65 Jahre Charta der Heimatvertriebenen

Zwischen Flucht damals und Flucht heute


Zum 65. Jahrestag der Verkündung der Charta der deutschen Heimat¬vertriebenen erklärt BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB:

Am 5. August 1950 wurde die Charta der deutschen Heimat¬vertrie¬benen in Stuttgart feierlich unterzeichnet und am 6. August vor den Ruinen des Neuen Schlosses verkündet. Mit ihrem klaren Rache- und Vergeltungs¬verzicht bricht sie aus dem immer wieder zu beobach¬tenden Teufels¬kreis aus Gewalt und Gegengewalt aus. Daher bildet sie bis heute das moralische Fundament für die Arbeit der deut¬schen Vertriebenen und ihrer Verbände und widerlegt sämtliche Stimmen, die den Vertriebenen Revanchismus unterstellen.

Gleichzeitig haben die deutschen Heimatvertriebenen mit der Charta ihrem Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben mit allen Nachbarvölkern und dem Aufbau eines gemeinsamen Euro¬pas in Frieden und Freiheit Ausdruck verliehen.

Im Sinne dieses Bekenntnisses haben Vertriebene und Aussiedler wesentlich zum Wiederaufbau Deutschlands beigetragen und sich für die Verständigung sowohl mit den Menschen als auch mit den Ländern ihrer Heimatgebiete ein¬gesetzt. Es bestimmt unser Handeln nach wie vor.

70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, nach Flucht und Vertreibung, muss aber auch daran erinnert werden, dass die Charta nicht nur Vision, sondern ebenso Protest gegen das erlittene Schicksal und Mahnung für die Zukunft war und ist. Angesichts der derzeit nahezu 60 Millionen weltweiten Vertriebenen und Flüchtlinge wird deutlich, dass der Satz: „Die Völker müssen erkennen, dass das Schicksal der deut¬schen Heimat¬vertrie¬benen wie aller Flücht¬linge ein Weltproblem ist“, unverändert Bestand hat.

Vertreibungen und ethnische Säuberungen gehören eben nicht der Vergangenheit an. Sie weltweit zu ächten, möglichst zu verhindern und die Menschenrechte zu sichern, bleiben große Anliegen.

Pressemitteilung / BdV – Bund der Vertriebenen / Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Anmerkung – Dr. Marko Michels

„Happening für echte Toleranz…“

Der „Bund der Vertriebenen“, in der Vergangenheit oft zu Unrecht als rechtskonservativ gescholten, zeigte mit der Rede seines Vorsitzenden D. Bernd Fabritius auch deutlich Flagge für Mitmenschlichkeit und Empathie gegenüber den aktuellen Flüchtlingen aus Kriegsgebieten. Eine großartige Rede für Toleranz, Geschichtsbewußtsein und Humanismus – mit Blick auf die eigene Geschichte, die hierzulande leider viel zu wenig diskutiert wurde und wird.

Würdige Ehrung

Und es gibt weitere Beispiele für demokratisches Engagement, auch in anderer Hinsicht … Zu Recht erhielt das Ehepaar Birgit und Horst Lohmeyer aus Jamel bei Wismar den Georg-Leber-Preis der Gewerkschaft IG Bau-Agrar-Umwelt für Zivilcourage. Mit der Open-Air-Konzertreihe „Jamel rockt den Förster“ wird jährlich ein Zeichen gegen Engstirnigkeit und Intoleranz gesetzt – und in diesem Jahr, Ende August, wurde es nicht zuletzt dank des Auftritts der Gruppe „Die Toten Hosen“ ein besonderer Erfolg. Ja, der Einsatz gegen rechte Gewalt ist ungemein wichtig.

Weiterer Einsatz nötig

Ähnlich wichtig ist jedoch auch der Einsatz gegen linke Gewalt und für Gedenkstätten, die an den Linksfaschismus erinnern.

So wird es auf Druck russischer Menschenrechtler sogar ein Mahnmal für die Opfer des Stalin-Terrors in Russland geben. Voraussichtlich bis zum Jahresende wird ein Denkmal auf der Sacharow-Avenue in Moskau errichtet. Und was ist damit in Deutschland und in M-V?!

So wie jetzt richtigerweise ein Zeichen gegen rechte Gewalt in Jamel gesetzt wurde, sollte es daher hierzulande weiter gehen…

Interkulturelle Wochen im Zeichen von (geistiger) Vielfalt

Am 27.September werden die Interkulturellen Wochen in Deutschland offiziell bundesweit in Mainz eröffnet, die in diesem Jahr unter dem Motto „Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt“ stehen. In der Landeshauptstadt M-V gibt es interkulturelle Veranstaltungen dazu zwischen dem 13.September und 4.Oktober.

