Wie sind die Realitäten gestern und heute…
In diesem Jahr wäre einer der herausragenden liberalen Widerstandskämpfer gegen die sich etablierende stalinistische Diktatur in der sowjetischen Besatzungszone, späteren DDR 90 Jahre geworden – der Rostocker Student Arno Esch. Seinen Einsatz für echte Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und (sozialer) Marktwirtschaft mußte er 1951 mit dem Leben bezahlen.
Mutig – trotz aller Widrigkeiten
Arno Esch ist jedoch kein Einzelfall. Es gab nach Ende des zweiten Weltkrieges viele Aufrechte, ob bei den Liberalen, den Konservativen, den Sozialdemokraten oder sogar den Kommunisten, die einen eigenständigen deutschen Weg befürworteten, die sich dem russischen Besatzern und deren deutschen Kollaborateuren widersetzten. Denn auch das ist Realität: So wie es in der SPD, CDU oder LDP zahlreiche Widerstandskämpfer gegen eine stalinistische Diktatur gab, so gab es dort eben auch viele, die ihr Gewissen ruhen ließen und sich aktiv für die Durchsetzung der stalinistischen Diktatur einsetzten, sei es aus abstruser politischer Haltung heraus oder aufgrund machtpolitisch-materieller Egoismen.
So traten in der SPD namhafte Gegner einer stalinistischen Politik bzw. einer Parteien-Fusion mit der KPD, deren Führung um Hans Warnke sich der sowjetischen Besatzungsmacht völlig unterordnete, auf. Hermann Lüdemann bzw. Willi Jesse, die SPD-Landesgeschäftsführer, Albert Schulz, der Rostocker Oberbürgermeister, Albert Kruse, der Schweriner Bürgermeister, Friedrich Schwarzer, der Neubrandenburger Oberbürgermeister, der stellvertretende Greifswalder Landrat Willy Bieg und viele andere mehr setzten sich für den Aufbau einer wirklich demokratischen Gesellschaftsstruktur ein. Leider folgten andere Sozialdemokraten dieser Haltung nicht, wie Carl Moltmann, der SPD-Landesvorsitzende M-V von Gnaden der russischen Besatzungsmacht, Wilhelm Höcker oder Xaver Karl.
Courage auch bei einigen CDU- und LDP-Mitgliedern
Bei der CDU und LDP war es ähnlich. CDU und Liberal-Demokratische Partei wurden nach Beseitigung der erzwungenen Vereinigung von KPD und SPD auf Druck der Stalinisten in der SED und der sowjetischen Militäradministration gewaltsam gleich geschaltet, obschon es auch in deren Reihen herausragende Widerstandskämpfer gegen die drohende kommunistische Diktatur gab, erinnert sei nur an Werner Jöhren, den CDU-Fraktionsvorsitzenden der CDU im Landtag von Mecklenburg, an Hans Krukenmeyer, den stellvertretenden CDU-Landesvorsitzenden, Siegfried Witte, den Mitbegründer der Rostocker CDU, Paul Friedrich Scheffler, den Fraktionsvorsitzenden der LDP im Landtag von Mecklenburg, an Friedrich Eduard Stratmann, den stellvertretenden LDP-Fraktionsvorsitzenden im Landtag von Mecklenburg, oder an den bereits erwähnten Arno Esch, den mutigen Rostocker Studenten und Liberaldemokraten. Auch einige Kommunisten, wie August Gauthier oder Wolf Reichardt, die sich dem Verrat an den Sozialdemokraten widersetzten und für echte Demokratie eintraten, wurden verfolgt und inhaftiert.
Führungspositionen behielten aber nur diejenigen, die bereit waren, sich dem SED-Regime und der sowjetischen Besatzungsmacht zu unterwerfen – von der KPD-Landesleitung Kurt Bürger und Hans Warnke, von der SPD Carl Moltmann und Friedrich Wehmer, in der CDU Reinhold Lobedanz und Hans Wittenburg sowie in der LDP Max Suhrbier und Horst Schomacker.
Nach 1950 ff. schuldig gemacht
Nach der Zwangsvereinigung von KPD/SPD und der Gleichschaltung von CDU bzw. LDP verkamen diese Parteien zu Instrumenten der reaktionär-stalinistischen Herrschaft. Wer also ab 1952 in die SED, in die CDU oder in die LDP eintrat bzw. in diesen Parteien verblieb, wußte sehr genau, dass er es mit politischen Werkzeugen stalinistischer Handlanger zu tun hatte.
Ja, wer seit 1952 ff. Mitglied der SED, CDU, LDP, NDPD bzw. Bauernpartei in der DDR war, hat sich immens schuldig gemacht und braucht nicht damit zu argumentieren, sie/er habe ja nur gegen das System von innen opponieren wollen. Das ist verlogen und pharisäerhaft.
Auch westdeutsche Verhältnisse hinterfragen
Aber auch diejenigen, die politische Verantwortung in Westdeutschland trugen, sollten sich hinterfragen, ob es richtig war, dass alte Nazis und Nazi-Sympathisanten nach 1945 wieder an die Schalthebel der Macht zwischen Flensburg und Bayern gerieten. In der DDR waren Stalinisten bzw. kleine Nazis an der Macht, in Westdeutschland bestimmten alte Nazi-Cliquen ab 1949 ff. das politisch-wirtschaftliche Geschehen in Westdeutschland mit – bei tatkräftiger Mithilfe der amerikanischen Besatzungsmacht, die Westdeutschland zu einem Frontstaat des Kalten Krieges maßgeblich aufbaute.
Das alles war nicht im Sinne solcher Persönlichkeiten, wie Arno Esch, Willi Jesse oder Werner Jöhren.
Stand heute
Wie behandelt man aber heute, anno 2018, Menschen, die gegen die nationalsozialistische oder stalinistische Diktatur standen, die zudem die Deformierung der real existierenden Demokratie fundiert kritisieren? Diese müssen um kleine Renten, Entschädigungen und ein wenig Anerkennung extrem kämpfen. Dafür gibt es um so mehr politische Sonntagreden der heutigen CDU-, FDP- und SPD-Protagonisten. Aber auf die Taten kommt es an, nicht auf schöne Worte!
Marko Michels