Volksschauspieler Herbert Köfer zu Gast in Wismar
Seinen Humor hat er jedenfalls nicht verloren, der Rentner, der niemals Zeit hatte, der Fernsehliebling zwischen Ostseeküste und Sächsischer Schweiz und der unbequeme Querdenker, der stets die Bühne dem Podest vorzog: „Als ich das letzte Mal (Auftritt in SOKO Wismar) hier war, wurde ich als Heiratsschwindler verhaftet. Heute habe ich da eine Aufpasserin, meine Frau, dabei !“, begrüßte Herbert Köfer das zahlreiche, wenn auch schon in die Jahre gekommene Publikum im Wismarer Zeughaus.
Ein Satz wurde dem ostdeutschen Volksschauspieler seit einigen Monaten an die „Weste“ geheftet, ein Satz, der wieder einmal Gräben aufriss zwischen „West-Ost“ und mitunter „Ost-Ost“. „Ja, Sie werden sicherlich auch davon gehört haben. Eine Zeitung zitierte ja einen Satz von mir, losgelöst aus dem Zusammenhang, losgelöst aus dem Inhalt: „Ich war gerne ein DDR-Bürger.`“, leitete Herbert Köfer seine Lesung in der Hansestadt hinzu.
„Ja, und das war ich auch. Natürlich habe ich in der DDR gelebt, gearbeitet, geliebt, mich geärgert und auch gehasst. Und ich stehe zu diesem Satz. Mir geht es dabei nicht um die politischen Verhältnisse, die damals waren, sondern um die vielen, vielen Menschen, die aus dem `Unmöglichen` viele Möglichkeiten schufen. Die fleißig waren und kreativ, die ein zerstörtes Land wieder aufbauten, Bedeutendes leisteten unter immens schwierigen Bedingungen – schwierigeren Bedingungen jedenfalls als im Westteil Deutschlands nach Kriegsende 1945.
Die damalige sowjetische Besatzungsmacht stellte hohe Reparationsforderunge, demontierte Fabriken und Betriebe, schaffte Maschinen aus dem Land und demontierte die Infrastruktur. In Westdeutschland hingegen wurde durch die dortigen Besatzungsmächte überwiegend Aufbauhilfe geleistet und Unterstützung gewährt. Die Ausgangslage war nach dem Krieg nun einmal ungleich … Um so größeren Respekt habe ich vor dem Lebenswerk, den Leistungen der Menschen in der DDR. Das verbinde ich mit meiner Äußerung !“, erklärt Herbert Köfer mit Leidenschaft und Engagement.
Dieses „ewige, nicht differenzierte `Sich-rechtfertigen-müssen`“ der DDR-Bürger sei es zudem, was ihn zu dem zitierten Satz bewog.
Er konnte sich auch einen „Seitenhieb“ in Richtung „Boulevard-Presse“ nicht verkneifen.
„Das alles hätte ich gar nicht erklären müssen, wenn tatsächlich der gesamte Kontext aus dem Buch wiedergegeben worden wäre. Aber das erinnert mich schon an einen alt-bekannten Witz: `Der Papst landet mit dem Flugzeug in Amerika und wird von einer Reporter-Meute begrüßt. Da ruft ihm ein vorlauter Reporter zu: `Na, Heiliger Vater, werden Sie hier auch ein Bordell besuchen ?` – Dieser sichtlich irritiert und konsterniert, fragte sich selbst laut: `Hier gibt es Bordelle ?` … Nächsten Tag stand als Aufmacher in der Zeitung: Papst landet in Amerika und seine erste Frage lautete: `Gibt es hier Bordelle ?` – Ja, das ist Pressefreiheit !“, fügte Herbert Köfer hinzu.
Doch der vielseitige Schauspieler, der seit fast 70 Jahren auf der Bühne und vor der Kamera stand, braucht seine „Vita“ wahrlich nicht zu „frisieren“. Ihn, den beliebten Schauspieler und Entertainer, dem einige westdeutsche Kommentatoren ziemlich vorschnell Opportunismus in Richtung SED-Obrigkeit vorwarfen, kann diesen Vorwurf mühelos kontern.
So sehr einige SED-Politiker seine Auftritte mochten, um so mehr war diesen die Beliebtheit Köfers im „einfachen Volke“ verdächtig. Und so waren Mielkes Spitzel zur Stelle: „Über mich `führten` acht IM `Buch` – in einer Zeit von 1953 bis 1989.“, weist Herbert Köfer auch auf die dunkle Seite der DDR hin.
Natürlich kennt Herbert Köfer die Widrigkeiten und die Repressalien, die es in der DDR gab.
Nur er mag keine Pauschalierungen … „Wenn gesagt wird, die DDR war ein Unrechtsstaat, werde ich immer darauf entgegnen: Die DDR war ein Staat, in dem auch Unrecht geschah.“
Hier könnte sich der objektive Zuhörer durchaus anschließen: Alles andere würde bedeuten, alle Menschen, die in der DDR lebten und nun in den neuen fünf Bundesländern noch leben – ob freiwillig oder nicht, ob Widerständler oder nicht, ob Reformer oder nicht – zu diskreditieren, zu diskriminieren und zu verleumden.
