Backhaus: Neugestaltung der europäischen Agrarpolitik notwendig

Landwirtschafts- und Umweltminister Dr. Till Backhaus betonte heute in der aktuellen Stunde des Landtages zum Thema: „Die Zukunft der europäischen Agrarpolitik und die Entwicklung der ländlichen Räume“ die Notwendigkeit, sich jetzt aktiv in die Diskussion um die Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) einzubringen.

„Die Mitteilung der Kommission zu den verschiedenen Optionen, allerdings noch ohne Zahlen, erwarte ich nicht vor November 2010. Über die konkreten Verordnungsentwürfe werden die Mitgliedsstaaten im kommenden Jahr beraten. Dann ist es jedoch kaum mehr möglich, Einfluss auf die Richtung zu nehmen. Wer nicht will, dass andere über den Weg unserer Landwirtschaft entscheiden, muss eigene Vorstellungen einbringen und dafür jetzt um Mehrheiten im Europaparlament, bei anderen Mitgliedsstaaten und in den Gremien der EU werben“, unterstrich Backhaus.

Dabei wäre es sicher gut, wenn Deutschland und alle Bundesländer mit einer Stimme sprechen würden.

„Wenn allerdings diese Stimme eben keine geeignete agrarpolitische Perspektive widerspiegelt, dann sind mahnende Zwischenrufe nicht nur erlaubt, sondern dringend erforderlich. Wir brauchen eine grundlegend neue Architektur der europäischen Agrarpolitik – und wir müssen uns jetzt auf den Weg machen“, betonte der Minister.

Derzeit gebe es drei Grundmodelle

1. Fortführung des bisherigen Systems der Direktzahlungen mit geringen Änderungen, weitgehende Beibehaltung des hohen Mittelvolumens der GAP insgesamt;

2. Beibehaltung eines flächendeckenden Systems von Direktzahlungen mit weiterhin hohem Finanzvolumen, aber erheblicher Umbau des bisherigen Systems, indem Flächenprämien nach Maßgabe verschiedener Kriterien wie Betriebsgröße, Produktionsprofil, Arbeitskräfte, stärkere Umweltbindung) erhöht oder gesenkt werden;

3. schrittweise Abschaffung/Umbau des gegenwärtigen Systems der Direktzahlungen, im Gegenzug finanzielle Aufstockung oder Neukonzipierung von Politikmaßnahmen, mit denen der Agrarsektor und die ländlichen Räume möglichst zielgerichtet auf künftige Herausforderungen vorbereitet werden sollen.

„Ich stehe für das dritte Modell und finde dabei Unterstützung vom wissenschaftlichen Beitrat des Bundeslandwirtschaftsministeriums.  Dessen Empfehlungen sind allerdings sehr deutlich auf den vollständigen Abbau der Direktzahlungen, auf mehr Wettbewerb und klare Leistungsvergütung für neue Herausforderungen gerichtet. Realistisch betrachtet, wird es keinen abrupten Systemwechsel ab 2013 geben. Aber wir müssen die Voraussetzung dafür schaffen, dass bis 2020 der Umbau von einer primär „schutzorientierten“ auf eine „gestaltungsorientierte“ Agrarpolitik vollzogen ist“, warb der Minister für seine Position.

Pauschale Zahlungen würden immer mehr unter Legitimationsdruck geraten. Nur ein echter Leistungsbezug macht die Zahlungen an die Landwirte in Europa zukunftsfest. Gelingt dies nicht erleben wir ein fortschreitendes Zusammenstreichen des EU-Agrarhaushaltes. Dabei wird Mecklenburg-Vorpommern mehr verlieren, als durch eine Neugestaltung der GAP“, warnte der Minister.

Zugleich warb der Minister für eine Neuausrichtung der Förderung des ländlichen Raums. Ohne lebensfähige ländliche Räume wird es in naher Zukunft auch keine funktionierend Landwirtschaft mehr geben. Wir haben in MV das, was der europäische Landwirtschaftsfonds heute sektorübergreifend zulässt, bereits weitgehend ausgeschöpft. Während im Bundesdurchschnitt nur 13 Prozent für die integrierte ländliche Entwicklung und Lebensqualität veranschlagt sind, haben wir in Mecklenburg-Vorpommern 39 Prozent geplant (511 Mio. € EU). So werden bei uns uns dem ELER Investitionen in Kindertagesstätten, Schulen, Arztpraxen und Sportstätten auf dem Lande gefördert.

Die flächendeckende Breitbandversorgung ländlicher Gemeinden wird ebenso unterstützt, wie die Erhaltung von Schlössern, Parkanlagen und Kirchen mit touristischer Bedeutung. Sogar die Gründung und Entwicklung von Kleinstunternehmen bis zu 10 Mitarbeitern außerhalb der Landwirtschaft kann aus dem ELER gefördert werden.

Der ELER habe trotz seines umfangreichen Spektrums derzeit keine Komponente, die die Erreichung sozialer Ziele im ländlichen Raum ähnlich kontinuierlich unterstützt, wie die Erreichung von Umweltzielen. Das müsse sich ändern – europäisch und national.

„Mit dem Hin- und Herschieben von Finanzmitteln zwischen Säulen und Schwerpunkten und mit dem Verteidigen von vermeintlichen Besitzständen werden wir die großen Herausforderungen, denen sich die Landwirte und die ländlichen Räume ausgesetzt sehen, nicht bewältigen.

In Zukunft muss es darum gehen, ländliche Gebiete überhaupt lebendig zu erhalten und ein neues Leitbild für die Landwirtschaft des 21. Jahrhunderts in Europa zu verankern.“