Am Ruder in London

Die olympische Ruder-Regatta ruft …

Schwerin und Rudern – das hat eine lange Tradition. Vor fast 140 Jahren gründete sich in der Landeshauptstadt MV die Schweriner Rudergesellschaft von 1874/75. Die olympischen Medaillen-Ehren ließen dann noch etwas auf sich warten, aber inzwischen gibt es schon einige. Für eine die erste Schweriner Olympia-Rudermedaille sorgte der 1941 in Schwerin geborene Manfred Schneider 1972 in München. Mit 19 Jahren begann Manfred Schneider bei Dynamo Schwerin zu rudern, und war in den Anfangsjahren vor allem ein guter Einer-Ruderer. In München gewann er mit dem DDR-Achter dann Bronze.

1972 gab es  im Vierer mit Steuermann für den gebürtigen Rostocker Reinhard Gust bzw. den gebürtigen Bützower Eckhard Martens, die beide 1972 beim SC Dynamo Berlin trainierend, vorher jedoch bei Dynamo Schwerin ihre rudersportliche Grundausbildung erhielten. Auch vier Jahre später gab es Edelmetall … Dabei feierte Michael Wolfgramm einen olympischen Überraschungssieg`76. Der gebürtige Schweriner wurde relativ kurzfristig für den Doppelvierer nominiert und gewann “auf Anhieb” die Goldmedaille in Montreal.

Danach gehörte er übrigens nie wieder einer DDR-Ruder-Auswahl bei internationalen Meisterschaften an, aber Olympia-Gold ist ja ein guter Trost. Dann dauerte es weitere 12 Jahre bis zum nächsten olympischen Edelmetall. Die Ruderer Steffen Zühlke, geboren in Schwerin, und Steffen Bogs, geboren in Rostock, ruderten 1988 in Seoul  im bronzenen Doppelvierer.

Und für die vorerst letzten olympischen “Medaillen-Gefühle” sorgten 1992 in Barcelona aus Schweriner Sicht Annette Hohn (Vierer ohne/Bronze) bzw. Thoralf Peters (Vierer mit/Silber). Sybille Schmidt, die für Dynamo Schwerin über viele Jahre schöne Erfolge in den Kinder- und Jugendklassen einfuhr, erkämpfte `92 zusammen mit Birgit Peter, Kristina Mundt und Kerstin Müller im Doppelvierer 1992 sogar Olympia-Gold.

Für großartige Schweriner Ruder-Erfolge sorgten zuletzt im Nachwuchsbereich Anne-Sophie Agarius und Hannes Ocik. Insbesondere Anne-Sophie hat noch olympische Chancen auf London 2012. Vieles hängt von den Resultaten der kommenden acht Wochen ab, in denen einige nationale und internationale Regatten auf dem Programm stehen. Sehr wichtig sind dabei die Weltcups in Belgrad (4.-5.Mai), in Luzern (25.-27.Mai) und in München (15.-17.Juni).

Nachgefragt bei Ruder-Nestor Hans-Jürgen Wüsthoff

„Hoffe besonders auf Felix Drahotta und Stephan Krüger …“

Frage: Zum 40.Jubiläum der ersten Schweriner Olympia-Rudermedaillen durch Manfred Schneider (Dynamo Schwerin/Dynamo Berlin) sowie Reinhard Gust/Eckhard Martens (Dynamo Schwerin/Dynamo Berlin) 1972 könnte eine Schweriner Ruderin die Qualifikation für London schaffen. Anne-Sophie Agarius werden gute Chancen auf eine Olympia-Teilnahme eingeräumt. Sind Sie da auch zuversichtlich?

Hans-Jürgen Wüsthoff: Zunächst einmal ist erfreulich, dass die Rostockerinnen Julia Lepke, Ulrike Sennewald und Nadja Drygalla den Sprung in die Nationalmannschaft des Frauen-Achters geschafft haben. Anne-Sophie Agarius wurde zwar „nur“ als Ersatzfrau für das Frauen-Riemenrudern nominiert, aber auch das sehe ich unter Berücksichtigung ihres jungen Alters als Erfolg an.

Es wird natürlich schwer für sie sein, sich weiterhin zu motivieren und das volle Trainingsprogramm zu absolvieren, aber immerhin könnte sie zumindest bei Olympia dabei sein. Allerdings muss die Hürde der Qualifizierung zunächst in Luzern erst einmal noch geschafft werden.

Frage: Anne-Sophie feierte gerade im Nachwuchsbereich große nationale und internationale Erfolge. Was zeichnet die junge Athletin aus Ihrer Sicht aus?

Hans-Jürgen Wüsthoff: Anne Sophie zeichnet vor allem ihre Charakterstärke und ihre sportliche Lebensweise aus. Sie nimmt das Training sehr ernst und ist trotzdem fast immer freundlich und bei guter Laune. Damit beeinflusst sie auch die anderen Mädels in ihrer Trainingsgruppe.

Frage: Es gab ja in den letzten 40 Jahren einige Schweriner Ruder-Erfolge bei nationalen Meisterschaften, WM und Olympia. Wie ist die gegenwärtige Nachwuchs-Situation in Schwerin?

Hans-Jürgen Wüsthoff: In Schwerin selbst hegen wir aufgrund der Trainingsvoraussetzungen keine direkten „Olympiahoffnungen“. Unser Trainer Joachim Dreifke (geboren 1952 in Greifswald, mehrfacher Weltmeister 1974/1982 und Olympiasieger 1980 – Anm. M.M.)  bemüht sich in Gemeinsamkeit mit dem ORC Rostock, Nachwuchskader zu entwickeln, die vielleicht einmal in seine Fußstapfen treten können.

Anne Sophie Agarius (22 Jahre), Hannes Ocik (21 Jahre), Finn Knüppel (19 Jahre) und Moritz Höffer (15 Jahre) sind Sportler, deren rudersportliche Entwicklung im ORC Rostock durch die Schweriner Rudergesellschaft von 1874/75 e. V. finanziell gefördert wird und die alle Potenzen in sich bergen, einmal „zu den Sternen“ greifen zu können.

Letzte Frage: Wer könnte nach Ihrer Meinung „den Sprung“ in die deutsche Olympia-Mannschaft aus M-V-Sicht schaffen? Einige Rostockerinnen und Rostocker hegen ja berechtigte Ambitionen …

Hans-Jürgen Wüsthoff: Ich hoffe stark, dass der Frauen-Achter mit den genannten Rostockerinnen die Qualifikation schafft und dann einen Finalplatz erreicht. Medaillenhoffnungen habe ich in dieser Bootsklasse nicht.

Felix Drahotta im Zweier ohne und Stephan Krüger im Doppelzweier haben durch ihre Siege am letzten Wochenende in Belgrad mit ihren jeweiligen Partnern bewiesen, dass sie berechtigte Hoffnungen auf einen Medaillenplatz hegen dürfen.
Ein Fragezeichen steht zurzeit auch noch hinter Marie-Louise Dräger.

Dann weiterhin bestes Schaffen für den Mecklenburger und speziell Schweriner Rudersport!

Marko Michels