„Bürger-Dialog“ oder „Politiker-Monolog“ in M-V?!

Diskussionen um den „Rostocker Bürger-Dialog“ im Juli


Unglaublich, was hierzulande, ob in Deutschland allgemein oder in Mecklenburg-Vorpommern speziell, so geschieht… Von Kap Arkona bis zum Bayrischen Wald riefen und rufen unsere Volksvertreterinnen bzw. Volksvertreter zum „Bürgerdialog“ auf.

Fußballwelt

Ganz ausgewählt

An ausgewählte Plätze und Orte des Landes. Mit eingeladenen Gästen. Mit handverlesenen Medienvertretern. Mit der eigenen politischen Hautevolee. „Frau“/man(n) will sich hervorragend in Szene setzen, dem Volk aufs Maul schauen, mitunter diesem danach reden, wenn es zur Befriedigung des eigenen Narzissmus dient, und einen „guten Eindruck“ machen.

Das kann gut gehen, da sich „das Volk“ oftmals blenden lässt, gern Schaumschlägerinnen bzw. Schaumschlägern folgt, schnell vergisst und oftmals zu feige ist, „unseren“ Frauen und Herren Abgeordneten einmal so richtig die Meinung „zu geigen“.

Es ging daneben

Unsere Bundeskanzlerin, mit Wahlkreis „Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald I“, mußte nun erleben, dass solche PR-Aktionen ein Jahr vor der Landtagswahl in M-V und zwei Jahre vor der Bundestagswahl gründlich schief gehen können. Als die 13jährige Palästinenserin Reem, hervorragend integriert, intelligent und offen, in einem akzentfreien Deutsch der deutschen Regierungschefin vom harten Schicksal ihrer Familie und der drohenden Abschiebung berichtete, blieb diese höflich, aber hart. Devise „So ist es halt eben!“.

Gegen-Reaktion aus M-V? – Fehlanzeige!

Und: Wie reagierte der mecklenburgisch-vorpommersche Regierungschef darauf? Setzte er Kontrapunkte, kritisierte er die Kanzlerin und versuchte, die Diskussion zu beleben? Pustekuchen! Erwin Sellering pflichtete Angela Merkel bei.

Warum?! Beide versuchten sich in „politischer Verbalakrobatik“, aber Akrobatik beherrschen hierzulande nur die Akrobatinnen und Akrobaten des VfL Schwerin und der TSG Wismar so richtig.

Man muß sogar sagen, dass dieser „Rostocker Bürger-Dialog“ etwas Entlarvendes hatte. Spätestens jetzt weiß „frau“/man, wie Politikerinnen und Politiker in exponierter Position funktionieren. Vor Wahlen, im täglichen Polit-Geschäft gibt man sich oft „volksnah“, ohne es zu sein, will Kompetenz ausstrahlen, wo keine Ausstrahlung ist, und übt sich im politischen Hütchen-Spiel nach dem Motto „Unter welchem Hut liegt der harte Euro?!“.

Aber das Spiel ist längst durchschaut. „The game is over!“ Ihr seid enttarnt. Jetzt, dank des selbst inszenierten „Bürgerdialogs“, fielen Eure Masken. Der Autor selbst hat in ähnlicher Hinsicht, wie die junge Palästinenserin, im Rahmen der „Bürger-Dialoge“ entsprechende Feldversuche gemacht und kann empirisch nachweisen, dass Ihr ein falsches Spiel betreibt. Wenn der aktuelle Papst meint: „Diese Wirtschaft tötet!“, dann läßt sich ergänzen „Diese Politik tötet zudem!“.

Einzelschicksale egal

Den meisten führenden Politikerinnen und Politikern sind Einzelschicksale so ziemlich egal. Passen diese als Argumentationshilfe in Wahlkampfauftritte sind sie willkommen, aber ansonsten gilt für unsere politischen Sp(r)itzenkräfte: „Verschont mich von Euch!“ – trotz aller Sprüche a la „Wir wollen niemanden zurück lassen!“, „Alle sind willkommen!“ oder „Wir sind doch eine Familie!“. Aber bei solchen politischen „Muttis“, wie die Bundeskanzlerin, oder solchen politischen „Vatis“, wie den Ministerpräsidenten von M-V, ruft man nur eines: „Wer will mich politisch adoptieren?!“.

In was für einem Land leben wir eigentlich? Souverän ist es nicht – weder juristisch betrachtet, noch politisch und noch charakterlich. Menschen dienen als Mittel zum Zweck. Als billige Arbeitskräfte. Als Stimm-Vieh bei Wahlen. Als Objekte. Der einzelne Mensch wird nicht als Individuum angesehen, als einzigartig und als mögliche Bereicherung. Das ist die bittere Realität!

Wolkogonow hat auch hier Recht

Woran das liegt? Auch hier gilt „Wolkogonow“! Prof. Dr. Dimitri Wolkogonow, Leiter des Militärhistorischen Institutes der früheren UdSSR, meinte schon in seiner “Stalinismus-Kritik”, treffend: “Ich glaube, man kann sagen, dass der totale Bürokratismus irgendwie bequem ist für Menschen, die man im Geist der Unfreiheit und der Lüge erzogen hat. Im Leben ist alles vorgeschrieben, man weiß … wann was gesät werden soll, welcher Bericht erstattet werden muß.

Der totale Bürokratismus ist bequem für die Befehlsempfänger … jeder Vorgesetzte wird zu einem kleinen Stalin gegenüber seinen Untergebenen, jeder verhält sich schlecht dem gegenüber, der tiefer steht als er. Die auf gleicher Ebene stehen, werden schief angesehen, und jenen, die oben stehen, wird geschmeichelt.” (Anmerkung: So kann man dann ganz bürokratisch auch eine Familie oder Freigeister „abschieben“, man muß nur sein Gewissen, sofern vorhanden, abschalten!)

Die Worte Wolkogonows haben auch jetzt, in der Gegenwart, heute, Gültigkeit – nicht nur für diejenigen, deren Wiege „östlich der Elbe stand“. Den Begriff „kleiner Stalin“ kann man getrost durch die Bezeichnung „Möchte-gern-groß“ ersetzen. Die erhoffte Demokratie ist längst zum „Demokratismus“ verkommen. Und die Profiteure am „Wilhelminismus“, „Nationalsozialismus“, „Stalinismus“ oder „Demokratismus“, der „verbogenen“ und „verlogenen“ real existierenden Demokratie, sind wieder oben auf!

Menschen als „Instrumente“

Menschen dienen dabei als „Instrumente“, als „Spielbälle“ und als „Fassade“ des eigenen politischen Tuns. Niemand hatte wohl damit gerechnet, wie empathisch, stringent und deutlich eine junge Palästinenserin bei einem „deutschen Bürger-Dialog“ auftreten würde.

Da sahen unsere selbst ernannten politische Eliten ziemlich alt und hausbacken auf. Selbst deren Äußerungen, vorgetragen in deutscher Schlingersprache, konnten da mit den Deutsch-Kenntnissen der jungen Palästinenserin nicht mithalten. Bezeichnend!

Abschlußbetrachtung

Ja, Frau Bundeskanzlerin und Herr Ministerpräsident, wir können nicht allen helfen. Aber: Warum suggeriert Ihr das dann in Euren Reden und Einlassungen? Von wegen allgemeiner Fachkräftemangel! Ja, wie überall werden Informatiker, Maschinenbau-Ingenieure und hoch spezialisierte Naturwissenschaftler gesucht, aber das ist nichts Neues! Warum stellt Ihr Behauptungen auf – eben besagter Fachkräftemangel – wenn es nachweisbar nicht stimmt!

Wenn gut ausgebildete Leute Deutschland und M-V verlassen, liegt das ganz einfach daran, dass die Löhne unzureichend sind, die Lage schlechter ist als es uns die geschönten Statistiken weismachen wollen und weil die politische Diskussionskultur in Deutschland „völlig daneben“ ist. Weil Freigeister ganz subtil zerstört werden! Ihr glaubt es nicht. Ich führe gern den Gegen-Beweis – mit und in aller Deutlichkeit! Ich bin dazu jedenfalls gern bereit, stehe gern dazu im Landtag Rede und Antwort!

Nun zeigt einmal – im Fall von Reem – ob Ihr noch so etwas wie ein Herz habt, ob es schon erkaltete oder bereits in die Hose oder den Rock – je nach Mode-Geschmack und Neigung – rutschte!

Dr. Marko Michels / Kommentar

Foto/Michels: Wir leben alle auf dieser „einen Welt“. Und: Es ist genug für alle da – auch in M-V.