Aufgaben der Verbraucherschützer im Lande werden vielfältiger

-Beraten, informieren, aufklären und vertreten –

Die Gründe: Angebotsvielfalt, raffiniertere Abzocke- und Täuschungsmethoden sowie Falschberatungen verunsichern Verbraucher und hier zunehmend Senioren

Rostock. Axel Drückler, Fachberater Finanzdienstleistungen, kann sich nicht erinnern, je einen solchen Ansturm zu Fragen rund um Geld- und Sparanlagen erlebt zu haben. Allein über die von Oktober bis Weihnachten 2008 geschaltete bundesweite Hotline zur Bankenkrise meldeten sich tausende Verbraucher und wollten wissen, wie es weiter geht. Und immer wieder stellte sich heraus, welch´ großen Defizite beim Abschluss von Anlageverträgen bestehen. Drückler nannte im Pressegespräch folgende Schwerpunkte:

– Verbraucher können ihre Anlageprodukte meist überhaupt nicht beurteilen,

– sie wissen zu wenig bzw. nichts über die Risiken ihrer Finanzprodukte,

– Banken informieren zu spät oder gar nicht über neu entstehende Risiken,

– Beratungsgespräche sind sehr stark provisionsorientiert,

– Inhalte von Gesprächen im Rahmen der Anlageberatung werden nicht dokumentiert,

– im Streitfall – wie jetzt – müssen geschädigte Verbraucher belegen, dass sie wissentlich falsch beraten worden sind,

– Finanzprodukte haben sich in  den letzten Jahren unübersichtlich entwickelt und unterliegen keiner Zulassungspflicht,

– Erkenntnisse der Aufsichtsbehörden über Schadensfälle werden nicht öffentlich gemacht.

Dass die Bankenkrise damit auch eine Krise des Verbraucherschutzes sei und kein Verbraucher von sich behaupten könne, er verhandele mit den Anbietern auf Augenhöhe, gehört zu den wesentlichen Erkenntnissen, aus denen die Verbraucherschützer und sicherlich auch die Politik jetzt Konsequenzen ziehen müssen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern komme auf eine Million Einwohner bislang nur ein unabhängiger Berater für Finanzdienstleistungen bei der NVZ. Eine Initiative des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen sieht noch für dieses Jahr eine nachhaltige Stärkung des Bereiches Finanzberatung vor, konnte Dr. Jürgen Fischer, Vorstand der NVZ vermelden.

Der erhebliche Zuwachs in der Beratungsnachfrage kam 2008 praktisch aus allen Fachbereichen der NVZ und ist sicherlich auch den erweiterten Öffnungszeiten aller sechs Beratungsstellen zuzurechnen. Waren es 2007 etwa 7.900 Beratungen allein zum Verbraucherrecht, so stieg diese Zahl 2008 auf über 11.000. Damit haben sich die realisierten Veränderungen (Eröffnung Wismar, neue Beratungsstellen in Schwerin und Neubrandenburg, vereinheitlichte und erweiterte Öffnungszeiten, Einstellung zweier Juristen) sehr gut ausgewirkt. Auch die Eigeneinnahmen aus der Beratung konnten um 18 Prozent gesteigert werden, wobei immer noch jede Beratung zu etwa 75 Prozent durch bundes- und Landesmittel finanziert wird. Vier Beratungsstellen sind nun auch behindertengerecht zugänglich.

Eine Gruppe Verbraucher, die in früheren Jahren fast nie die Beratung der NVZ in Anspruch genommen hat, sind die Senioren, und zwar die, die 70 und weit älter sind. Sie werden heute gezielter denn je als Opfer für jedwede Abzocke ins Visier dubioser Firmen genommen. Über unerlaubte Werbeanrufe, Adress- und Datenhandel gelingt es im Verbund mit der Nutzung modernster Technik, einen riesigen Schaden bei den Betroffenen anzurichten. Kaufkraft in Millionenhöhe wird so versucht aus unserem Bundesland abzuziehen, weiß Matthias Wins, Fachberater Recht bei der NVZ.

Die Verbraucherzentrale des Landes versucht im Verbund mit anderen Verbraucherorganisationen durch ein angepasstes und erweitertes Profil auf die neuen Entwicklungen so weit als möglich zu reagieren. Erfahrungen zeigen, dass es gerade bei den älteren Verbrauchern darauf ankommt, über soziale Kontakte eine gewisse Sensibilität eventuelle Probleme im Verbraucheralltag zu entwickeln.

Seit Ende 2008 führt die NVZ unter dem Motto „Wir wissen weiter!“ kostenfreie Seminarreihen für interessierte Verbraucherinnen und Verbraucher durch. Schwerpunkt sind erst einmal die östlichen Landkreise. Vermittelt werden alle Schwerpunktthemen, die in der Tätigkeit der NVZ eine Rolle spielen. Dieses bundesweit einzigartige Projekt soll die Verbraucherschützer näher an die Probleme vor Ort bringen. Die Seminare stoßen auf eine ebenso gute Resonanz wie die seit 2007 begonnenen Verbraucherforen.

Etabliert hat sich derzeit die unabhängige Patientenberatung (UPD), die 2008 sehr stark ausgelastet war und sich immer mehr zu einer tragenden Säule der Verbraucherarbeit entwickelt.

Aufgebaut wird in diesen Wochen ein Projekt, das Verbraucher als Marktteilnehmer auf Gegenstrategien zum Klimawandel einstellen soll. Im April 2009 soll hierzu der Start erfolgen.

Auch, wenn das Land weitgehend von Lebensmittelskandalen verschont blieb, sind Fragen zur Sicherheit und Kennzeichnung von Lebensmitteln ein Dauerbrenner, betonte Uta Nehls vom Ernährungsprojekt der NVZ.  Hier setzen die Mitarbeiterinnen Projektes  vielseitige Informationsprogramme vom Kindesalter bis zum Senioren-Einkaufstraining um.

Einer der jährlichen Höhepunkte gestaltet sich immer am Weltverbrauchertag am 15. März. In diesem Jahr greifen die Ernährungsexpertinnen im Rahmen einer Veranstaltung in einem Neubrandenburger Gymnasium auch das Problem Lebensmittelwerbung für Kinder und Jugendliche auf.

Obwohl die Aufgaben auch 2009 nicht kleiner werden, hoffen die Verbraucherschützer nicht nur, dass alle Projekte kontinuierlich weiter gefördert werden, sondern dass auch die generelle Unterstützung der Landespolitik nicht nachlässt. Schon heute gelingt es, aus einem Euro, den das Land aufwendet, zwei weitere Euro an Mitteln zu akquirieren.

In diesem Sinne ist die vom Landtag Mecklenburg-Vorpommern jetzt diskutierte Stärkung der Verbraucherrechte überaus zu begrüßen (siehe Drucksache des Landtages 5/2142).