPD-Mitglieder um Karl Bierholz und die Vertreter der örtlichen Kommandantur der SMA zur Kritik an Schwarzer und Dühring.
Beiden wurde „praktizierter Sozialdemokratismus“ vorgeworfen; als nach einer Denunziation die Tätigkeit von Wilhelm Dühring für das SPD-Ostbüro, der gesamtdeutschen Widerstandsbewegung der SPD gegen das SED-Regime, bekannt wurde, spitzten sich die Auseinandersetzungen zwischen Friedrich Schwarzer und Wilhelm Dühring auf der einen Seite und den früheren KPD-Funktionären in der SED bzw. den Vertretern der sowjetischen Militäradministration auf der anderen Seite zu.

Kommunistische Hetzjagd gegen Wilhelm Dühring und Friedrich Schwarzer

Gerade die SED-Landesleitung um die Kommunisten Kurt Bürger und Karl Mewis in Schwerin versuchte die „unverbesserlichen Sozialdemokraten“ in Neubrandenburg zu „disziplinieren“. So erklärte Karl Mewis, zweiter Sekretär der SED-Landesleitung in Mecklenburg, auf der vierten Landesdelegiertenkonferenz der SED 1950 zum „Fall Dühring“:
„Da ist z.B. das bisherige Mitglied der Partei, der frühere stellvertretende Landrat des Kreises (Neubrandenburg) Dühring. Unter seiner Leitung wurden einige Großgrundbesitzer als Neubauern auf ihrem Grundstück angesiedelt. Ist es ein Wunder, dass dieser Freund der Großgrundbesitzer gleichzeitig ein Feind der Sowjetunion ist und am 8.Mai dieses Jahres (1950) die Beteiligung an der Ehrenwache mit der zynischen Erklärung ablehnte, `an den Gräbern meiner gefallenen Söhne in Russland steht auch keine Wache`.“ (siehe Landeszeitung vom 15.07.1950)
Wie die SED-Landesleitung die Anschuldigungen gegen Wilhelm Dühring hochgespielt hat, ist bei genauer Betrachtung der Ausführungen von Karl Mewis zu erkennen. Wilhelm Dühring lehnte die Ehrenwache deshalb ab, weil alle drei durch die Nationalsozialisten zwangsrekrutierten Söhne auf dem Territorium der Sowjetunion gefallen waren und die kommunistische Propaganda sämtliche Angehörige der Wehrmacht – ohne Differenzierungen – als „willfährige Werkzeuge der Nationalsozialisten“ darstellte, die „kein ehrenhaftes Gedenken verdienen“ – eine tiefe menschliche Angelegenheit wurde damit zur Erpressung von Wilhelm Dühring durch die SED benutzt. (siehe Krüger „Schicksale von Neubrandenburger Persönlichkeiten“, S.14)
Unter massiven Druck stehend und zudem eine drohende Verhaftung durch die russische Geheimpolizei befürchtend, entschloß sich Wilhelm Dühring nach Westdeutschland zu fliehen. Ein erster Fluchtversuch missglückte zunächst, aber ein zweiter Fluchtversuch 1950 war erfolgreich.

Absetzung Friedrich Schwarzers als Oberbürgermeister in Neubrandenburg

Um Friedrich Schwarzer als Oberbürgermeister abzusetzen, suchte die SED-Landesleitung um Kurt Bürger ebenfalls nach einem Vorwand und fand einen – allerdings einen anderen als zunächst erhofft. Auch Friedrich Schwarzer sollte am 8.Mai, dem offiziellen „Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus“, eine Ehrenwache zum „Gedenken an die Opfer der Roten Armee“ halten. Es war den SED-Funktionären jedoch bekannt, dass Friedrich Schwarzer einen gefallenen Sohn betrauerte.

So hoffte man wohl, dass diese Provokation der SED gegenüber Friedrich Schwarzer – ähnlich wie im „Hall Dühring“ – erfolgreich wäre.

Doch Schwarzer durchschaute diese Provokation und bot der SED nicht den gewünschten „Vorwand“. Nach diesem „Misserfolg“ der SED-Funktionäre wurde ein erneuter Versuch zur Absetzung Schwarzers als Oberbürgermeister Mitte 1950 unternommen. Mit gefälschten Beweisen warf die SED-Landesleitung Schwarzer „ein Dienstaufsichtsvergehen“ vor und betrieb seine Absetzung auf einer Versammlung der Neubrandenburger Stadtvertreter am 29.Juni 1950 mit Erfolg, obwohl sich Friedrich Schwarzer zu diesem Zeitpunkt zu einer ärztlich verordneten Kur in Bad Salzungen aufhielt. (Stadtarchiv Neubrandenburg, StVV/RDSt. 2/5 und Krüger, Dokumente zum SED-Ausschluß von Friedrich Schwarzer)

Friedrich Schwarzer wurde unter dem Vorwurf einer „parteifeindlichen Cliquenbildung“ wenige Tage später – noch im Juni 1950 – auch aus der SED ausgeschlossen und politisch isoliert.

WehnerBestätigung der Prognose von Herbert Wehner

Es bestätigte sich – gerade auch bezogen auf die Schicksale von Friedrich Schwarzer und Wilhelm Dühring – die Prognose von Herbert Wehner, u.a. SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag von 1969 bis 1983 und Minister für gesamtdeutsche Fragen von 1966 bis 1969, zur Gründung der SED 1946: „ … Im Jahr nach dem Krieg, als ich noch in Schweden sein mußte, habe ich auch mit alten Kommunisten briefliche Diskussionen gehabt und ihnen geschrieben, dass das SED-Experiment viel schrecklicher enden würde als ein früheres Experiment der deutschen Kommunisten mit der so genannten revolutionären Gewerkschaftsopposition. Es wird fürchterlich enden, das sage ich heute (1964 – Anm. M.M.) noch. Es wird fürchterlich enden, mit einem moralischen Katzenjammer und einer sittlichen Vernichtung derer, die einmal aus ehrlichen Absichten kommunistische oder sozialistische Vorstellungen solcher Art zu realisieren versucht haben …“.
(Vgl. Günter Gaus, „Zur Person“, S.221, Interview mit Herbert Wehner am 8.Januar 1964)

M.Michels

F.: Grafik (M.M.), H.W. (SPD)