Noch nie wurde die Musikgeschichte Preußens so umfangreich und facettenreich präsentiert.
Mit Klängen der Originalflöte von Friedrich dem Großen, die erstmalig nach dem Tod des Preußenkönigs öffentlich gespielt wurde, endete am Samstag, 10. Oktober, das 16. Usedomer Musikfestival. Beginnend am 19. September, widmete sich das Festival in 41 Veranstaltungen sowie in einem zusätzlichen Rahmenprogramm der Musikgeschichte Preußens, die so umfangreich und facettenreich in drei Wochen noch nie zuvor dargestellt wurde. 2009 verzeichnet das Usedomer Musikfestival einen neuen Besucherrekord von 12.450 Gästen. Damit steigert sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr. Wie 2008 liegt die Auslastung bei 95%. Neben 23 ausverkauften Veranstaltungen fanden alle anderen Konzerte in fast vollbesetzten Räumen statt. Mit Konzertübertragungen in Spanien, Rumänien, Schweden, Australien, Korea und den USA erreichte das Festival seine bislang größte weltweite Verbreitung. NDR Kultur übertrug ein Peenemünder Konzert live und wird, wie auch Deutschland Radio Kultur, weitere Veranstaltungen des diesjährigen Festivals senden.
Herausragende Künstler wie Yaara Tal und Andreas Groethuysen, Anja Silja, Roman Trekel, David Geringas, Lauma Skride, Gudrun Landgrebe, Ingo Naujoks, Joachim Kaiser, das Trio Parnassus sowie das NDR Sinfonieorchester mit Pianist Saleem Abboud Ashkar unter Christoph Eschenbach und das Baltic Youth Philharmonic mit Gründungsdirigent Kristjan Järvi wurden vom Publikum gefeiert und verliehen dem Festival internationale Ausstrahlung.
Mit zwei Peenemünder Konzerten setzte das Usedomer Musikfestival wieder denkwürdige Akzente. Die 2002 vom Festival und dem Norddeutschen Rundfunk ins Leben gerufene Reihe ist mittlerweile eine nicht mehr wegzudenkende, feste Größe innerhalb des dreiwöchigen Festivalprogramms. Unter der Anwesenheit von S.K.H. Prinz Georg Friedrich von Preußen, Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern und Schirmherr des Festivals, Erwin Sellering, sowie Botschaftern aus der Ostseeregion, eröffnete in Peenemünde das vom Usedomer Musikfestival und der Nord Stream AG gegründete Baltic Youth Philharmonic die 16. Festivalsaison. Die talentierten jungen Musiker aus den 10 mit der Ostsee verbundenen Staaten begeisterten unter der Leitung von Music Director Kristjan Järvi mit enormer Spielfreude, mitreißendem Temperament und meisterlichem Können. Das den Ostseeraum verbindende europäische Projekt wurde von allen Botschaften der Anrainerstaaten, inklusive Norwegen, sowie von Vizepräsident der Europäischen Kommission, Günther Verheugen, unterstützt. Sie alle übernahmen die Schirmherrschaft über das Eröffnungskonzert.
Das zweite Peenemünder Konzert stand unter besonderen historischen Zeichen: Am 3. Oktober wurde 20 Jahre Wiedervereinigung gefeiert und gleichzeitig an die schicksalhaften Folgen des Starts der ersten Rakete, die den Weltraum erreichte, gedacht. Als ein Symbol der Toleranz, des Friedens und der Völkerverständigung betrachteten Henry Tesch (Präsident der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland), Thomas Hummel (Intendant des UMF) und Christian Mühldorfer-Vogt (Museumsdirektor des Historisch-technischen Informationszentrums Peenemünde) dieses Konzert mit dem NDR Sinfonieorchester und dem palästinensisch-israelischen Pianisten Saleem Abboud Ashkar unter der Leitung von Christoph Eschenbach.
In Kirchen, Schlössern, Galerien und Hotels auf der Insel Usedom sowie im Kraftwerk des Museums in Peenemünde zeigten in diesem Jahr rund 400 Künstler, vorrangig aus Deutschland, Polen, Litauen und Russland, das reiche Kulturerbe Preußens. Es gastierten drei Orchester (NDR Sinfonierochester, Polnische Kammerphilharmonie Sopot, Baltic Youth Philharmonic) und drei Chöre (Kant-Chor aus Gumbinnen, Domkinderchor Greifswald, Kinderchor der Marienkantorei Anklam) beim diesjährigen Musikfestival. Als composer in residence lud das Usedomer Musikfestival den Litauer Anatolijus Šenderovas ein. Er schrieb ein Auftragswerk für das Baltic Youth Philharmonic (vier Kadenzen für das Solokonzert op. 61 von L.v. Beethoven in der Version für Klavier und Orchester, interpretiert von Peter Jablonski), sowie ein weiteres für Trompete, Violine und Violoncello, das im Schloss Stolpe am 22. September seine Uraufführung erlebte.
Zum ersten Mal verlieh das Usedomer Musikfestival mehrere Preise an herausragende junge Musiker. Pianist Florian Uhlig und Bariton Konstantin Wolff wurden ausgezeichnet und waren beim Festival mit je einem Konzert zu hören. Gestiftet wurden die Preise von der Oscar und Vera Ritter-Stiftung und der Walter und Charlotte Hamel Stiftung. Traditionell gab auch einer der Gewinner des Internationalen Finales von Young Concert Artists in New York innerhalb des Usedomer Musikfestivals ein Konzert: Sopranistin Carolina Ullrich, begleitet von Marcelo Amaral, Klavier, verzauberte das Publikum in Heringsdorf.
Das von Dr. Jan Brachmann (Dramaturg) und Thomas Hummel (Intendant) zusammengestellte Programm, bestehend aus Konzerten, Vorträgen, Ausstellungen, Rundfahrten (u.a. zu den Synagogen in Krakow am See und Röbel/Müritz), Workshops und Schulprojekten, erstreckte sich vom Barock, über Klassik, Operette, Schlager bis hin zur Moderne und dem Jazz. Im Zentrum standen Komponisten, die für den preußischen Hof schrieben (u.a. J.S. Bach, W.A. Mozart und L.v. Beethoven), Preußische Hofkapellmeister (J.F. Reichardt, C.H. Graun), Mitglieder der Preußischen Akademie der Künste (A. Schönberg, F. Liszt), Berliner Operetten-Stars der 20er Jahre (F. Hollaender, P. Lincke). und der komponierende Adel (Prinz Louis Ferdinand von Preußen, Friedrich der Große). Neben bekannten Kompositionen, die Königen und Prinzen gewidmet wurden (Bach: „Das Musikalische Opfer“, Beethoven: Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll, Mozart: Streichquartett KV 575), erklangen auch solche, die nur äußerst selten zu hören (u.a. Emilie Meyer: Violinsonate Nr.2) sind.
Eine besondere Gewichtung innerhalb des Programmes erhielt Felix Mendelssohn Bartholdy. Anlässlich seines 200. Geburtstages widmete das Usedomer Musikfestival eine Reihe unterschiedlicher Veranstaltungen dem ehemals Preußischen Hofkomponisten und dessen Familie. Schon vor Festivalbeginn fand in Zusammenarbeit mit dem Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum eine internationale Mendelssohn-Tagung mit bedeutenden Forschern aus Deutschland, Israel und den USA, u.a. Larry Todd, Michael Beckerman und Ruth Ha-Cohen, statt.
Passend zum Jubiläumsjahr der deutsch-deutschen Wiedervereinigung wurde zum Usedomer Musikfestival eine zu DDR-Zeiten verbotene Kinderoper zum ersten Mal nach 40 Jahren wieder aufgeführt: Die Nachtigall von Burkhard Meier. Das dem Libretto von Hella Brock zugrunde liegende Märchen von Hans Christian Andersen zeigt einen durch Musik lernfähigen Kaiser. Dies gehe einer revolutionären Auseinandersetzung aus dem Wege und die Arbeiterklasse stehe nicht im Mittelpunkt des Stückes. So lautete die Begründung der SED 1969. Die neue Inszenierung von Vera Valtin und die begeisternden Mädchen und Jungen des Domkinderchors Greifswald, des Kinderchores Anklam, begleitet von einem Instrumentalensemble unter der Leitung von Jochen A. Modeß, ernteten großen Beifall. Das gemeinsame Projekt des Usedomer Musikfestivals mit der gemeinnützigen Regionalgesellschaft Usedom-Peene wurde kofinanziert aus Mitteln des EU-Programmes „Kultur“ der Europäischen Union.
Die langjährige Zusammenarbeit mit dem polnischen Teil der Insel Usedom fand in mehreren Veranstaltungen ihre erfolgreiche Fortsetzung. In ?winouj?cie fanden ein Sinfoniekonzert mit der Kammerphilharmonie Sopot und dem Preisträger des Usedomer Musikfestivals Florian Uhlig unter der Leitung von Wojciech Rajski im Theatersaal des Kulturhauses, Workshops und Schulkonzerte sowie ein Festgottesdienst in der Kirche des Seligen Märtyrerbischofs Micha? Kozal mit dem Kant-Chor aus Gumbinnen statt.
Bereits zum fünften Mal veranstaltete das Usedomer Musikfestival zusammen mit dem Tonkünstlerverband Mecklenburg-Vorpommern das Ostsee-Musikforum, unterstützt vom Norddeutschen Rundfunk. David Geringas unterrichtete anderthalb Wochen lang ausgewählte Meisterstudenten aus Korea, Japan, Litauen, Russland und Deutschland. Sie gaben drei Konzerte im Schloss Stolpe, mehrere Schulkonzerte auf deutschem und polnischem Teil der Insel Usedom und umrahmten die Synagogen-Rundfahrt.
Zusätzlich organisierte das Usedomer Musikfestival gemeinsam mit der Historischen Gesellschaft zu Seebad Heringsdorf ein Rahmenprogramm, dass sich auf die preußische Geschichte der Seebäder konzentrierte.
Neben der Unterstützung des Hauptförderers NDR, zahlreichen Förderern und Sponsoren, der Bundesregierung, der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, des Landkreises Ostvorpommern, der Ämter Usedom-Nord und Usedom-Süd, der Städte Wolgast und ?winouj?cie und den Gemeinden der Insel Usedom, beteiligte sich auch in diesem Jahr, die aus rund 80 Förderern der Region bestehende Unternehmensinitiative für das Usedomer Musikfestival an der Finanzierung der 16. Saison.
Ein besonderes Anliegen des Festivals ist es, Kinder und Jugendliche der Region mit einzubeziehen. Andreas Peer Kähler begeisterte mit seinem Programm Felix – der glückliche Mendelssohn im Kindergarten Benz, im Gymnasium Heringsdorf, der Ostsee-Schule Seebad Ückeritz sowie in der Grundschule und der Heinrich-Heine-Schule Karlshagen. Zusammen mit drei weiteren Musikern entführte er die jungen Zuhörer mit Musik und spannenden, humorvollen Geschichten in das bewegte Leben des Komponisten. Zudem organisierte das Usedomer Musikfestival auch in diesem Jahr Workshops, in denen Kinder mit Künstlern des Festivals, wie z.B. mit dem Pianisten Florian Uhlig und dem Kaliningrader Klaviertrio, zusammenarbeiten konnte.
Bereits Ende August 2009 veranstaltete das Usedomer Musikfestival zum zweiten Mal ein Sommerkonzert in Kooperation mit dem Schleswig-Holstein Musik Festival. Frank Peter Zimmermann und sein Sohn Serge interpretierten mit dem Schleswig-Holstein Festival Orchester alle Violinkonzerte von Johann Sebastian Bach.
Das Usedomer Musikfestival gewann mit den programmatisch eng verbundenen, künstlerisch hochwertigen Veranstaltungen weiter an Renommee. Damit trägt das Festival entscheidend zur Attraktivitätssteigerung der gesamten Region bei und ist eine Bereicherung der Festivalszene in Deutschland.
Am Sonntag, 11.10., 19:05 Uhr sendet NDR1 MV einen einstündigen Rückblick auf die 16. Festivalsaison. Am Dienstag, 27.10., 21 Uhr ist das Usedomer Musikfestival auf NDR Kultur Thema der Sendung „Welt der Musik“.
Weitere Informationen zum Festival: unter der Telefonnummer 038378.34647 oder auf unserer Internetseite: www.usedomer-musikfestival.de
Franziska Franke