Staatsanwaltschaft Rostock erhebt Anklage in Zusammenhang mit Unregelmäßigkeiten bei der Förderung von Wohnungsbau
Die Staatsanwaltschaft Rostock hat bei dem Landgericht Schwerin – Wirtschaftsstrafkammer – Anklage gegen zwei Beamte der Finanzverwaltung Mecklenburg-Vorpommern wegen Untreue erhoben.
Nach dem Ergebnis ihrer seit Sommer 2006 landesweit geführten Ermittlungen legt die Staatsanwaltschaft Rostock den Angeschuldigten zur Last, in der Zeit von April 2003 bis Mai 2005 veranlasst zu haben, dass Wohnungsbaugesellschaften und andere Bauherren widerrechtlich Fördermittel erhielten. Grundlage für eine Auszahlung waren Bescheinigungen der Kommunen, in denen offensichtlich falsch ausgewiesen wurde, dass tatsächlich auf der „grünen Wiese“ geplante Bauvorhaben sich in den allein förderfähigen städtischen Kerngebieten befänden. Die widerrechtliche Auszahlung der Investitionszulagen erfolgte im Wesentlichen zu Lasten von Haushaltsmitteln des Bundes.
Die angeschuldigten Beamten übten im Tatzeitraum die Fachaufsicht im Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern bzw. in der damaligen Oberfinanzdirektion Rostock über die Finanzämter des Landes aus. In einer im April 2003 in der Oberfinanzdirektion Rostock stattgefundenen Dienstbesprechung soll der Angeschuldigte B. (47) die Sachgebietsleiter der Finanzämter angewiesen haben, die von den kommunalen Baubehörden ausgestellten „Kerngebietsbescheinigungen“ ohne weitere Prüfung grundsätzlich anzuerkennen, wenn sie nicht gerade nach eigener Ortskenntnis des Sachbearbeiters außerhalb des bescheinigten Fördergebietes lägen. In diesem Sinne soll auch der Angeschuldigte Dr. S. (40) zur Befolgung des „Augen zu und durch“-Prinzips aufgerufen haben. Demnach sollten auch bei verbleibenden Zweifeln an der Förderungsfähigkeit der Objekte die Investitionszulagen bewilligt werden. Die Weisung der Angeschuldigten soll dazu geführt haben, dass bei den Finanzämtern Stralsund und Bergen Überprüfungs-verfahren beendet und dadurch Investitionszulagen in Höhe von insgesamt über 500.000 € unrechtmäßig ausgezahlt bzw. nicht zurückgefordert wurden.
Im Dezember 2004 sollen die Angeschuldigten das Finanzamt Pasewalk angewiesen haben, berechtigte Einwendungen gegen die offensichtlich unzutreffenden „Kerngebietsbescheinigungen“ des Bauamtes der Stadt Pasewalk zur sogenannten Anklamer Siedlung fallen zu lassen. Dabei sollen sie gewusst haben, dass es sich um rechtswidrige Gefälligkeitsbescheinigungen handelte, zumal die Anklamer Siedlung auf dem Weideland außerhalb des Stadtgebietes errichtet worden war. Weisungsgemäß soll der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamt Pasewalk auf die Rückforderung von über 650.000 € rechtsgrundlos ausgezahlter Fördermittel verzichtet haben. Auf eine weitere, dem Angeschuldigten Dr. S. zur Last gelegte Weisung aus Mai 2005 soll das Finanzamt Waren die Überprüfung einer offensichtlich rechtswidrigen Kerngebietsbescheinigung der Stadt Waren beendet haben, die ein gleichermaßen außerhalb des eigentlichen Stadtgebietes gelegenes Wohnbauvorhaben betraf. Der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamtes Waren soll der Weisung zufolge zu Unrecht die beantragte Investitionszulage von über 13.000 € ausgezahlt haben.
Im Zusammenhang mit der Bewilligung von Investitionszulagen zur Kerngebietsförderung sind bei der Staatsanwaltschaft Rostock 23 weitere Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Subventionsbetruges bzw. der Beihilfe zu solcher Straftat anhängig. Diese richten sich gegen einzelne Bauherren bzw. gegen Verantwortliche von Wohnungsbauunternehmen, die für ihre offensichtlich nicht im Stadtgebiet gelegenen Objekte gleichartige Fördermittel beantragt und erhalten haben sollen, sowie gegen Bürgermeister und leitende Bauamtsmitarbeiter, die für die Erteilung der offensichtlich rechtswidrigen „Kerngebietsbescheinigungen“ verantwortlich sein sollen. Die Staatsanwaltschaft Rostock beabsichtigt, auch jene Ermittlungsverfahren in Kürze abzuschließen.
[Dem Land Mecklenburg-Vorpommern oblag die Durchführung des Investitionszulagengesetzes 1999 (im Folgenden: InvZulG 1999). Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 InvzulG1999 war durch die Finanzämter bei Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift eine Zulage in Höhe von 10 % der Kosten der Anschaffung oder Herstellung neuer Gebäude zum Zwecke der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken zu gewähren, wenn der Anspruchsberechtigte durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde die Belegenheit des Gebäudes im förderfähigen Gebiet im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 4b InvZulG 1999 (im Folgenden: Bescheinigungen) nachwies. Die Zulage war aus dem Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer auszuzahlen, welches Bund und Ländern gemeinsam zusteht. Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens stand der Finanzverwaltung bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit von Bescheinigungen zu deren Korrektur das sogenannte Remonstrationsverfahren zur Verfügung, mit dem die zuständigen Gemeindebehörden zu einer Überprüfung und einer entsprechenden Änderung oder Rücknahme der jeweiligen Bescheinigung angehalten werden konnten.]