„Ich bin gespannt, welches Urteil einmal über die DDR gefällt wird. Napoleon, meinte ja einst, dass die objektive Wahrheit die Summe aller Lügen sei, auf die sich die Welt nach 30 Jahren geeinigt habe. Ich bin gespannt, wie differenziert der Blick der Nachwelt auf diese DDR sein wird. Zeitzeugen gehen nun einmal mit der Zeit. Und wie Historiker und andere die DDR dann beurteilen, Zusammenhänge berücksichtigen, das würde mich schon interessieren“, fragt sich Herbert Köfer und wohl auch so mancher Zuhörer.
Herbert Köfer verrät mit „Nie war es so verrückt wie immer …“ manch heitere aber auch manch traurige und nachdenkliche Episode aus seinem Leben.
Er resümiert: „Ich war immer ein politischer Mensch, nie ein gewöhnlicher Schauspieler. Das wäre mir zu wenig gewesen. Natürlich blicke ich immer intensiver zurück, nicht mehr so eindringlich voraus. Ich bin ja 87, da weiß ich, dass ich nicht mehr in der `Mitte des Lebens` stehe. Viele Freunde, Weggefährten gingen schon vor mir. Jedes Mal ging ein Teil von mir mit ihnen. Ich weiß, jetzt werde ich neue echte Freunde kaum mehr finden. Das gemeinsam Verbindende fehlt, die Zeit letztendlich ebenfalls. Ich habe keine Angst vor dem Tod, der ja wohl der eigentlich `verlässlichste Freund` ist, aber leider einen schlechten Ruf hat. Ich habe eher Angst um die fehlenden Antworten auf meine eigenen Fragen: Wie geht es mit meiner noch jungen Frau weiter, wie mit meinen Kindern und Enkelkindern – und wie mit diesem Land ? Das ist es, was mich nun umtreibt.“
Doch trotz aller Nachdenklichkeit, aller Melancholie, die es auf der Wismarer Lesung gab, so kamen dennoch die erfreulichen Momente nicht zu kurz. Etwa als Herbert Köfer über seinen 3.Oktober 1990 berichtete, als er mit seiner Tochter Mirjam von den Einheitsfeierlichkeiten mit seinem Peugeot abends nach Hause fuhr und plötzlich vor ihm eine Herde Rinder auf der Straße auftauchte … – Folge war: ein total demolierter Peugeot, eine verendete Kuh, bei der sich herausstellte, dass es LPG-Bestand war, und mehrere ebenfalls schwer in Mitleidenschaft gezogene (West-)Autos, die ebenfalls in den Unfall mit involviert waren.
Tja, zumindest bedeutete es kein „gutes Omen“ für die deutsche Vereinigung: „Auto West“ Totalschaden und „Rindvieh Ost“ Totalschaden …
Aber Herbert Köfer gibt auch Hoffnung, versucht Mut zu vermitteln.
So sei er zur Bühne gekommen als er um 1930 die Heidelberger Schloßfestspiele, u.a. mit dem herausragenden Schauspieler Heinrich George, besuchen durfte. Sein Vater hatte damals den Werbe-Auftrag für dieses kulturelle Ereignis erhalten. Von da an brachte ihn nichts mehr ab, seinen Weg als Schauspieler zu finden und zu gehen …
Also, dank Heidelberg ist Herbert Köfer zur Schauspielerei gekommen, konnte er sich zum Volksschauspieler entwickeln, der er in der DDR war, im Westteil Deutschlands wurde und nun im vereinigten Deutschland ist. Also war es doch gut, dass Heidelberg und „sein Berlin“ nun wieder zu einem gemeinsamen Staat gehören. Und irgendwie spürt man – trotz aller Nachdenklichkeit – dass auch er mit innerer Genugtuung das Zusammenwachsen der einst getrennten Deutschen begleitet.
Seine Reife (Die Bemerkung „Alter“ ist bei ihm verpönt.) merkt man Herbert Köfer in der Tat nicht an. Hier kokettiert er ein wenig, aber Eitelkeit gehört nun einmal ebenfalls zu einem Schauspieler: „Der Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, mit dem ich gut bekannt bin, meinte neulich: `Mensch, Herbert, Du wirst ja immer jünger. Da muß ich ja dem Senat Bescheid geben, dass Dein Nachruf wieder umgeschrieben wird !` – Darauf habe ich nur entgegnet: `Das ist auch gut so !`“.
Auf weitere Filme und Auftritte des reifen Berliners – und seine Zwischenrufe im politischen bzw. gesellschaftlichen Alltag – darf man sich also freuen.
Herbert Köfer – ein 2008 anerkannter deutscher Volksschauspieler ! Auch das ist gut so …
T/F: M.Michels
> Veranstaltungstipp: Am 30.Oktober liest Herbert Köfer aus „Nie war es so verrückt wie immer …“ auch in der WEILAND-Buchhandlung am Marienplatz 3 in Schwerin. mm