Blick zum Skeleton-Sport

Nachgefragt bei Diana Sartor


Vom 8.Februar bis 21.Februar 2016 finden die Weltmeisterschaften im Skeleton und im Bobsport in Innsbruck-Igls statt. Damit ist der Ort zum vierten Mal Gastgeber von Bob-WM bzw. zum dritten Mal von Skeleton-WM. Weitere „globale Wettkämpfe“ im Bobsport waren die olympischen Entscheidungen 1964 und 1976.

Igls und die Schlitten-WM

Bei den WM 1935 in Igls triumphierten Reto Capadrutt, Emil Diener aus der Schweiz vor Josef Lanzendörfer, Karel Ruzicka aus der Tschechoslowakei und Marchese Storza Birvio, Carlo Soldini (Italien) im Zweier-Bob.

Erst 28 Jahre später gab es die nächsten Bob-WM in Igls – im Jahr 1963. Dort waren die Italiener mit 2 x Gold, 2 x Silber dominierend: Eugenio Monti, Sergio Siorpaes gewannen im Zweier und Sergio Zardini, Ferruccio Dalla Torre, Renato Mocellini, Romano Bonagura im Vierer.

Und weitere dreißig Jahre danach trafen sich die weltbesten Bobsportler wieder zu einer WM in Igls. Im Jahr 1993 erkämpften die deutschen Zweier-Bobs Gold (Christoph Langen, Peer Joechel) und Bronze (Wolfgang, Hoppe), dazwischen platzierten sich die Schweizer Gustav Weder, Donat Acklin. Bei den Vierern triumphierte das Team von Gustav Weder (Schweiz) vor dem Team von Hubert Schösser (Österreich) und dem Team von Brian Shimer (USA).

Ein Rüganer bei Olympia 1976 vorn

Bei den olympischen Entscheidungen 1964 in Igls konnten sich Anthony Nash, Robin Dixon (Großbritannien) im Zweier und Victor Emery, Douglas Anakin, John Emery, Peer Kirby (Kanada) im Vierer durchsetzen. Und bei Winter-Olympia 1976 erkämpfte der Rüganer Meinhard Nehmer zweimal Gold – im Zweier mit Bernhard Germeshausen und im Vierer ebenfalls mit Bernhard Germeshausen, Jochen Babock und Bernhard Lehmann.

Im Skeleton fanden Welt-Titelkämpfe in Igls erst zweimal statt. Im Jahr 1991 wurde nur ein Herren-Wettbewerb ausgetragen, bei dem es einen österreichischen Dreifach-Erfolg durch Christian Auer, Andy Schmid und Michael Grünberger gab.

Im Jahr 2000 stand sogar in Igls erstmals eine WM im Skeleton der Frauen auf dem Programm. Die Thüringerin Steffi Hanzlik gewann vor Mellissa Hollingsworth (Kanada) und ricia Stumpf (USA). Die Herren-Konkurrenz war „eine Sache“ von Andy Böhme vom BSR „Rennsteig“ Oberhof, der Gregor Stähli (Schweiz) und die zeitgleichen Jim Shea (USA) bzw. Alex Müller (Österreich) auf die weiteren Plätze verwies.

Eine Skeletona, die auch Sportgeschichte schrieb, ist Diana Sartor, die gebürtige Sächsin. Diana Sartor, Jahrgang 1970,  ist mit WM-Gold 2004 eine von vier deutschen Weltmeisterinnen im Skeleton (Steffi Hanzlik 2000, Anja Huber 2008 und Marion Trott, verheiratete Thees 2009 bzw. 2011). Außerdem wurde Diana Sartor 2004 auch Europameisterin und 2002 in Salt Lake City Vierte.

Wie beurteilt die Skeleton-Weltmeisterin von 2004 nun das frühere und aktuelle Skeleton-Geschehen?!

Diana Sartor über die Atraktivität des Skeleton-Sportes, ihre besonderen Erlebnisse als aktive Skeletona, ihr Leben ohne Skeleton-Schlitten, ihre aktuelles berufliches Engagement und ihre „Bindungen“ zu M-V

„Für mich die ästhetischste Sportart im Eiskanal…“

Frage: Frau Sartor, Sie sind jetzt Betreiberin der „Bärenfels Pension“ im Osterzgebirge… Bleibt da noch Zeit für den Blick zu den gegenwärtigen Skeleton-Wettkämpfen?! Wenn ja, wie beurteilen Sie die Chancen des deutschen Skeleton-Teams bei den WM in Igls 2016?

Diana Sartor: Natürlich verfolge ich das Geschehen im Schlittensport nicht mehr so intensiv, aber so weit es mein berufliche und familiäres Engagement erlauben, bin ich bei internationalen Wettkämpfen an der Bahn in Altenberg. Dort findet ja am 13./14.Februar der Weltcup (zugleich EM) im Rennrodeln statt.