Dabei sollte auch die historische und menschliche Dimension von Flucht und Fluchtbewegungen verdeutlicht werden und welche Folgen diese haben. Es kann nicht sein, dass demokratische Politiker einerseits medienwirksam Menschlichkeit predigen, andererseits tatenlos zuschauen, wie Menschen in umgebauten Wohn-Containern hausen müssen. Menschen, die aus ihren Ländern flüchten mußten, weil nicht zuletzt ebenfalls führende deutsche Politiker die dortigen brutale , menschenverachtenden Regime unterstützten, die Krieg gegen das eigene Volk führten. Nur, weil diese Länder „strategische Bedeutung“ für Deutschland haben/hatten…

Menschenwürdiges Leben nach der Flucht!

Es gibt auch in M-V, speziell in Schwerin, genügend leer stehende Gebäude und Wohnungen im Innenstadtbereich, am Pfaffenteich, in der Schelfstadt oder in der Feldstadt. Flüchtlinge gehören ins Zentrum einer Stadt – bei gleichzeitiger dezentraler Unterbringung in den einzelnen Wohnungen. Gleichzeitig können „Mentoren“ die Betreuung übernehmen – genügend Geld sollte für so etwas vorhanden sein. Es gibt zudem genügend pädagogisch Begabte und Ausgebildete, die diese Aufgabe gern übernehmen.

Zudem sind genügend Wahlkreisbüros oder Räumlichkeiten sogar im Schweriner Schloss vorhanden, die endlich einmal wieder einen sinnvollen Zweck erhielten – nach einem schnellen Umbau – Menschen ein würdiges Zuhause zu geben und nicht irgendwelchen Politikern Büros für sinnfreies Tun!

Auch an andere Opfer denken

Des Weiteren sollte endlich auch den Opfern der realsozialistischen Diktatur in der DDR Genugtuung zuteil werden. Das sind auch die seit 1945 zwischen Kap Arkona und Sächsischer Schweiz lebenden Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten, die über ihre Vertreibung in der sowjetischen Besatzungszone/DDR nicht sprechen durften.

Deutliche Worte fand hierfür Dr. Bernd Fabritius in seinem Interview mit dem SPIEGEL vom 29.August: „… Bei einigen (in Deutschland) ist es noch nicht normal, der eigenen Opfer (der Vertreibungen) von vor 70 Jahren zu gedenken, sie überhaupt als solche anzuerkennen. Es gibt viele Menschen, die so tun, als ob sie mit den Opfern von heute ehrlich Empathie empfinden – aber solche Empfindungen gegenüber den Schlesiern etwa ablehnen…“

Und ähnlich ist es mit denen, die in der DDR schikaniert, deren Gesundheit zerstört und deren Lebenswege verbaut wurden.

Diese gelten bestenfalls als „Benachteiligte dritter Klasse“…

Aber diese Spielereien der heutigen Politiker hierzulande sind durchschaut. Die Flüchtlinge und Opfer von einst lassen sich nicht mehr gegen die Flüchtlinge und Opfer von heute ausspielen!

Keine Pharisäer mehr

An die Adresse der heutigen SPD- und CDU-Politiker heißt das: „Macht endlich das, wofür Ihr gewählt und vom Steuerzahler bezahlt werdet: Macht eine menschenwürdige Politik für alle Menschen, gleich woher sie kommen. Die Kassen sind bestens gefüllt. Wohnraum ist genug vorhanden – schon mal etwas davon gehört `Eigentum verpflichtet!`?!

Gut, dass Ihr mit dem `rechten Auge` gut sehen könnt, aber korrigiert auch Euer Sehvermögen auf dem `linken Auge`!

Die Zeiten, in denen mit falschen `rechten` und `linken` Karten gespielt wurde, sind längst vorbei.

Macht doch die Interkulturellen Woche in diesem Jahr zu einem Happening zwischen den Flüchtlingen von einst mit den Flüchtlingen von heute!“

Dieser geballten Kraft wird sich dann niemand mehr entziehen können. Weder „Rechte“ noch „Linke“ noch „Pharisäer“!

Auf mehr echte Menschlichkeit und weniger verlogene Politik!

mm

Übrigens: Vor 50 Jahren, zwischen 1964 und 1966, war Wenzel Jaksch, ein aufrechter Sozialdemokrat, Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen…