Auch nach 17 Jahren deutscher Einheit keine gleichwertigen Lebensverhältnisse

Anlässlich des 17. Jahrestages des Tages der Deutschen Einheit erklärt der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Prof. Dr. Wolfgang Methling:

„Das Ende der DDR bedeutete das Ende eines Gesellschaftsmodells, das verkrustet und in der bestehenden Form nicht überlebensfähig war. Die Hoffnungen auf Änderungen innerhalb des Systems hatten sich bald zerschlagen. Die Menschen waren schnell mit einem für sie fremden wirtschaftlichen und politischen System konfrontiert. Viele arrangierten sich und es ging ihnen materiell besser. Für eine nicht unerhebliche Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern begann aber eine Zeit der Ausgrenzung und Herabwürdigung ihrer Biographien.

Beim Prozess der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten galten die politische Ordnung und Werte der alten Bundesrepublik als Maßstab aller Dinge. Seit einiger Zeit wird in der Bundesrepublik versucht, mühsam bestimmte Dinge wieder aufzubauen, die in den Jahren nach der Wiedervereinigung aus politischen Gründen in den Neuen Ländern zerschlagen wurden. Ich denke beispielsweise an Ganztagsschulen, Betreuung in Krippen oder an die stärkere Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung im Gesundheitswesen.

Wir verkennen nicht, dass seit der Wende Enormes geleistet wurde, etwa bei der Städtesanierung oder der Verkehrsinfrastruktur. Auch im ökologischen Bereich hat es außerordentliche Fortschritte gegeben. Aber es darf nicht übersehen werden, dass auch nach 17 Jahren deutscher Einheit die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Ost und West noch nicht hergestellt ist. Immer noch werden Rentnerinnen und Rentner nicht gleichbehandelt, ist das Lohnniveau im Osten niedriger als im Westen. Zugleich leben immer mehr Menschen in Armut, große Teile der Bevölkerung sind vom wirtschaftlichen Aufschwung und Wohlstandswachstum abgekoppelt. Die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich verfestigt, die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander

In den vergangenen 17 Jahren ist der Reformdruck in Ost und West enorm gestiegen. Die Bundesregierungen haben darauf mit massivem Sozialabbau reagiert: die sozial zutiefst ungerechte Hartz-IV-Gesetzgebung, eine Steuerreform, die Arme ärmer und Reiche reicher macht, und eine Gesundheitsreform, die das Solidarprinzip aushebelt. Es ist unakzeptabel, wenn gesagt wird, es gäbe keine Alternativen zu diesem sozialpolitischen Irrweg.

Es ist höchste Zeit, den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, von dem die Menschen ihre Existenz sichern können. Ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor muss den Menschen Arbeit geben, die auf dem so genannten ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben. Wir brauchen eine Steuerreform, die nicht länger die Konzerne und Großunternehmen entlastet, sondern die Schieflage bei der Absicherung notwendiger staatlicher Aufgaben beseitigt. Insbesondere sind nachhaltige Investitionen erforderlich, vor allem Investitionen in die Köpfe – im Interesse für ganz Deutschland.“