Ansonsten habe ich noch regen Kontakt zu Jens Müller, dem früheren erfolgreichen Rennrodler, der inzwischen ja Bundestrainer im Skeleton-Bereich ist.
Was die Chancen des deutschen Skeleton-Teams bei den WM betrifft: Tina Hermann, die bis Ende Januar vier von sechs Weltcups 2015/16 gewann, hat sich inzwischen in der absoluten Weltspitze fest etabliert und auch Axel Jungk, der in der laufenden Weltcup-Serie bereits zwei Podiumsplätze schaffte und ein Schnellstarter ist, könnte bei den WM 2016 vorn dabei sein.

Allerdings sind die fahrerischen Ansprüche auf der Bahn in Igls nicht so groß, wie zum Beispiel in Altenberg, Whistler, Lake Placid oder in Königssee. Technische Qualitäten sind daher in Igls nicht so entscheidend. Dort ist faktisch eine „Autobahn“, auf die man sich ohne Angst begeben kann. Daher ist der Kreis der Medaillen-Anwärterinnen und -Anwärter umso größer. Es wird nicht einfach sein, eine Medaille in Igls zu erkämpfen…

Frage: Was waren für Sie – im Rückblick – die schönsten Momente Ihrer sportlichen Karriere? An welche Wettkämpfe erinnern Sie sich besonders gern?

Diana Sartor: Da gibt es vor allem zwei Wettkämpfe, die für mich nachhaltig in Erinnerung bleiben. Einerseits ist da mein erster Weltcup-Erfolg am 6.Dezember 2003 in Lake Placid zu nennen, als ich mich gegen Lindsay Alcock (Kanada) und Michelle Kelly (ebenfalls Kanada) durchsetzte. Eine große Bedeutung hat für mich auch der zweite Platz im Gesamt-Weltcup 2003/2004 – übrigens hinter Lindsay Alcock. Damit konnte ich unter Beweis stellen, dass ich eine beständig erfolgreiche Skeletona war. Das „Tüpfelchen auf dem i“ waren in der Saison 2003/2004 dann auch der EM-Triumph und vor allem der WM-Titel in Königssee. Dort siegte ich denkbar knapp mit dr Gesamt-Fahrzeit von 3:20,78 mit nur sechs Hundertstel Sekunden Vorsprung vor Lindsay Alcock… Die Stimmung und Begeisterung an der Bahn und dann nach dem Erfolg bleiben für mich unvergesslich.

Frage: Was war, was ist für Sie das Faszinierende am Skeleton-Sport? Hatten Sie nie Ambitionen für die Bob- oder Rodel-Schlitten?

Diana Sartor: Ehrlich gesagt, nein… Ich war 1994 als 24jährige bei einer Weltcup live dabei und fasziniert von den Skeletonis. Mir imponierte insbesondere die elegante und filigrane Startphase. Für mich war und ist Skeleton die ästhetischste Sportart im Eiskanal. Nichts gegen die Bobfahrer oder Rennrodler, aber für mich war Skeleton ganz einfach reizvoller… Die Rennrodler müssen sich am Start ins Rennen „paddeln“, das ist bei den Skeletonis dan doch um ein Vielfaches attraktiver – und auch die Haltung auf dem Schlitten…

Wie ich nun Aktive wurde… Die Erlebnisse 1994 waren für mich eine Initialzündung, es im Skeleton zu versuchen. Ich kam ja praktisch als bisherige Nicht-Sportlerin zum Skeleton, was auch einen besonderen Hintergrund hat…

Mein Vater stammt ja aus dem Westerwald, kam noch – aus beruflichen Gründen – weit vor dem Mauerfall nach Sachsen, verliebte sich nicht in die DDR, aber in meine Mutter. Das Ergebnis bin auch ich… – da gab es dann für mich „unsichtbare Grenzen“, was meinen Weg in den DDR-Leistungssport betraf. Ich war zwar sehr sportlich, hatte beste Voraussetzungen, nahm auch erfolgreich bei Kreismeisterschaften in der Leichtathletik, insbesondere im Sprint und im Hochsprung, teil, aber für „höhere sportliche Weihen“ lehnte man mich ab. Ich galt wohl – vor meinem familiären Hintergrund – als politisch unzuverlässig.

Tja, ich mußte mir Mitte der 1990er – als „reifere“ Frau – erst einmal die Präzision in der Körperhaltung auf dem Skeleton-Schlitten aneignen. Die damaligen Mitglieder meiner Trainingsgruppe schmunzelten, wie eine bisherige „Hausfrau“ leistungssportlich auf einem Schlitten bestehen will. Aber sie halfen mir. Zur Trainingsgruppe gehörte auch der gebürtige Güstrower und ehemalige Leichtathlet des SC Traktor Schwerin Torsten Voss, der Weltmeister 1987 bzw. Olympia-Zweite 1988 im Zehnkampf und Vierer-Bob-Europameister 1998/2001 sowie Vierer-Bob-Vize-Weltmeister 1997. Der unterstützte mich auch sehr.

Frage: Sie haben ja auch Kinder, Ihre Nichte Sarah hatte sich doch auch für den Skeleton-Sport entschieden… Streben Ihre Kinder oder weitere Angehörige von Ihnen ebenfalls zum Skeleton?

Diana Sartor: Nicht mehr oder noch nicht… Sarah hat inzwischen mit dem Skeleton-Sport aufgehört und meine beiden Kinder, die Ältere geht in die dritte Klasse und der Jüngere in die erste Klasse, sind zwar sportlich aktiv- insbesondere mit Skiern und dem Snowboard – hegen aber (noch) keine Ambitionen zum Skeleton. Vielleicht ändert sich das?! Wir protegieren da aber nichts. Haben sie irgendwann daran jedoch Interesse, werden wir sie gern unterstützen. …Obwohl es eine große Nervenanspannung für mich wäre, sie aktiv im Eiskanal zu sehen!

Frage: Wie sieht Ihr Leben ohne Skeleton-Schlitten aus? Was machen Sie neben Ihrer Tätigkeit als Pensions-Inhaberin?

Diana Sartor: Meine Pension beansprucht mich über das ganze Jahr doch sehr. Es ist mehr als nur eine berufliche Tätigkeit. Wir haben ja viele Sportlerinnen und Sportler, insbesondere aus dem Schlittenbereich, hier. Demnächst kommen die deutschen Rennrodlerinnen bzw. Rennrodler, die ja am 13./14.Februar ihren Weltcup (zugleich EM) in Altenberg austragen werden. Auch das koreanische Weltcup-Team, das auch von meinem Mann (Steffen Skel), einem ehemaligen Rennrodler betreut wird, ist hier. Diese haben mit Blickrichtung „Olympische Winterspiele 2018 in Pyeongchang“ einige Ambitionen. So muß ich halt deutsch und koreanisch kochen – auch eine besondere Herausforderung…

Zudem sind auch oft die Skeleton-Teams aus Großbritannien, Japan, Australien oder Italien bei uns zu Gast. Viele der Trainerinnen und Trainer kenne ich ja noch aus meiner aktiven Zeit, kenne sie also sehr gut. Das ist dann schon eine sehr sportlich-familiäre Stimmung, wenn diese in meiner Pension sind. Zurzeit sind außerdem Schulferien, da ist der Zuspruch ohnehin enorm. Also „langweilig“ wird mir nie…

Letzte Frage: Und… Sind Sie auch mal in M-V?

Diana Sartor: Wir sind regelmäßig in Mecklenburg-Vorpommern, mal auf Usedom und mal auf Rügen. Ansonsten ist meine Familie auch gern im brandenburgischen Templin, mein Bruder arbeitet dort in einem Hotel. Während meiner aktiven Sport-Karriere war ich ebenfalls oft zu Trainingslagern in Rostock.

Übrigens: Seit 18 Jahren veranstalte ich ein „Jedermann-Skeleton-Rennen“ in Altenberg unter dem Motto „Schlag Diana!“, an dem Skeleton-Interessierte versuchen können, mich zu bezwingen. Stetig dabei ist auch der Neubrandenburger Arzt Dr. Michael Druse, der sich auch sportlich-sozial sehr engagiert. Mittlerweile ist daraus eine gute Freundschaft entstanden. Es gibt also gute Kontakte nach M-V!

Weitere Informationen zu Diana Sartor unter: www.pension-sartor.de .

Zusätzliche Infos zum Skeleton

Eine Skeleton-Sportler aus M-V

Sandro Stielicke (BSC Winterberg), Jahrgang 1986, Geburtsort Teterow, war aus M-V-Sicht zwischen 2005 und 2013 auch aktiver Skeleton-Sportler. Er wurde Junioren-Weltmeister 2009, kam bei der Elite-WM 2009 auf Rang sechs, belegte Platz zehn beim olympischen Wettbewerb 2010 in Whistler und hatte dann noch 2010/11 eine erfolgreiche Saison mit dem Gesamt-Weltcup-Rang zwei und WM-Platz vier.

Skeleton und Olympia

Skeleton, die rasante Eissportart hat wahrlich eine große und abwechslungsreiche  Geschichte. Vor 88 Jahren war Skeleton zum ersten Mal im olympischen Programm – bei den Winterspielen 1928 in Sankt Moritz (Sieger: Jennison Heaton aus den USA). Danach dauerte es weitere 20 Jahre bis die Skeleton-Athleten, wieder nur die Herren, erneut unter den olympischen Ringen starten durften: 1948 in Sankt Moritz (Sieger: Nino Bibbia aus Italien). Und viele Jahre, genau 54, mußten vergehen, bis Skeleton wieder Zutritt in die olympische Familie erhielt: 2002 in Salt Lake City war es wieder so weit (Siegerin: Tristan Gale aus den USA / Sieger: Jim Shea aus den USA). Seitdem, 2006 in Turin, 2010 in Vancouver und 2014 in Sotschi, ist Skeleton aus den olympischen Angeboten nicht mehr wegzudenken.

Marko Michels