Ein Quartett stellt sich dem Bürger-Votum
Es ist Wahlzeit in Wismar. Am 15.April stellen sich vier Kandidaten – nur Männer, also keine Frauen-Power – dem Votum der Wismarer Bürgerinnen und Bürger. Für die SPD Amtsinhaber Thomas Beyer, für die CDU, das „Für Wismar Forum“, Bündnis 90/Die Grünen bzw. die FDP deren gemeinsamer Kandidat Hans-Martin Helbig, für die Linke Horst Krumpen und für die „Alternative für Deutschland“ Angelo Tewes.
Seit Sommer 1945 „rot“ regiert
Seit August 1945 wird Wismar durchgehend „rot“ regiert. Prägende Persönlichkeiten im Amte des Oberbürgermeisters bzw. Bürgermeisters waren unter anderem Herbert Säverin (SPD/SED), der von 1945 bis 1950 das Amt inne hatte, ein Gegner einer Vereinigung von SPD und KPD, die er letztendlich auch nicht verhindern konnte, und den Wiederaufbau Wismars nach dem zweiten Weltkrieg einleitete. Weitere langjährige Wismarer Stadtoberhäupter nach dem zweiten Weltkrieg waren Herbert Fiegert (SED, 1957-1969), Günter Lunow (SED, 1969-1989), Rosemarie Wilcken (SPD, 1990-2010) und nunmehr Thomas Beyer (SPD, seit 2010).
Licht und Schatten
Zwar wurde die Hansestadt Wismar nach der Wende auch Weltkulturerbestadt, wurde die Altstadt bzw. die Kirchen, insbesondere die Sankt-Georgen-Kirche, aufwendig saniert und ist die maritime Wirtschaft mittlerweile (und hoffentlich langfristig) in einem relativ sicheren Fahrwasser, so gibt es in Wismar allerdings auch zahlreiche Probleme.
So weiter man sich aus der Altstadt, vom historischen Marktplatz und vom Alten Hafen entfernt, um so unattraktiver erscheint Wismar. In Stadtteilen, wie dem Friedenshof und Wendorf, herrscht eher Tristesse als echte Aufbruchsstimmung. Für das Seebad Wendorf ist eine natürliche „Generalüberholung“ dringend notwendig. Der Strand müßte gesäubert, neu aufgeschüttet werden. Müll und Schmutz bestimmen oftmals das Bild.
Nach Verfall der Gebäude nun Verfall der Menschen
Verfielen vor 1990 die alten Gebäude bzw. Kirchen, so verfallen heute in Wismar die Menschen. Dreizehn Jahre „Agenda 2010“ forderten auch in Wismar eine Menge Tribut von der Mehrheit der Menschen, um die es doch eigentlich gehen sollte. Die uneingeschränkte Willkommenskultur seit 2015, die wirklich politisch und religiös Verfolgte benachteiligt, hatte auch auf Wismar erhebliche Auswirkungen.
Teures Pflaster
Wismar wurde zudem ein teures Pflaster. Die Kosten für Mieten, Gastronomie, Gebühren – nicht zuletzt die Bettensteuer – und nicht wenige kulturelle Angebote sind für eine relativ kleine Stadt sehr hoch. Ebenso die Gewerbe- und Grundsteuer… Die Mehrheit der Menschen, die nur einen Mindestlohn erhält oder in prekären Arbeitsverhältnissen tätig ist, kann sich einen Besuch in den Gaststätten der Stadt oder zu vielen Konzerten in den Kirchen gar nicht mehr leisten. So attraktiv der Alte Hafen auch geworden ist, inzwischen sind die Angebote dort, ob Restaurants, Geschäfte oder Ferienwohnungen, exorbitant teuer.
Immer mehr
Inzwischen platzt der Alte Hafen aus „allen Nähten“. „Back to the roots!“, möchte man meinen. Inzwischen ist dieser fast „überbaut“. Es scheint so, als solle dort jeder Quadratmeter an den Meistbietenden veräußert werden. Ähnlich ist es mit dem „Begrüßungscenter“ für Kreuzfahrtschiffe, als ob ein teures Gebäude angesicht von einem Dutzend Anläufen von (relativ kleinen) Kreuzfahrtschiffen zu rechtfertigen wäre. Aber inzwischen „rudert“ man ja hier seitens der Stadt „zurück“.
Einiges zu tun
Wenig attraktiv entwickelten sich der Bürgerpark und der Lindengarten, der mehr zu einem Hundeauslaufgebiet avancierte, wo große Hunde frei umher laufen. Auf Spaziergänger mit kleinen Kindern wirkt so etwas nicht einladend! In der Innenstadt gibt es leider immer noch echte Schandflecken, alte Bürgerhäuser verfallen 28 Jahre nach der Wende immer noch. Der Bahnhof Wismar ist grauenhaft und abschreckend. Außer dem einstigen medialen Zentralorgan, das immer noch sehr angepasst berichtet, gibt es in Wismar kaum alternative Medien-Angebote.
Erfreulich jedoch, dass die maritime Wirtschaft mit den Werften (hoffentlich) eine Zukunft haben wird, die seit 1908 bestehende Hochschule (einst Ingenieur-Akademie) viel Zuspruch erfährt, es einige Startups gibt, das Theater mit einigen interessanten Gastspielen lockt und Wismar auch Sportstadt geblieben ist und nach wie vor die Hochburg im Frauen-Handball in M-V darstellt.
Wismar – „politische Beute“ der SPD?!
Weniger erfreulich ist die Tatsache, dass die SPD nach 1990 Wismar als ihre „politische Beute“ ansah. Wehe, man gehörte und gehört nicht zum „Fan-Club“ von Rosemarie Wilcken oder von Thomas Beyer. Dann bekommt man in dieser Stadt weder persönlich noch beruflich einen Fuß auf den Boden, muß damit rechnen als „Outsider“ behandelt zu werden, was nicht weiter schlimm ist, da sich die Gerechtigkeit und die Wahrheit am Ende gegen alle politischen Widerstände durchsetzen werden.
Amtsinhaber Thomas Beyer bleibt dennoch der Favorit bei der Wahl am 15.April. Ob das gut ist? Das müssen die Bürgerinnen und Bürger in Wismar beurteilen…
Marko Michels